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Harald Petzold: Große Koalition der Verhinderer

Rede von Harald Petzold,

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Besuchertribünen! Die Bundeskanzlerin hat gestern dem neu gewählten amerikanischen Präsidenten Donald Trump gratuliert. Sie hat dabei auf gemeinsame Werte hingewiesen, die Deutschland und die USA verbinden. Sie nannte Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung, und sagte: Dafür stehen wir in Deutschland. – Angesichts der Äußerungen, die Donald Trump im Wahlkampf unter anderem in Bezug auf Homosexuelle gemacht hat, ist das richtig. Ich finde es sehr in Ordnung, dass sie das so betont hat. Ich würde mir allerdings wünschen, dass diese Werte auch in Deutschland gelebt werden, und zwar ohne Einschränkungen, so wie die Bundeskanzlerin es fordert.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Realität ist nach wie vor eine andere. Lesben, Schwule, trans- und intergeschlechtliche Menschen werden in Deutschland immer noch nicht gleichbehandelt. Sie haben mit Ungleichbehandlung und Vorurteilen zu kämpfen, und sie sind Anfeindungen ausgesetzt, und das nicht zuletzt auch aufgrund des Bauchgefühls der Kanzlerin und der Blockadehaltung ihrer eigenen Partei, der Union.

Meine Fraktion hat heute diese Debatte verlangt, damit die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum zweiten Mal darüber berichten muss, wie in diesem Ausschuss mit Gesetzentwürfen, die zur Behandlung überwiesen worden sind, umgegangen wurde. Aufgrund dieser Umgehensweise im Ausschuss führen wir heute die mindestens 14. Debatte zu diesem Thema. Auch wenn der Kollege Brunner meint, es lohne nicht, dass wir als Opposition immer wieder neue Anträge einbringen: Wir werden Sie so lange mit Anträgen konfrontieren, bis Sie endlich dafür gesorgt haben, dass Lesben und Schwule in der Gesellschaft gleichbehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in diesen mindestens 14 Debatten immer wieder eines erlebt: dass auf der einen Seite die Opposition für gleiche Rechte gekämpft und auf der anderen Seite die Koalition verhindert hat. Sie hat verhindert, dass über den Gesetzentwurf der Linken im Ausschuss überhaupt diskutiert worden ist. Sie hat verhindert, dass über den Gesetzentwurf der Grünen zur Öffnung der Ehe im Ausschuss überhaupt diskutiert worden ist. Sie hat verhindert, dass über den Antrag der Linken zur Annahme der Entschließung des Bundesrates im Ausschuss diskutiert worden ist. Sie hat verhindert, dass es mehr Schutz für Menschen mit HIV und Aids vor Diskriminierung gibt. Sie hat verhindert, dass es gleiche Rechte für Regenbogenfamilien gibt. Sie hat verhindert, dass es das volle Adoptionsrecht für Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gibt.

Der absolute Treppenwitz der Geschichte ist, lieber Kollege Brunner, dass ihr es gewesen seid, die ihr euch im Ausschuss für diese Verhinderung hergegeben habt. Mindestens 15 von 17 Mal ist in den Ausschusssitzungen von dir der Antrag gestellt worden, Beratungsgegenstände von der Tagesordnung zu nehmen, sie zu vertagen oder aber gar nicht erst mit der Diskussion anzufangen.

Euer Fraktionskollege Johannes Kahrs kneift heute ja ganz. Bei der letzten Beratung dieses Gegenstands hat er hier vollmundig erklärt:

"Es reicht. Ich habe einfach keine Lust mehr. Ich verspreche Ihnen eines: Wenn das Thema hier im Deutschen Bundestag noch einmal aufkommt, dann werden wir in der SPD-Fraktion darüber abstimmen, wie wir hier abstimmen. ... Entweder Sie raffen sich jetzt mal auf"

– das hat er in Ihre Richtung gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union –

"und kriegen es hin, dass die Abstimmung geöffnet wird, oder Sie werden hier im Deutschen Bundestag eine Abstimmungsniederlage erleiden!"

Natürlich. Da ich nur noch vier Sekunden Redezeit habe, ist es mir sogar sehr recht, dass der Kollege Brunner noch eine Frage stellt. – Bitte schön.

Das Folgende habe ich mir eigentlich erst für eine Kurzintervention gedacht, aber ich kann es auch als Zwischenfrage stellen. Verehrter Kollege Petzold, Sie haben angesprochen, dass wir uns dafür hergegeben haben, die Beratung zu verhindern. Sie wissen aber durchaus und werden mit Sicherheit bestätigen, dass wir, wenn wir das Verfahren im Ausschuss, so wie es Grüne und Linke gern gewollt hätten, umgesetzt hätten, letztendlich nur zu dem Ergebnis gekommen wären, das Sie nicht wollten, nämlich zu einer Ablehnung der entsprechenden Anträge und damit zu einem Scherbenhaufen für diejenigen Menschen, für die wir da sein wollen, für die wir nämlich die Ehe für alle schaffen wollen. Deshalb haben wir die Anträge abgesetzt, zur weiteren Verhandlung mit dem Koalitionspartner, um den Menschen auch weiterhin die Chance zu geben, in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege Brunner, ich nehme Ihnen persönlich ja durchaus ab, dass Sie mit Herzblut für die Angelegenheit kämpfen, und Sie machten uns dies ja auch mit entsprechender Emotionalität in jeder der von mir genannten mindestens 14 Debatten deutlich. Ich finde das in Ordnung; das Anliegen hat diese Emotionalität auch verdient.

Ich sage Ihnen zu Ihrer Bemerkung aber: Sie haben die Absetzungsanträge jedes Mal verbunden mit der Zusage gestellt, dass es eine Lösung vonseiten der Koalition geben werde und dass Sie darüber verhandeln würden. Nur wurde diese Lösung nicht vorgelegt.

Wenn Sie wenigstens 10 Prozent der Energie, die Sie hier für die Verhinderung aufgebracht haben, einmal dafür aufbrächten, dass wir endlich zu einer Lösung kommen,

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann er doch gar nicht!)

dann können Sie doch von mir aus auch unseren Gesetzentwurf ablehnen. Aber dann nehmen Sie wenigstens den Gesetzentwurf des Bundesrates an. Dann hätten wir das Problem erledigt.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder den von den Grünen!)

– Dafür könnt ihr selber werben, liebe Kollegen von den Grünen.

Wenn wir zumindest den Gesetzentwurf des Bundesrates annehmen würden, dann hätten wir das Problem vom Tisch. Sie wissen genau, wie der Weg geht. Dazu bedarf es etwas Mutes seitens Ihrer Fraktion und nicht nur der Ankündigungen des Kollegen Kahrs – das können Sie ihm auch ausrichten –; dass er heute hier bei dieser Sitzung kneift, finde ich oberdaneben, aber das muss er mit sich selber ausmachen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Er ist in der Bereinigungssitzung!)

– Schade.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt ist leider die Redezeit vorbei! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie geht es jetzt weiter?)

Ich will zusammenfassen: Geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung auf! Dann werden wir auch keine weiteren Anträge dazu einbringen müssen. Sorgen Sie endlich dafür, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle in diesem Land gleichbehandelt werden. – Das sage ich auch in Richtung Union. Denn die Kollegen von der SPD sind dafür nicht alleine zuständig; das wissen wir auch.

(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Eben darum geht es!)

Nehmen Sie ernst, was Ihre Bundeskanzlerin gesagt hat. Es geht um den Respekt, um die Freiheit und um das Recht und die Würde der Menschen, unabhängig von der sexuellen Identität.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)