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Große Koalition im rentenpolitischen Blindflug

Rede von Matthias W. Birkwald,

Zu Protokoll gegebene

Rede von Matthias W. Birkwald anläßlich des von der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für mehr Kontinuität der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzgesetz 2014) Drucksache 18/3042

am 18. Dezember 2014

Sehr geehrte Frau Präsidentin/Herr Präsident, meine Damen und Herren,

DIE LINKE im Bundestag ist gegen die beschlossene Beitragssatzsenkung im kommenden Jahr und DIE LINKE im Bundestag steht für eine seriöse, stabile und verlässliche Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahren.

Davon ist die aktuelle Rentenpolitik von Union und SPD meilenweit entfernt.

Die Große Koalition befindet sich im rentenpolitischen Blindflug.

Warum Blindflug?

Die Große Koalition verpulvert die gut gefüllte Rentenkasse und spielt mit den Versicherten, den Medien und den gewählten Abgeordneten Katz und Maus.

Am 3. Dezember hatte ich im Ausschuss für Arbeit und Soziales eine ganz einfache Frage gestellt: Was kostet jetzt die Rente ab 63 in den nächsten Jahren?

Die Antwort: Bis 2019 kommen im Unterschied zu den ursprünglichen Kalkulationen im Rentenpaket sage und schreibe zusätzliche Kosten von 4,5 Milliarden auf uns zu.

Denn Sie, Frau Ministerin Nahles, hatten es im Ministerium bisher schlicht versäumt, für die Rente ab 63/65 die Beitragsausfälle, die Kosten der Vorzieheffekte und die Kosten der zusätzlich von der CSU begünstigten Handwerker mal auf Heller und Pfennig aufzuschreiben und das der Öffentlichkeit auch zu sagen.

Ihre Motive sind mir egal und mir ging es dabei auch nicht darum, die Angst vor der Frühverrentungswelle, die von Union und Wirtschaftsvertretern so gern herbei geredet wird, zu befeuern.

Im Gegenteil: Wir brauchen Möglichkeiten zum früheren Ausstieg gerade für die Fleißigen und Kranken.

Aber ich will, dass das gerecht und transparent finanziert wird.

Kollegin Schmidt von der SPD hatte in der ersten Lesung unseres Gesetzes gesagt:

„Für anderes werden wir Geld in die Hand nehmen müssen: Dazu gehören die Angleichung des aktuelles Rentenwerts Ost auf das westdeutsche Niveau, die Bekämpfung der Altersarmut und die Stabilisierung des Sicherungsniveau für ein anständiges Rentenniveau oder auch eine noch bessere Absicherung der Erwerbsminderung.“ Ja, Kollegin Schmidt.

Alles wichtig und richtig. Sie werden dafür nur kein Geld mehr haben.

Gegenwärtig sind 35,1 Milliarden in der Rentenkasse sprich Nachhaltigkeitsrücklage.

Aber das wird sich rasch ändern:

Denn bis 2019 klauen Sie Beiträge in Höhe von 36,5 Milliarden für die ‚Mütterrente‘, die eigentlich aus Steuern finanziert werden müsste.

Und genau in dieser Situation, in der Sie im Blindflug Beitragseinnahmen verschleudern, wollen SPD und Union die Beiträge noch weiter senken.

Von 18,9 auf 18,7 Prozent.

Das sind bis 2019 nochmal über 12 Milliarden Euro, die fehlen.

Die Vertreterversammlung der DRV Bayern Süd hat das besser verstanden. Am 26.11.2014 hat sie eine Resolution mit folgendem Inhalt verabschiedet:

Die Mindestrücklage, also das untere Auffangnetz, soll von 0,2 auf mindestens 0,5 Monatsausgaben angehoben werden.

Warum fordert die DRV Bayern Süd und übrigens auch die Rentenversicherung Oldenburg-Bremen das?

Ich zitiere: „Aufgrund der Finanzschätzung ist abzusehen, dass ab 2019 die Liquiditätssicherung der Rentenversicherung gefährdet ist. Gemäß der Vorausberechnungen für 2019 würde eine Nachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben 4,4 Milliarden Euro entsprechen.“

Ich übersetze das mal in Klartext: Durch die Fehlfinanzierung der sogenannten ‚Mütterrente‘ fahren Sie die Rentenkasse innerhalb weniger Jahre auf fast Null. Dieses Jahr 33,5 Milliarden, in zwei Jahren 24 Milliarden, 2018: 8,7 Milliarden und 2019 5,2 Milliarden.

Das nenne ich Blindflug mit anschließendem Totalcrash.

Sie schröpfen die Rentenkasse in fünf Jahren um knapp 30 Milliarden Euro.

Warum ist das verheerend?

Weil Sie damit blind sind für das Absinken des Rentenniveaus.

Ihre vollmundigen Versprechungen, den Verfall der gesetzlichen Rente durch die private Altersvorsorge ausgleichen zu können, haben sich nicht erfüllt.

Sie mussten das in Ihrem Rentenversicherungsbericht wieder zugeben und die Süddeutsche Zeitung schrieb am 15.11: „Riestern funktioniert nicht!“

Der Focus legte am 8. Dezember nach: „Lasst Riester sterben!“

Die Swiss Life, der größte Lebensversicherungskonzern der Schweiz, folgte diesem Rat umgehend und stellt zum 31. Dezember 2014 sein hauseigenes Riester-Produkt, die “Champion Riester”, ein!

Völlig zu Recht. Die Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge in Deutschland stagniert bei 16 Millionen.

Davon sind drei Millionen ruhend gestellt.

Nur sechs Millionen werden voll gefördert.

Ja sage ich: Lasst die staatliche Riesterförderung sterben!

Wir könnten jährlich drei bis vier Milliarden Euro Förderung in die Stabilisierung des Rentenniveaus stecken.

Und lassen Sie uns dafür gemeinsam für die nächsten Jahre einen vernünftigen Beitragspfad festlegen statt den Menschen weiter windige Policen aufzuschwatzen.

Deshalb: Erhöhen wir die Mindestreserve auf 0,5 Monatsausgaben. 0,2 Monatsausgaben reichen z. B. bei konjunkturellen Einbrüchen nicht.

Stabilisieren wir den Beitragssatz vorläufig auf 18,9 Prozent und schaffen wir den unsinnigen Zwang zur Beitragssatzsenkung ab statt Jahr für Jahr das Rentenniveau zu senken.

Investieren wir in die gesetzliche Rente. Damit sie wieder sicher ist, damit sie wieder vor Altersarmut schützt!