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GKV-Finanzierungsgesetz: unüberlegt, unehrlich und ungerecht!

Rede von Kathrin Senger-Schäfer,

Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Minister Rösler!

Herr Professor Lauterbach hat gerade den schönen Begriff „Gesundheit 21“ geprägt.

Lassen Sie mich bitte aus aktuellem Anlass kurz auf Stuttgart 21 eingehen. Mich erreicht gerade die Nachricht, dass die Polizei in einem äußerst aggressiven Einsatz in eine Kinderdemonstration eingegriffen hat, in deren Verlauf viele, viele Kinder verletzt wurden. Für mich ist das ein Zeichen, wie Sie mit Bürgerinnen und Bürgern und Kindern in diesem Land umgehen.

(Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Pfui!

Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das ist unverschämt! Ich glaube, es geht los! Sie haben wohl etwas an der Schüssel!)

Ich fordere Sie auf: Greifen Sie sofort ein und stoppen Sie diese Veranstaltung!

(Beifall bei der LINKEN Jens Spahn (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit, Frau Präsidentin! Dazu muss man etwas sagen!)

 

Herr Minister Rösler,

Ihr Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist mit drei Worten kurz zu beschreiben:

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Soll ich Ihnen einmal sagen, wie die Kommunisten die Christen verfolgen? Sollen wir einmal darüber reden?)

Es ist weder sozial noch ausgewogen noch nachhaltig. Es ist vielmehr unüberlegt, unehrlich und ungerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN Jens Spahn (CDU/CSU): Gerade so wie Sie! Unglaublich!)

Hartz IV, Rente mit 67, das Sparpaket

(Jens Spahn (CDU/CSU): Reden wir hier eigentlich über Gesundheitspolitik?)

geplündert werden immer nur die schmalen Geldbeutel. Die Bundesregierung gefährdet damit massiv den sozialen Frieden in diesem Land.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie schüren das! Jens Spahn (CDU/CSU): Und noch ein breites Grinsen dabei!

Gegenruf der Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Spahn, jetzt ist es aber gut!)

Das ist eine Schande.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Regierungskoalition beteuert zwar, die Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer lösen zu wollen, doch scheint es hier einen anderen Masterplan zu geben: Die Kleinen zahlen, die Großen lässt man laufen, und zwar zur privaten Krankenversicherung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN Jens Spahn (CDU/CSU): Schön! Eine Seite, ein Gag!)

Sie wollen, dass es den Besserverdienenden bereits nach einem Jahr möglich ist, die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung zu verlassen. Verwundern tut das nicht, sitzt doch der Cheflobbyist der privaten Krankenversicherung, seit Herr Rösler das Gesundheitsministerium übernommen hat, dort an entscheidender Stelle.

Was für ein Schachzug!

Auch die Wirtschaftsverbände sollten zufrieden sein. Ihre Lobbyisten haben ganze Arbeit geleistet, bereitet die kleine Kopfpauschale doch den Weg für eine komplette Abwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ein über 120 Jahre altes Erfolgsmodell mit den gewachsenen Grundfesten von Solidarität und Parität wird von dieser Bundesregierung in wenigen Monaten demontiert.

Bravo, gut gemacht!

Die Lohnquote in Deutschland sinkt seit Jahren. Gleichzeitig steigt die Zahl der Einkommens- und Vermögensmillionäre. Durch das Einfrieren des Arbeitgeberanteils wird dieser Trend verstärkt; dadurch werden die abhängig Beschäftigten überproportional belastet.

(Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): So ist es!)

Außerdem werden die Arbeitgeber aus der Beteiligung und dem Interesse an der künftigen Kostenentwicklung entlassen. Also auch hier von Nachhaltigkeit keine Spur.
Soziale Ausgewogenheit ist nicht erkennbar; denn die Kopfpauschale wird in Euro und Cent gerechnet, mit dem Argument, der Millionär wäre genauso krank wie die Briefzustellerin.

Ihre Argumente haben mit dem realen Leben nichts zu tun; denn auch noch heute gilt: Wer arm ist, wird häufiger krank und stirbt in der Folge früher. Erschreckend dabei ist, dass diese soziale Ungleichheit zunimmt. Die Schere der Lebenserwartung geht von Tag zu Tag weiter auseinander.

Es ist eine Tatsache, dass das untere Fünftel der Bevölkerung in jedem Alter ein doppelt so hohes Risiko trägt, schwer zu erkranken oder zu sterben, als das obere Fünftel.

Das ist unsolidarisch, und das ist unchristlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wo sind die Zweifler der CSU, Herr Singhammer? Wo ist das Gewissen einer angeblichen Volkspartei, die noch vor kurzem erklärt hat, mit ihr werde es keine Kopfpauschalen geben?

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Gibt es auch nicht! Sie machen beim Zuhören Fehler! - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Hätten Sie aufgepasst! Das habe ich schon erklärt!)

Die Linke lehnt Ihre Pläne zu einer Kopfpauschale grundsätzlich ab und steht damit im Schulterschluss mit den Sozialverbänden und den Gewerkschaften und vor allem mit der Mehrheit der Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN - Lars Lindemann (FDP): Das Gesundheitssystem ist auch für Sie da!)

Grundsätzlich brauchen wir für ein echtes solidarisches Gesundheitssystem eine stabile und gerechte Finanzierungslage. Dafür steht die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung der Linken.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Schwarz-Gelb will ein rund 120-jähriges Gesundheitssystem, das im Grundsatz gut funktioniert und um das uns viele in der Welt beneiden, angeblich alternativlos gegen die Wand fahren. Sie werden damit als diejenigen in die Geschichtsbücher eingehen, welche die Mehrklassenmedizin eingeführt haben.

Die kleine Kopfpauschale wird ihre volle Wirkung aber erst 2011/2012 entfalten. Die Wählerinnen und Wähler werden Ihnen diese Ungerechtigkeit bei den nächsten Landtags- und Bundestagswahlen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)