Zum Hauptinhalt springen

Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)

Rede von Jörn Wunderlich,

Ziel der Reform soll der Ausbau des lückenhaften FGG zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung, eine rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens, ein anwenderfreundlicher Gesetzesaufbau, eine anwenderfreundliche Gesetzessprache u.a. sein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach acht Jahren steht nun erneut eine Reform des FGG an. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben. Das wird deutlich, wenn man sich die Zielstellung, die mit dem Reformvorhaben verbunden ist, anschaut: Ausbau des lückenhaften FGG zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung, rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens, Koordinierung mit anderen Verfahrensordnungen, anwenderfreundlicher Gesetzesaufbau und anwenderfreundliche Gesetzessprache, Stärkung der konfliktvermeidenden und konfliktlösenden Elemente im familiengerichtlichen Verfahren.

Grundsätzlich stimmt die Linksfraktion diesem Ansinnen zu, weil wir der Meinung sind, dass das Gesetz damit transparenter und bürgernäher wird. Wenn man sich diesen Gesetzentwurf jedoch einmal vornimmt und sich durch die Vorschriften und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit quält, dann macht man eigentlich eine gegenteilige Erfahrung. Den ersten Entwurf habe ich damals noch als Familienrichter auf den Tisch bekommen. Ein bisschen hat sich geändert. Beim Lesen der einschlägigen Vorschriften wird man aber doch arg gequält.

Der grundsätzliche Ansatz, die entsprechenden Vorschriften der ZPO für Familiensachen in ein einheitliches Familienverfahrensgesetz zu überführen und nur die Besonderheiten in die jeweiligen Regelungsbereiche außerhalb der vor die Klammer gezogenen allgemeinen Regelung zu stellen, ist jedoch zu begrüßen. Ebenso begrüßt meine Fraktion die vorgesehene Auflösung des Vormundschaftsgerichts und die Förderung der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Großes Lob - ich glaube, das sehen wir fraktionsübergreifend so - verdient die Entscheidung zur Streichung der vereinfachten Scheidung, die im ersten Referentenentwurf noch enthalten war; ich meine das sogenannte Scheidung-light-Verfahren. Wenigstens in diesem Punkt hat die Regierung eingesehen, dass der Schutz von Justizressourcen nicht zulasten der Rechtsuchenden gehen darf.

Der Gesetzentwurf scheint aber in mancher Hinsicht die Philosophie des in der Praxis doch umstrittenen und wissenschaftlich nicht unabhängig evaluierten Cochemer Modells verwirklichen zu wollen; das ist gerade schon angesprochen worden. Die Frage ist, wie viel Cochemer Modell im Sinne der Sorge- und Umgangsberechtigten verträglich ist. Das wird von meiner Fraktion eben anders als vom Gesetzentwurf beantwortet. Es kann nicht unter allen Umständen erzwungen werden, dass Eltern sich einigen. Insbesondere die Fälle der häuslichen Gewalt sind bei den Umgangsregelungen, wie sie jetzt vorliegen, nicht ausreichend berücksichtigt. Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in § 155 ist ebenso wie das Hinwirken auf Einvernehmen nicht grundsätzlich zu kritisieren. Aber die besondere Situation in den Fällen häuslicher Gewalt muss einen stärkeren Niederschlag finden. Es fällt auf, dass der Gesetzentwurf ausdrücklich die Zusammenführung zerstrittener Eltern und deren Versöhnung herbeizuführen versucht. Situationen, in denen vorangegangene und angedrohte Gewalthandlungen jede Zusammenführung zum Risiko werden lassen und eine Versöhnung weder möglich noch anzuraten ist, wird an keiner Stelle explizit Rechnung getragen.

Rechts- und vor allem familienpolitisch für verfehlt halte ich, dass anstelle freiwilliger Angebote immer wieder unter Berufung auf das vorgebliche Kindeswohl Zwangsmaßnahmen ergriffen werden sollen. Dazu möchte ich ganz konkret einen besonders wichtigen Punkt nennen. Ein Ordnungsmittel zur Vollstreckung - die Frau Ministerin hat es angesprochen - der Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs ist in meinen Augen untragbar: nämlich die Ordnungshaft. Es geht nicht um einfache Verfahren, in denen ein normaler Titel vollstreckt werden soll. Es geht um Menschen und um das Kindeswohl. Das Kindeswohl wird hier ja immer an erster Stelle genannt. Frau Ministerin, Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes sagen, dass es für das Kindeswohl förderlich ist, wenn ein Elternteil in Ordnungshaft geht?

(Zuruf von der SPD: Wieso denn nicht?)

Es wird sehr schwer werden - das ist mir und meiner Fraktion auch klar -, in diesem verfassungsrechtlich geschützten und sehr sensiblen Bereich für alle Beteiligten angemessene Lösungen zu finden. Daher schlage ich vor, das neue familiengerichtliche Verfahren mit wenig Zwang und möglichst viel außergerichtlicher Schlichtung und Beratung auszustatten.

Wir wollen, dass der Gesetzentwurf klare und eindeutige Regelungen formuliert, die den Kindern und ihrem Wohl in auffallend schwierigen Situationen und problematischen Familienphasen Chancen für eine gute Entwicklung und Erziehung eröffnen. Zu den weiteren Entwürfen gibt es, denke ich, aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen - das ist hier schon angesprochen worden - noch diversen Diskussionsbedarf in den Ausschüssen. Es handelt sich um die Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben. Aber auch diesbezüglich ist es dem Gesetzgeber - mithin uns - in seinem Gestaltungsraum unbenommen, die Rechte von Frauen und Kindern entsprechend hoch anzusiedeln und zu schützen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.