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Gesundheitsfonds ja - aber nicht so

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE. zum geplanten Gesundheitsfonds.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Frank Spieth, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Frank Spieth (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass die FDP diesen Antrag zu einer Aktuellen Stunde gestellt hat; denn sie bietet die Gelegenheit, miteinander über die Frage zu diskutieren, ob der Gesundheitsfonds, der hier zur Debatte steht, das eigentliche Problem der vergangenen „Gesundheitsreform“ ist.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das Hauptproblem!)

Ich meine, nein.

Der Gesundheitsfonds ist nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass die Koalition im vergangenen Jahr versäumt hat, eine grundlegende Neufinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, dass wir Privilegien abschaffen, dass wir alle in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen und dass wir von allen Einkommensarten einen Beitrag abverlangen. Das hätte zur Folge, dass man mit einer solchen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung das wäre das nämlich einen Beitrag von im Durchschnitt 10 Prozent realisieren könnte. Das ist die Wirklichkeit. Dass es dazu nicht gekommen ist, ist ein Problem der letzten „Gesundheitsreform“.

Unter anderem die FDP schlägt jetzt aus nachvollziehbaren Gründen auf den Sack Gesundheitsfonds. Eigentlich meint sie etwas ganz anderes: Der FDP geht es im Kern um die Stärkung von Privilegien das ist meine feste Überzeugung und nicht darum, etwas mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei einem Punkt allerdings hat Herr Bahr recht. Es ist nach meiner Auffassung nicht zulässig, so zu tun, als würden die Beiträge zu einem Gesundheitsfonds deutlich unter den jetzigen Durchschnittsbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung sein.

(Elke Ferner (SPD): Wer hat das behauptet?)

Wir haben aktuell in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland einen durchschnittlichen Beitragssatz von roundabout 14 Prozent.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU)

Ja, 13,8 Prozent waren es im vergangenen Jahr, 2007, Herr Dr. Faust; das wissen Sie genau. Am 1. Januar 2008 haben 60 Krankenkassen die Beiträge erhöht, und deshalb sind wir jetzt rechnerisch bei 14 Prozent.
Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Tatsache ist auch, dass den Versicherten ein Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent zugemutet wird. Das heißt, wir sind unterm Strich bei einer Gesamtbelastung von 14,9 Prozent. Der Schätzerkreis, der vom Bundesversicherungsamt eingesetzt ist, die Kostenentwicklungen kalkuliert und daraus beitragsrelevante Schlussfolgerungen zieht, sagt: In diesem Jahr werden die Ausgaben in der GKV und damit die Beitragsleistungen in etwa um 0,3 Prozent steigen. - Dann sind wir schon bei 15,2 Prozent.

(Elke Ferner (SPD): Wenn die Ausgaben steigen und die Einnahmen auch steigen, was ist dann?)

Das ist nicht ganz weit weg von dem, was von dem Institut in München angenommen wurde.
Ich finde, wir sollten ehrlich sein und ehrlich bleiben. Es war doch unmöglich, dass wir in Deutschland je nach Wohnort einen Beitragssatz von 13,5 bis 18 Prozent hatten oder je nach Industriebranche oder Handwerk einen Beitragssatz von 11,3 bis 16 Prozent, inklusive allem. Das heißt, dass es bisher je nach Wohnort oder Betriebszugehörigkeit unterschiedlich hohe Beitragssätze gab.

Die Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung werden aber überall in Deutschland zu den gleichen Bedingungen unabhängig von der Höhe des Beitragssatzes bereitgestellt. Insofern ist es schlüssig, wenn am Ende ein einheitlicher, deutschlandweit gleicher Beitragssatz erhoben wird.

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Da wäre ich skeptisch!)

Das kann doch nicht anders sein als in der Renten- und in der Arbeitslosenversicherung.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Linke ist für die Einheitskasse! Die Koalition wird immer größer!)

Wir haben aber mit diesem Gesundheitsfonds ein ganz anderes Problem in der Tasche. Wenn denn im Jahr 2009 die Krankenkassen ihre Mittel zu 100 Prozent aus dem Gesundheitsfonds erhalten sofern das gelingt, auch mit dem neuen Risikostrukturausgleich , wird es möglicherweise einige Krankenkassen geben, die damit nicht auskommen. Auf die 0,9 Prozent, die schon jetzt alle Versicherten zusätzlich zahlen müssen, wird dann noch etwas draufkommen: Eine Pauschale von bis zu 1 % des Einkommens die aber mindestens 8,00 Euro beträgt. Aber auch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Ein weiterer Teil der Wahrheit in diesem Gesetz wird überhaupt nicht diskutiert, nämlich dass die Bundesregierung die Beitragssätze erst dann anpasst, wenn die Ausgaben der zukünftigen Versicherung nur noch zu 95 Prozent durch die Einnahmen gedeckt sind.

(Elke Ferner (SPD): Das stimmt ja nicht!)

Das steht im Gesetz.

(Elke Ferner (SPD): Dann muss sie! Vorher kann sie!)
Sie wird nicht vorher erhöhen; davon kann man schon heute ausgehen. -

Ich komme zum Schluss.
Es wird dann ein Delta von 5 Prozentpunkten geben, das durch die Krankenkassen nicht mehr abgedeckt werden kann. Die Folgen werden sein anders werden die Krankenkassen ihre Ausgaben nicht finanzieren können , dass es zu massiven Leistungskürzungen kommt, dass die Zuzahlungen erhöht werden oder aber im Umfang jener 5 Prozentpunkte zusätzlich Beiträge erhoben werden. Das eigentliche Problem der Kopfpauschale ist die Begrenzung auf 1 Prozent, die von der SPD durchgesetzt worden ist;

(Daniel Bahr (Münster) (FDP): Das ist das Problem!)

die CDU/CSU wollte das ursprünglich auf 3 Prozent begrenzen. - In der Richtung liegt die Wahrheit.
Es wird spätestens im Jahr 2011 eine deutliche Beitragssatzerhöhung oder erheblich höhere Eigenanteile der Versicherten geben. Das ist nach meiner Auffassung sozial unhaltbar.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN)