Zum Hauptinhalt springen

Grundlegende Reform der Industrie- und Handelskammern

Rede von Sabine Zimmermann,

Sabine Zimmermann (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren!

Mit dem vorliegenden Antrag packt die Linke etwas an, was bisher keine andere Fraktion in diesem Hause zum Thema gemacht hat.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon einmal falsch!)

- Das ist nicht falsch.
Weder die Große Koalition noch die Grünen oder die FDP haben sich an dieses Thema getraut. Sie können mich nachher korrigieren, Frau Andreae.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mache ich gern!)

Die Verpflichtung bzw. der Zwang für gewerbliche Unternehmen, in der IHK Mitglied zu sein, ist seit Jahren umstritten. Erst jüngst hat sich der Petitionsausschuss des Bundestages damit auseinandersetzen müssen. Deshalb, denke ich, ist es an der Zeit, eine Debatte über dieses Thema zu führen, egal wie man zu dieser Frage steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich selbst bin seit 17 Jahren ehrenamtliches Mitglied in der zweitgrößten Kammer in Deutschland, der IHK Südwestsachsen, und kenne die Probleme. Jede Kollegin und jeder Kollege hier in diesem Haus, die oder der regelmäßig mit Kleinunternehmern zusammenkommt, wird zugeben müssen, dass diese immer wieder beklagen, dass sie Zwangsbeiträge für eine Organisation zahlen, die ihnen nicht oder nur wenig nützt.
Die Linke greift dieses Problem mit ihrem vorliegenden Antrag auf. Wir wollen aber mehr. Noch immer handelt es sich beim IHK-Gesetz um ein vorläufiges Gesetz aus dem Jahre 1956. Die damalige Forderung nach einer paritätischen Besetzung der Kammer durch Betriebsinhaber und Arbeitnehmervertreter wartet noch darauf, umgesetzt zu werden. Ich denke, nach 52 Jahren wäre es vielleicht an der Zeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Kleinunternehmer fordern, die Pflichtmitgliedschaft in der IHK aufzuheben. Sie führen eine Reihe von Missständen auf, die nur schwer von der Hand zu weisen sind. Ich kann hier nur einige aufzählen: Die IHK-Beiträge belasten die Kleinst- und Kleinbetriebe ungleich stärker als Großkonzerne. Firmen mit einem Gewerbeertrag von nur 12.000 Euro zahlen Beiträge von bis zu 200 Euro. Die Beiträge von Großunternehmen verringern sich dagegen im Extremfall auf weniger als ein Tausendstel ihres Gewerbeertrages.
Obwohl das IHK-Gesetz verlangt, die Gesamtinteressen der Kammermitglieder „abwägend und ausgleichend“ zu vertreten, setzen sich IHK-Vorstände häufig für Einzelinteressen ein. So widerspricht die Forderung, den beschlossenen Ausstieg aus der Kernkraft rückgängig zu machen, unmittelbar den Interessen zahlreicher Mitgliedsbetriebe, die im Bereich der regenerativen Energien tätig sind. Diese Unternehmen wollen nicht mit ihren Kammerbeiträgen indirekt ihre eigene Geschäftsgrundlage gefährden.
Ferner werden die mangelnde Vertretung der Kleinunternehmen und die fehlende Transparenz beklagt. Die Kammer ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts. Sie sollte daher gut abwägen, ob sie nicht teilweise auch als Arbeitgeberverband agiert.
Angesichts dieser Kritik verwundert es nicht, dass sich nur wenige Unternehmen, die nun einmal Kleinunternehmen sind, an den IHK-Wahlen beteiligen. Laut Bundeswirtschaftsministerium liegt die Wahlbeteiligung zwischen 5 und 16 Prozent.
Meine Damen und Herren, eine vom DIHK selbst in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, dass mit abnehmender Betriebsgröße die Zufriedenheit mit der Kammer sinkt.

(Unruhe)

- Es ist unheimlich störend, dass hier vorne getuschelt wird. Sprechen Sie doch laut, und stellen Sie zum Beispiel eine Frage. Herr Laurenz Meyer, auch Sie müsste das Thema IHK eigentlich interessieren.
In Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten ist nicht einmal die Hälfte mit der IHK zufrieden. Deshalb kann ich gut verstehen, dass Blumenhändler oder Betreiber von Reisebüros die Zwangsmitgliedschaft lieber heute als morgen aufheben wollen.
Die Linke hat sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings dagegen ausgesprochen. Sie fordert stattdessen, die IHK umfassend zu reformieren. Geschieht dies, würde sich der Charakter der IHK grundlegend verändern, und ihr Nutzen für die Mitglieder würde steigen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Ich kann jetzt nicht alle Punkte unseres Antrags aufzählen, da meine Redezeit dafür nicht ausreicht. Daher werde ich mich auf einige positive Aspekte beschränken. Ich denke, die Berufsausbildung, die Fortbildung und der Außenhandelsbereich sind notwendige Aufgaben, die im Interesse aller sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Die Beratung dieses Antrags wird zeigen, ob die Mehrheit in diesem Hause dafür ist, die IHKs dahin gehend zu reformieren, dass auch die Interessen der Kleinstunternehmen zur Geltung kommen und die Mitbestimmung auch dort verankert wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Na ja! So weit war es mit der Aufmerksamkeit ja nicht gerade her!)

Diese Rede hielt Sabine Zimmermann am 18.12.2008 im Rahmen der Debatte zu dem Antrag "Befreiung von IHK-Beiträgen für Kleinst- und Kleinbetriebe bis zu 30.000 Euro Gewerbeertrag und grundlegende Reform der Industrie- und Handelskammern" (Drucksache 16/6357).