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Gute Pflege ist eine Frage der Menschenwürde

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

nicht mehr selbständig entscheiden zu können oder zum Pflegefall zu werden – das sind die größten Sorgen der Menschen, wenn sie an ihr Leben im Alter denken. Laut einer Forsa-Umfrage haben 8 von 10 Menschen diese Befürchtung.

Mittlerweile ist der Wunsch: „Bloß nicht zum Pflegefall werden!“ unter lebensälteren Menschen oft zu hören. Es ist ein Armutszeugnis, dass viele Menschen das Pflegesystem nicht oder kaum als wertvolle Hilfe ansehen, sondern auch als regelrechte Bedrohung wahrnehmen. Und das meine Damen und Herren darf so nicht bleiben. Ein Richtungswechsel ist dringend erforderlich!

Immer mehr Pflegebedürftige und ihre Familien müssen notwendige Pflegeentscheidungen aus finanziellen Gründen verschieben oder sogar verwerfen, da die Pflegeversicherung von vornherein als Teilkaskoversicherung konzipiert worden ist und nicht alle Kosten abdeckt.

Die von den zu pflegenden Menschen zu leistenden  Eigenanteile steigen dramatisch kontinuierlich an. Sie zahlen jedoch nicht nur diesen Pflichtanteil des Pflegesatzes. Hinzu kommen Verpflegungs- und Unterkunftskosten.

Diese finanziellen Belastungen treiben immer mehr Menschen in die Hilfe zur Pflege, in die  Sozialhilfe. Das ist wirklich beschämend! Das System der Pflegeversicherung ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass seit Jahren rund ein Viertel der Anträge auf Gewährung von Pflegestufen abgelehnt wird.

Die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich sind geprägt von niedrigen Löhnen, hohem Arbeitsdruck, Teilzeitbeschäftigung, kurzfristiger Verfügbarkeit. Immer öfter müssen Pflegekräfte gegen ihr Berufsethos handeln. Immer öfter entstehen gefährdende Pflegesituationen. Das können Sie doch nicht wollen!

Es ist höchste Zeit , mit dem  vorliegenden Gesetzentwurf einen wirklichen Wandel zu guter Pflege für alle zu bewirken. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff  allein wird daran nichts ändern. Ganz im Gegenteil: der Pflegeaufwand wird wachsen, wenn der zu pflegende Mensch mit allen seinen Beeinträchtigungen und allen Ressourcen im Fokus stehen soll. Nicht nur in der Begutachtung, sondern im Pflegealltag.  Das ist nach wie vor nicht gesichert.

Somit streuen Sie, meine Damen und Herren der Bundesregierung, den Menschen ein weiteres Mal Sand in die Augen und halten weiter an einem unsolidarischen und unsozialen System fest. Das Prinzip der Teilkaskoversicherung wird nicht angetastet, somit bleibt gute Pflege ein Luxusgut. Zudem ist zu befürchten, dass sich bei Neubegutachtungen ab 2017 in den unteren Pflegegraden das Leistungsniveau verschlechtert. Die dringend notwendige Einführung einer Personalbemessung wird verschoben und nicht angegangen.

Deswegen stimmen sie unserem Entschließungsantrag zu! Stimmen Sie für die Pflegevollversicherung, eine jährliche Dynamisierung der Leistungen, eine bundesweit verbindliche Personalbemessung und für die solidarische Pflegeversicherung.

Denn: Gute Pflege ist eine Frage der Menschenwürde.