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Gregor Gysi Wir brauchen bald eine neue Regierung, die den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet

Rede von Gregor Gysi,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 122 Staaten der UNO haben den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen, der nun auch in Kraft getreten ist. Dieser Vertrag kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen sein. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki mit Hunderttausenden Opfern und Folgen, die bis in unsere Zeit reichen, mahnen uns, jeden, aber wirklich jeden Schritt zu unterstützen, um diese Geißel der Menschheit loszuwerden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade weil der von Deutschland ausgehende Zweite Weltkrieg den entscheidenden Anstoß für die Forcierung der Atomwaffenforschung gab, muss Deutschland alle Maßnahmen zum Abbau des Atomwaffenarsenals unterstützen. Das gehört in Anbetracht unserer Geschichte zu unserer Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch die Bundesregierung steht abseits und will dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beitreten. Über 50 ehemalige europäische Außen- und Verteidigungsminister, darunter auch Joschka Fischer und Rudolf Scharping, sowie zwei frühere Generalsekretäre der NATO haben die Bundesregierung und andere Regierungen aufgefordert, den Vertrag zu unterzeichnen, und alle Bedenken der Regierung widerlegt. Das Hauptargument der Regierung – und im Prinzip ihr einziges – ist ein angeblicher Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag, der bekanntlich die Nichtverbreitung von Kernwaffen regelt. Die beste atomare Nichtweiterverbreitung ist aber die atomare Abrüstung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau darauf zielt der Atomwaffenverbotsvertrag und schließt damit explizit eine Lücke, die der Nichtweiterverbreitungsvertrag hinterlässt.

Dieser Nichtweiterverbreitungsvertrag wird laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages entgegen der Behauptung der Regierung überhaupt nicht angegriffen, sondern nur sinnvoll ergänzt. In 50 Jahren ist eine Methode zur allgemeinen Kontrolle der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen entwickelt worden. Es gibt noch ein Zusatzprotokoll, nach dem man sich noch schärferen Kontrollen unterwirft. Die abenteuerliche Behauptung der Bundesregierung, dass Staaten, die sich der zusätzlichen Kontrolle unterworfen haben bzw. künftig unterwerfen und dann den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, dieser zusätzlichen Kontrolle nicht mehr unterlägen, ist vom Wissenschaftlichen Dienst ebenfalls absolut klar widerlegt worden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Widerlegt wurde auch die These, wonach sich die NATO faktisch auflösen müsste, wenn dieser Vertrag durch NATO-Staaten unterzeichnet werden würde. Ich hätte zwar nichts gegen deren Auflösung, aber das hat mit dem Vertrag nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur nuklearen Teilhabe. Was die atomaren Planungen in der NATO betrifft, ist und bleibt Deutschland als Mitglied daran beteiligt. Allerdings bedeutet die Teilhabe auch, dass Bundeswehrkampfjets die in Deutschland lagernden US-Atombomben im Kriegsfall auf Weisung der USA zu den vorgesehenen Zielen tragen und dort abwerfen müssten – mit deutschen Piloten.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Na, na, na!)

Der Atomwaffenverbotsvertrag setzt zum Abzug solcher Atomwaffen sehr lange Fristen, und der Bundestag hat auf Initiative des früheren Bundesaußenministers Guido Westerwelle von der FDP ja schon einstimmig beschlossen, dass die US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung verletzt diesen Beschluss. Wenn je von Deutschland aus eine Atombombe eingesetzt wird, dann bekommt die Antwort Deutschland und nicht die USA, schon allein, um einen weiteren Einsatz von Atomwaffen aus Deutschland durch Zerstörung zu verhindern.

Von 30 Mitgliedstaaten der NATO – aufpassen, Herr Lambsdorff – haben nur 5 eine solche nukleare Teilhabe; 25 können darauf verzichten.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Nicht darauf verzichten!)

Das niederländische Parlament hat beschlossen, seine eigene nukleare Teilhabe 2023 beenden zu wollen. Halten Sie das niederländische Parlament wirklich für dumm?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nein, es wusste, dass es die Sicherheit der Niederlande dadurch gerade erhöht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Unterschied zu den 122 Staaten wollen Sie unbedingt an der nuklearen Abschreckung festhalten. Das ist falsch, gefährlich und zerstört die Hoffnung dieser 122 Staaten.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Genau das Gegenteil ist der Fall! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Macht Russland denn mit, Herr Gysi?)

Nachdem alle Argumente der Regierung widerlegt sind, muss ich feststellen, dass die Christlich-Soziale Union in Bayern, die Christlich Demokratische Union Deutschlands und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands – Letztes ist eine besondere Schande – kein Verbot von Atomwaffen wollen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Märchenstunde!)

Wir brauchen bald eine neue Regierung, die den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.

(Beifall bei der LINKEN)