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Gesundheitspolitik der Bundesregierung ist unsozial

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE., fordert eine Trendwende in der Gesundheitspolitik.

Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tolle Bescherung! Wenn man sich das so anhört, hat man den Eindruck, es wäre schon Weihnachten, insbesondere angesichts der Debattenbeiträge, die von der Koalition kommen.

Ich muss zu der "großartigen Erfolgsgeschichte", zu der sich Frau Merkel gestern verstiegen hat, ehrlich sagen, dass ich etwas anderes erlebe. In meinem Wahlkreis in Thüringen sagen 90 Prozent der Befragten, dass der Aufschwung bei ihnen nicht angekommen ist. Mir erzählen Selbstständige, Handwerker, Einzelhändler, Facharbeiter, Rentnerinnen und Rentner sowie Arbeitslose, dass sie sogar weniger im Portemonnaie haben. Mich wundert das nicht. Mich wundert auch nicht, dass Sie, Frau Ministerin, sich in den Reigen der Erfolgserzähler einreihen und sich selbst auf die Schulter klopfen.

307 Millionen Euro Überschuss bei den gesetzlichen Krankenkassen im ersten Halbjahr 2007 ist eigentlich wirklich klasse, möchte man meinen. Ja, die Zunahme der Beschäftigung hat zusätzliche Gelder in die Töpfe der Krankenkassen gespült. Aber die gute Einnahmeentwicklung ist im Wesentlichen auf eine drastische Beitragssatzsteigerung Anfang des Jahres 2007 zurückzuführen. Das ist doch die Tatsache.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit ist die Katze aus dem Sack. Mehr Beitragseinnahmen für die Krankenkassen heißt für den Einzelnen weniger Geld in der eigenen Tasche. Dies ist nur eine der vielen neuen Belastungen, die die Regierung gerade den Geringverdienern zumutet. Da wundert es auch nicht, wenn die Zahl der armen Kinder laut Kinderschutzbund innerhalb eines Jahres um über 100 000 zugenommen hat. Das ist nach meiner Auffassung ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge aus Köln weist darauf hin, dass man Armut aber nicht nur an einem Mangel an Geld festmachen kann, sondern dass zu ihren Begleiterscheinungen auch Nachteile und Diskriminierungen in unterschiedlichen Lebensbereichen gehören, unter anderem auch bei der Gesundheitsversorgung. Besonders seien dabei Kinder benachteiligt. Der Armutsforscher weist darauf hin, dass es eine deutliche Spaltung in Deutschland gibt, die sich in dreifacher Hinsicht ausdrückt: in einer Spaltung zwischen Arm und Reich, in einer Spaltung zwischen Ost und West sowie in der Schere zwischen Stadt und Land.

Es ist deshalb kein Wunder, dass die aktuelle Studie Die Ängste der Deutschen 2007 belegt, dass die sozialen Sorgen zunehmen und viele Menschen Angst haben, schwer zu erkranken oder später pflegebedürftig zu werden. Fast jeder Zweite gibt uns, den Volksvertretern, deshalb die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Kein Wunder: Die Eintrittsgebühr beim Arzt, die Zuzahlungen beim Kauf von Medikamenten, Hilfsmitteln und Heilmitteln, die Abschaffung des Sterbegeldes und der Erstattung von Kosten für Brillen und nicht verschreibungspflichtige Medikamente usw. haben dazu geführt, dass sich zu viele in dieser Gesellschaft ihre medizinische Versorgung eingeschränkt oder gar nicht mehr leisten können.
Kurz: Die Note „mangelhaft“ ist die Quittung der Versicherten für Belastungen und höhere Beiträge bei gleichzeitiger Kürzung der Beiträge der Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Linke fordert eine Trendwende in der Gesundheitspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion wird mit ihrem Antrag Wiedereinführung der vollständigen Zuzahlungsbefreiungen für Versicherte mit geringem Einkommen im Wege der Härtefallregelung vorschlagen, dass durch eine entsprechende Beschlussfassung in diesem Haus über 10 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Einkommen bis zu 980 Euro von Zuzahlungen befreit werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir reagieren damit auf den Skandal, dass Geringverdiener Gesundheitsleistungen wegen der Zuzahlungen nicht mehr oder nur unvollständig in Anspruch nehmen können. Wir stellen damit im Grunde nur den Zustand wieder her, der bis zum 31. Dezember 2003 gesetzlich geregelt war.
Wir schlagen Ihnen außerdem vor, dass die in diesem Jahr vorgenommene Kürzung des Bundeszuschusses an die Krankenkassen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zurückgenommen wird und dass 2008 erneut 4,2 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Dann würde der Mutterschutz wieder gesamtgesellschaftlich finanziert, Frau Ministerin. Es ist also anders, als es hier dargestellt wurde.

Die Linke fordert mit ihrem Zukunftsinvestitionsprogramm außerdem eine jährliche Finanzhilfe von 2,5 Milliarden Euro zur Überwindung unterlassener Modernisierungen der Krankenhäuser. Die Kosten für diese Modernisierungen belaufen sich durch die Einsparungen der öffentlichen Hand mittlerweile auf etwa 50 Milliarden Euro.

Wir fordern die schnelle Einführung eines Präventionsgesetzes und in diesem Zuge die Einrichtung eines Fonds, der in den nächsten vier Jahren jeweils mit 1 Milliarde Euro gespeist werden sollte. Über diesen Fonds sollten mit besonderem Augenmerk auf die schlechtere Gesundheitssituation finanziell und sozial benachteiligter Gruppen Vorbeugung und Vorsorge finanziert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert, dass die Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung von der Bundesagentur für Arbeit dazu verwendet werden, endlich wieder die kostendeckenden Beiträge Arbeitsloser an die Krankenkassen zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie wie wir gegen Armut und für soziale Gerechtigkeit sind, wenn Sie wie wir gegen eine Zweiklassenmedizin eintreten, dann sollten Sie unseren Vorschlägen in den weiteren Haushaltsberatungen zustimmen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)