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Gesundheitsreform - wie sieht die aktuelle Situation aus?

Rede von Martina Bunge,

Frau Präsidentin!

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die große Koalition ist angetreten, die Herausforderungen der Zukunft anzupacken und zu bewältigen.

(Beifall des Abg. Olaf Scholz [SPD])

Die Gesundheitsreform wurde als eine solche Herausforderung, wenn nicht als die wesentliche bezeichnet. Doch wie sieht die aktuelle Situation aus?

(Dirk Niebel [FDP]: Verheerend!)

Der Zustand wurde in der letzten Woche durch eine renommierte Zeitung meines Erachtens sehr zutreffend charakterisiert: Rasender Stillstand im Berlin der großen Koalition. - Nicht nur die Gesundheitsreform ist im Moment in der Krise, sondern die gesamten Kompetenzzuweisungen im föderalen System werden hinterfragt und infrage gestellt.

In den Medien jagen sich die Ideen mittlerweile nicht nur täglich, sondern stündlich. Nachdem sich mehrere Ministerpräsidenten eingemischt hatten, wird von Spitzenpolitikern jetzt diskutiert, wer wann etwas sagen darf.

Ich möchte hier einmal betonen: Wir, die Parlamentarier - der Gesetzgeber -, sind immer noch außen vor.

Herr Zöller, deshalb mussten wir eine Aktuelle Stunde beantragen.

(Elke Ferner [SPD]: Sie redet für euch alle!

(Das ist ja ganz was Neues! - Zurufe von der CDU/CSU - Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Mein Gott, müsst ihr nervös sein!)

Die Fraktion Die Linke hat ihren Antrag nur um der Zeitökonomie willen zurückgezogen.

(Elke Ferner [SPD]: Die Linkspartei lässt der FDP den Vortritt, das ist ja mal etwas ganz Neues!)

Wir wollen in dieser Stunde, die eigentlich die Stunde des Parlaments ist, neues Offizielles von der Bundesregierung erfahren. Die Vorschläge zur Gesundheitsreform ernten breite Proteste.

Warum? - Ich denke, sie ernten deshalb breite Proteste, weil die Akteure im und um das Gesundheitssystem, die Patienten und die Versicherten außen vor bleiben.

Nehmen wir den Ärzteprotest in der letzten Woche. Sie haben versprochen, mit der Umstellung der Vergütung von Punktwerten auf Eurobeträge werde es zu einer Angleichung zwischen Ost und West kommen. Wenn die Ärztinnen und Ärzte in den neuen Bundesländern in die noch nicht existierenden Gesetzentwürfe schauen und dort lesen, dass die Eurobeträge nach der regionalen Wirtschaftskraft festgelegt werden, dann fangen sie an zu rechnen.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ergibt sich beispielsweise für Mecklenburg-Vorpommern nur ein Wert von 67 Prozent des Bundesdurchschnitts. Wenn Sie vielleicht nachher sagen, Frau Ministerin, das sei falsch interpretiert - ich muss leider vor Ihnen sprechen -, dann kann ich nur sagen: Das Schlimme ist, dass wir nicht miteinander reden. Deshalb kommt es zu solchen Verunsicherungen.

Eines ist doch klar: Wenn der Knackpunkt, der nach Medienmeldungen noch nicht geklärt ist und erst nächste Woche angegangen werden soll, nämlich der Finanzausgleich zwischen den finanzstarken Südländern und den finanzschwächeren Nord- und Ostländern,

(Elke Ferner [SPD]: Das ist entschieden, Frau Kollegin!)

und wenn der Risikostrukturausgleich in der morbiditätsorientierten Form nicht bald kommt, dann wird das Vermutete Wirklichkeit werden müssen, weil ansonsten einfach das Geld nicht ausreicht.

Die Bevölkerung lehnt Ihre Vorschläge mit übergroßer Mehrheit ab. Warum? Das liegt nicht an Reformunwilligkeit. Sie haben versprochen - das wurde eben wieder gesagt -, dass es keine weiteren Einschränkungen oder Belastungen mehr geben wird. Die Beitragserhöhung für nächstes Jahr ist jedoch schon so gut wie beschlossen.

(Elke Ferner [SPD]: Gucken Sie doch mal in das Gesetz hinein!)

Der Zusatzbeitrag ist der zweite Knackpunkt. Die Frage ist: Einigen Sie sich auf eine Deckelung von 1 Prozent des Haushaltseinkommens

(Elke Ferner [SPD]: Ja, dabei bleibt es!)

- was ja schon eine Belastung bedeuten würde - und, wenn ja, wird es dabei auch zukünftig bleiben? Sollen die Versicherten tatsächlich glauben, diese 1-Prozent- Regelung bleibt ewig bestehen, wo doch dieser Zusatzbeitrag das einzige Ventil im Gesundheitsfonds ist? Diesen Vertrauensvorschuss haben Sie nicht mehr. Die Bevölkerung steht hinter einer solidarischen, paritätisch finanzierten Krankenversicherung. Daher findet die Idee der Bürgerversicherung breiten Anklang.

Auch wir, Die Linke, verfolgen diesen Ansatz. Die Bürgerversicherung reflektiert die Veränderungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt: Beiträge für alle und auf alle Einkommen. Das ist für eine bedarfsgerechte Versorgung ohne Zuzahlung auch in der Zukunft ausreichend. Dahinter steht die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler,

denen wir verpflichtet sind.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Kostees, was es wolle!)

Daher fordern wir als Fraktion Die Linke: Packen Sie Ihre missglückte Reform ein! Sichern Sie für 2007 den Status quo im Gesundheitssystem und beginnen Sie einen gesellschaftlichen Diskurs!

(Elke Ferner [SPD]: Dann sagen Sie mir, wie Sie das ohne Beitragsanhebung nach geltendem Recht machen wollen!)

Schauen Sie sich die Niederlande an. Dort ist ein gesellschaftlicher Konsens gesucht und gefunden worden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Dort ist privatisiert worden!)

Zum Schluss noch ein Zitat.

Albert Einstein hat 1929 gesagt: Die Probleme, die es in der Welt gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, die sie erzeugt haben.

Daran sollten wir denken.

(Beifall bei der LINKEN)