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GWB-Novelle: Stumpfes Schwert gegen die Marktmacht von Konzernen

Rede von Ulla Lötzer,

Sehr geehrter Herr Präsident!

Herr Rösler und Kollege Nüßlein, von Ihren großen Ankündigungen, Sie hätten etwas vorgelegt, das eine Anpassung an die Entwicklung des Wettbewerbs bedeutet und der Konzentration tatsächlich entgegenwirkt, ist in dem Entwurf überhaupt nichts zu spüren. Allenfalls erfüllt der Entwurf einige wenige minimale Anforderungen: die Anpassung des deutschen Rechts an die Definition von Marktmacht in europäischen Bestimmungen, die Formulierung von Prüfkriterien, juristische Vereinfachungen, Klarstellungen und bessere Systematisierungen. Auch die Erweiterungen im Hinblick auf das Kartellrechtsverfahren werden von uns begrüßt.

Angesichts der realen Probleme mit der Marktmacht von Konzernen in vielen Bereichen gibt es aber eine massive Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Letztlich wiederholen Sie hier das übliche Schauspiel Ihrer Regierungskoalition: Die Kernprobleme und Konfliktfelder werden ausgeblendet; der Rest wird mit viel heißer Luft zur Reform aufgeblasen. Das haben Sie hier heute Morgen sehr deutlich gemacht, Herr Rösler.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Auffassung finden Sie auch in zahlreichen Stellungnahmen von Verbänden, Sachverständigen und sogar konservativen Juristen. Lassen Sie mich einige zentrale Punkte herausgreifen.

Unternehmen erzielen, oft jahrelang, Erlöse und Gewinne durch Absprachen mit Konkurrenten und zu hohe Preise. Festzustellen ist: Von den bisherigen Kartellstrafen und Bußgeldern geht keine abschreckende Wirkung aus. Die Strafen sind zu gering. Es lohnt sich, gegen das GWB und andere Vorschriften zu verstoßen, bis man auffliegt. Das wird nach Ihrem Entwurf leider so bleiben.

Das gilt insbesondere für die Benzinpreise; Herr Nüßlein hat eben etwas dazu gesagt. Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die Mineralölkonzerne den Benzinpreis künstlich in die Höhe treiben, ohne zu formalen Preisabsprachen zu greifen. Natürlich ist ein Teil dieser Preiserhöhungen durch steigende Nachfrage und durch Spekulation entstanden oder dadurch, dass die Erschließung neuer Ölfelder immer teurer wird. Dass in dieser Situation die Mineralölkonzerne weiter ihre Extragewinne aufgrund ihrer Oligopolstellung draufschlagen können, ist umso weniger hinzunehmen - genauso wenig wie Ihre Untätigkeit gegenüber der Spekulation.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach unzähligen Rettungsschirmen haben wir es heute mit Finanzmarktakteuren zu tun, die noch größer und damit noch systemrelevanter sind als 2007. Das Problem des „too big to fail“ ist mithilfe der zugunsten der Banken mobilisierten Steuermittel und Garantien bei uns und in Europa noch drängender geworden statt kleiner. Darauf geben Sie keine Antwort. Der Entwurf ist diesbezüglich ein Totalausfall.

Ähnliches gilt für die viel diskutierte Frage der Pressefusionen. Knapp 60 Prozent aller Zeitungen werden von zehn großen Verlagen angeboten. Die Konzentration steigt von Jahr zu Jahr. Sie ist nicht das Ergebnis des Wettbewerbs um die besten Presseprodukte, sondern schlicht das Ergebnis eines Verdrängungswettbewerbs, in dem die finanzstärksten Verlage dominieren.

Natürlich wissen auch wir, dass weniger Konzentration im Medienbereich nicht Garant ist für differenzierte Berichterstattung, Meinungsvielfalt und demokratische Streitkultur. Aber ohne die Sicherung einer Vielzahl unabhängiger Medien ist der Anspruch darauf überhaupt nicht zu erfüllen. Ohne Maßnahmen gegen die Konzentration finden viele engagierte Verlage und Journalisten, insbesondere bei kleineren Regionalzeitungen, erst recht keinen Platz mehr. Stattdessen das haben Sie beide deutlich gemacht wollen Sie die Global Player im Mediengeschäft auf europäischer Ebene fördern. Das ist unerträglich angesichts der Bedeutung der Medien in der Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

Während Sie in dem einen Bereich zu wenig regeln, überregulieren Sie in dem anderen, bei den Krankenkassen. Diese sollen in das Kartell- und Wettbewerbsrecht eingebunden und damit in Zukunft wie privatwirtschaftliche Unternehmen behandelt werden. Über diesen Umweg wollen Sie dem gerade von der FDP langgehegten Ziel einer schrittweisen Privatisierung des Gesundheitswesens näher kommen.

(Zuruf von der LINKEN: So ist das! Zuruf von der FDP: Blödsinn!)

Das Bundesministerium für Wirtschaft soll Kontrollbefugnisse im öffentlich-rechtlichen Gesundheitswesen erhalten. Krankenkassen sind nach unserer Auffassung keine Unternehmen. Deshalb müssen sie aus der Novelle herausgenommen und von Herrn Röslers Kontrollbefugnissen ausgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Kolleginnen und Kollegen, die skizzierten Problemfelder sind uns allen längst bekannt. Letztlich versagt die Politik seit Jahrzehnten, wenn es darum geht, die Marktmacht von Unternehmen konkret zu begrenzen. Herr Rösler, trotz GWB und Fusionskontrolle auf deutscher und europäischer Ebene steigt die Konzentration. Absprachen und Preiskartelle werden immer wieder aufs Neue aufgedeckt. Oft werden Verfahren nur durch Aussagen von Kronzeugen und Mitbewerbern möglich; Verbote werden dann ausgesprochen und Kartellrechtsstrafen verhängt. Weiter bestimmen auf vielen Märkten nur wenige große Unternehmen über Angebotsmengen und Preise. Der in Ihren Reden immer wieder beschworene freie Wettbewerb findet nicht oder nur eingeschränkt statt.
Das Problem ist: Sie gehen nicht an den Kern des Problems heran. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen der Missbrauchsaufsicht. Sie gehen aber nicht das Grundproblem der Vermachtung der Märkte mit all ihren sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen an. Seit langem verweisen Bundeskartellamt und Monopolkommission darauf, dass sich der Machtmissbrauch in diesen Bereichen oft nicht nachweisen lässt. Deshalb müsste eine Entflechtung an eine marktbeherrschende Stellung gebunden werden sie darf nicht erst Instrument der Missbrauchsaufsicht sein , und genau das tun Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zuruf von der CDU/CSU: Weil es um Verstöße geht!)

Die Umsetzung Ihrer vollmundigen Ankündigung, Herr Rösler, ein wirkungsvolles Entflechtungsgesetz in diesem Sinne zu formulieren, ist schlicht ausgeblieben. Jetzt bleibt uns bis zur Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs tatsächlich nur noch der Wettbewerb um einen besseren Entwurf, damit Sie, Herr Nüßlein, in den Debatten, in den Anhörungen und im weiteren Verfahren von der Linken lernen können, was Wettbewerb und Wettbewerbsförderung in einer sozialen Marktwirtschaft tatsächlich sind.
Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Volkseigene Betriebe, Frau Kollegin! Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Von der DDR Wettbewerbsrecht, ja? Anständiger Fünfjahresplan statt Wettbewerb, ja, Frau Lötzer?)