Zum Hauptinhalt springen

Harald Weinberg: Fauler Kompromiss der Bundesregierung bei der Pflegeberufereform

Rede von Harald Weinberg,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Jetzt ist wieder ein Redner der Opposition am Zuge, insofern wird es natürlich wieder etwas kritischer; das ist logisch.

Mehr als zehn Jahre Diskussion um eine notwendige Reform der Pflegeausbildung liegen hinter uns. Im Mai 2016 wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt. In der Anhörung, die dann folgte, gab es massive Kritik an diesem Gesetzentwurf; es wurde im Prinzip kein gutes Haar daran gelassen.

Die Koalition – das hat man während der Anhörung deutlich gemerkt – hat sich an dieser Stelle auch beharkt. Es gab sehr unterschiedliche, fast unvereinbare Positionen, und kurz vor Ende der Wahlperiode haben wir jetzt einen Kompromiss, der uns im Ausschuss in Form von sage und schreibe 46 Änderungsanträgen auf 80 Seiten vorgelegt wurde,

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das ist gut! Eine Sternstunde des Parlaments!)

die wir einmal kurz durchgezogen bekommen haben.

Gestern ist der Ausschussvorsitzende, der leider heute nicht da ist, wegen seiner Art und Weise, wie er den Ausschuss geführt hat, sehr gelobt worden. Diesem Lob möchte ich mich erst einmal ausdrücklich anschließen. Es war wirklich eine sehr gute Arbeit, die Edgar Franke da im Ausschuss gemacht hat. Aber an dieser Stelle, so muss man sagen, war es keine Sternstunde des Ausschusses, an dieser Stelle überhaupt nicht,

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

diese 46 Änderungsanträge auf diese Art und Weise durchzuziehen und uns dann auch noch zu sagen, es habe sich substanziell nichts geändert und deswegen gebe es keine zweite Anhörung. Das war nicht in Ordnung, muss ich ehrlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist klar: In der Politik muss es Kompromisse geben. Öfter wird dann gesagt, wenn alle unzufrieden seien, dann sei der Kompromiss am besten gelungen. Nun, das mag ja zwischen Herrn Irlstorfer und Bettina Müller, die heute leider auch nicht da ist, zwischen Herrn Lauterbach und Herrn Nüßlein stimmen. Aber das Problem hier ist ein ganz anderes: Es lässt die vom Gesetz Betroffenen ratlos und entsetzt zurück. Da gibt es eine gehörige und auch nachvollziehbare Angst, dass diese Verschlimmbesserung, die wir jetzt in Gestalt dieses Kompromisses haben, in der Umsetzung enorme Probleme bereiten wird.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Etliche Einrichtungen der Pflegeausbildung fürchten zu Recht, dass sie dabei auf der Strecke bleiben könnten. Alleine die Organisation der Praxisphasen überfordert vor allen Dingen kleinere Ausbildungseinrichtungen in einer ganz besonderen Art und Weise,

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das können Sie doch gar nicht wissen!)

und das ist nicht in Ordnung.

Nahezu unvereinbare Ausgangspositionen sind zu einem schlechten Kompromiss zusammengeschustert worden; das muss man sagen. Dabei hätte mit unserem Antrag ein Konzept einer integrierten Ausbildung vorgelegen, deren nähere Betrachtung und Einbeziehung wirklich sinnvoll gewesen wären. Das haben Sie allerdings leider nicht gemacht.

(Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Das Konzept wollten wir ja auch nicht!)

Ich will allerdings noch deutlich sagen: Es gibt natürlich auch ein paar Punkte, die ich für positiv halte und herausstellen möchte: Das Wegfallen des Schulgeldes ist schon genannt worden. Die Möglichkeit der Interessensvertretung, über die Mitbestimmung auf die Ausbildung Einfluss zu nehmen, ist ein weiterer positiver Punkt. Auch die Ausbildungsumlage und den Fonds will ich als positiven Punkt benennen.

Aber: Manchmal ist ein Kompromiss schlechter als der bestehende schlechte Zustand. Das ist hier eindeutig der Fall. Viele Verbände – damit meine ich jetzt nicht in erster Linie die Arbeitgeberverbände, vielmehr andere – sagen: Lieber kein Gesetz in dieser Wahlperiode als ein solches Gesetz. – Das ist die Aussage einiger betroffener Verbände. Sie werden leider nicht gehört werden. Sie werden das jetzt durchziehen, Sie werden das jetzt mit Ihrer Mehrheit verabschieden. Unsere Stimmen werden Sie dazu auf jeden Fall nicht bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)