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Gute Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung

Rede von Harald Weinberg,

DIE LINKE will bundesweite Mindeststandards für die Besetzung der Stationen

Mit diesem Antrag wollen wir die Pflege in Krankenhäusern verbessern. Dass da was im Argen liegt, das ist mittlerweile offenkundig. Fast jede/r, die/der in der letzten Zeit in einem Krankenhaus war, hat es bemerkt: Die Pflegekräfte sind am Limit; sie müssen von Jahr zu Jahr immer mehr Arbeit schultern. Obwohl die meisten Pflegenden sich für ihre Patientinnen und Patienten selbstaufopfernd einsetzen, bleibt am Ende einer Schicht oft ein flaues Gefühl zurück. Die Pflegekräfte wissen, dass eine bessere Pflege möglich wäre, wenn sie mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten hätten.

Die „Fließband-Pflege“ macht auch die Pflegenden krank: Überlastungsanzeigen und Burn outs haben sprunghaft zugenommen; kaum ein Pflegender hält durch bis zur Rente.

Zu wenig und überlastetes Personal in der Pflege kann auch gefährlich sein. Wenn in der Nacht auf einer Station nur ein einziger Krankenpfleger Dienst hat, aber 2 von 30 Patientinnen gleichzeitig auf Hilfe angewiesen sind, dann wird der Pfleger entscheiden müssen, wen er vernachlässigt. Zu wenig Zeit in der Pflege edeutet auch, dass die Hygiene, zum Beispiel die Händedesinfektion, weniger ernst genommen wird. Dazu gibt es mittlerweile Untersuchungen, die das belegen. Das führt zu mehr Infektionen der Patientinnen und Patienten mit multiresistenten Keimen, die in mehreren Hunderttausend Fällen jedes Jahr krankmachen, Amputationen nach sich ziehen können und in Zehntausenden Fällen sogar zum Tod führen.

Das Schlimme ist: Diese Verhältnisse sind nicht deswegen so, weil es nicht anders ginge. Es sind die politischen Weichenstellungen der Krankenhauspolitik in den letzten 15 Jahren, die Einsparungen gerade in der Pflege zum Ziel hatten. Krankenhäuser stehen im Wettbewerb miteinander und werden nach Fällen bezahlt. Das Krankenhaus also, das möglichst viele Fälle, zum Beispiel Operationen, bearbeitet, arbeitet profitabel. Ein Krankenhaus, das auf gute Pflege setzt, wird es nicht lange geben, denn es erwirtschaftet hohe Verluste. Mit den unter Rot-Grün eingeführten Fallpauschalen wurden die Pflegedienste zu reinen Kostenstellen degradiert, die angeblich keinen Anteil an der Wertschöpfung im Krankenhausbetrieb haben. Und dementsprechend werden sie von den Krankenhausmanagern auch behandelt: Die Zahl der Patientinnen und Patienten ist von 2003 bis 2011 von 17,30 Millionen auf 18,34 Millionen gestiegen, während die Zahl der Pflegekräfte (Vollzeitäquivalente) von 2003 bis 2011 von 320 158 auf 310 817 zurückgegangen ist. Und schon 2003 war die Situation äußerst angespannt.

Gegen diese Arbeitsverdichtung regt sich nun erstmals organisierter Widerstand. Die Verdi-Tarifkommission an der Charité hier in Berlin verhandelt mit dem Arbeitgeber derzeit über einen neuen Tarifvertrag. Dabei geht es nicht um höhere Löhne. Die Beschäftigten wollen unter anderem erreichen, dass für jede Station festgestellt wird, wie viel Pflegekräfte benötigt werden. Der Arbeitgeber soll sich verpflichten, dieses Minimum einzuhalten.

Diese Forderung ist gut für die Beschäftigten, und sie ist gut für die Patientinnen und Patienten. Sie stellt sich aber völlig gegen die derzeitige Logik der Krankenhausfinanzierung. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen daher viel Erfolg in dieser Auseinandersetzung.

Aber selbst wenn diese Forderungen durchgesetzt würden, und selbst wenn andere Krankenhäuser diesem guten Beispiel folgen würden: Es würde ein Flickenteppich aus einzelnen tariflichen Lösungen entstehen. Unter den Bedingungen der DRGs würde es den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern sogar weiter anheizen. Die Pflegekräfte haben aber überall in der Bundesrepublik Anspruch auf gute Arbeitsbedingungen, und die Patientinnen und Patienten haben überall den Anspruch auf eine gute Pflege.

Deshalb fordert die Linke in dem heute zur Debatte stehenden Antrag: Wir brauchen eine bundesweite gesetzliche Mindestpersonalbemessung für jedes Krankenhaus. Wir können nicht weiter zusehen, wie Patientinnen und Patienten darunter zu leiden haben, dass Pflegekräfte mehr leisten müssen, als sie können. Und wir können auch nicht weiter zusehen, wie die Pflegenden unter derart ungesunden und belastenden Bedingungen arbeiten.

Klar ist: Das wird Geld kosten. Und ich bin mir sicher, Sie werden mir gleich vorwerfen, in dem Antrag stünde nicht, woher dieses Geld kommen soll. Aber einmal abgesehen von dem dann von mir immer wieder vorgetragenen Hinweis auf unser Bürgerversicherungskonzept: Derzeit befinden sich fast 30 Milliarden Euro Rücklagen im System. Der Finanzminister ist offenbar der Ansicht, dass das Gesundheitssystem zu viel Geld hat, sonst würde er nicht gerade diese Woche wieder weitere 1,5 Milliarden Euro für seine Haushaltssanierung entnehmen. Ich finde, dieses Geld wäre in mehr Pflegekräften, besseren Arbeitsbedingungen und gesünderen Patienten besser angelegt.