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Gewebegesetz

Rede von Frank Spieth,

Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

Rede Gewebegesetz, Drs. 16/3146

zu Protokoll

MdB Frank Spieth, DIE LINKE.:

Derzeit bewegt uns die Debatte zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Noch nie waren sich sämtliche gesundheitspolitischen Akteure so einig in der Ablehnung des Gesetzesvorhabens, wie derzeit. Immer mehr zeigt sich in den Expertenanhörungen zum sogenannten Wettbewerbsstärkungsgesetz, dass niemand das Vorhaben in dieser Form will; dennoch peitscht die Regierung den Gesetzentwurf durch das Parlament.

Ganz ähnlich verhält es sich auch bei dem hier vorliegenden Gesetzentwurf, dem Gewebegesetz. Es geht darin um Regelungen zur Entnahme von Organen und darum, was damit passieren soll. Auch in diesem Gesetzgebungsverfahren, hagelt es Kritik: Bundesrat, Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Transplantationsverbände, die Spitzenverbände der Krankenkassen und Andere sind sich in ihrer ablehnenden Haltung einig. Wieder zeigt sich eine unglaubliche Beratungsresistenz der Regierung. Sie ist geprägt von einer pauschalen arzneimittelrechtlichen Ausrichtung und lässt notwendige juristische Differenzierungen bei den doch medizinisch gänzlich unterschiedlichen Geweben vermissen! Eine Organtransplantation ist die Übertragung eines ganzen Organs. Eine Gewebetransplantation ist im Gegensatz dazu die Verpflanzung nur eines Teils eines Organs, wie etwa Herzklappen, Knochenmark oder Augenhornhaut.

Aus ethischer Sicht ergeben sich neue Verwerfungen, wenn die entnommenen Organe zukünftig unter das Arzneimittelgesetz fallen und damit Teil des kommerzialisierbaren Arzneimittelhandels werden sollen: Eigentlich sollte der Grundsatz „Organspende hat Vorrang vor Gewebespende“ gelten. Mit Organspenden kann man, zumindest auf legalem Wege, keinen Gewinn erzielen. Organspenden sind rein aufwandsorientiert finanziert. Wenn die Bundesregierung jetzt durch das Gewebegesetz Teile von eigentlich vermittlungspflichtigen Spenderorganen als Gewebeprodukte wirtschaftlich interessanter als die eigentlich sinnvolle Organspende macht, schafft man eine Situation, die falsche Anreize gibt.

Aus Sicht der Bevölkerung wird sich bei einer zunehmenden Kommerzialisierung verständlicherweise die Frage auftun, warum eine Organspende aus altruistischen, also aus nicht-monetären Motiven erfolgen soll und im Gegensatz dazu mit Gewebe ganz legal Geld verdient werden kann, wie mit Arzneimitteln auch. Es ist zu befürchten, dass dies ein negatives Image auf Organspenden wirft und so die ohnehin zu geringe Zahl der Organspender weiter sinkt.

Die Bundesregierung will zu einem großen Teil das Transplantationsgesetz durch das Arzneimittelrecht ersetzen. Die Spende und Entnahme werden dem Arzneimittelrecht unterworfen. Damit macht das Gesetz die Kliniken und Gewebebanken zu pharmazeutischen Unternehmern und geht weit über die Forderungen der EU-Richtlinie hinaus. Für die Versicherten hat das weitreichende Folgen: Denn Kliniken, die bisher in der Lage waren, Gewebe aufzuarbeiten und den eigenen Patienten zu verabreichen, müssen nun erst als „pharmazeutischer Betrieb“ zugelassen werden. Dadurch werden so hohe Hürden aufgebaut, dass beispielsweise Brandopfer auf notwendige Hauttransplantate Wochen warten müssen. Gleichzeitig wird ein kommerzielles Interesse geweckt, denn nach dem Arzneimittelgesetz gilt kein Handelsverbot.

Auf mögliche Interessenskonflikte, die etwa bei gleichzeitigem Betrieb eines Krankenhauses und einer Gewebeeinrichtung oder eines Transplantationszentrums auftreten könnten, wurde die Bundesregierung hingewiesen, unter anderem durch den Bundesrat. Es könnte nach dieser unsinnigen Regelung wirtschaftlich sinnvoller sein, wenn ein Organ „in Einzelteilen“ verwertet würde, als wenn eine Transplantation stattfände. Die Abläufe bei Gewebespende, -gewinnung, -vermittlung und -verteilung, sollten daher voneinander getrennt sein.

Insofern ist die arzneimittelrechtliche Zuordnung im Regierungsentwurf ein absoluter Irrweg! Die Logik, was in fachlicher Hinsicht an einer Kochsalzlösung und an entnommenem Lebergewebe so ähnlich ist, dass man beides zukünftig den gleichen rechtlichen Regelungen unterwerfen sollte, bleibt im Dunklen. In der EU jedenfalls stünde die Bundesrepublik recht alleine da mit dieser arzneimittelrechtlichen Regelung.

Sollte es tatsächlich der Bundesregierung darum gehen, neue kommerzielle Märkte aufzubauen, egal mit welchem Produkt? Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Ärztekammer, befürchtet genau dies: „Wenn das Gewebegesetz in seiner jetzigen Form in Kraft tritt, dann ist dem gewerblichen Markt für Gewebetransplantate Tür und Tor geöffnet“. Man kann das ja, vorausgesetzt, man wirft alle ethischen Bedenken über Bord, so wollen. Aber dann bitte ich Sie: Seien Sie so ehrlich und sagen Sie, was sie wirklich wollen, oder erklären Sie zumindest, welche Folgen ihre eigenen Gesetze haben werden!

Meine Fraktion wird aber aus den dargelegten Gründen dagegen sein!