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Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption mit vielen Lücken

Rede von Jörn Wunderlich,

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption - Drucksache 18/4350

TOP 16 am 15. Oktober 2015 

Jörn Wunderlich (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun ist er endlich abschlussreif, der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption. Wir hatten schon in der vorletzten Legislatur einen fast gleichlautenden Gesetzentwurf. Der ist leider gescheitert. Dann war die Legislatur vorbei. Woran lag es? Weil da eine Regelung zur Abgeordnetenbestechung mit enthalten war. Das wollte - jetzt hätte ich fast gesagt: der schwarze Block - der schwarze Teil der rot-schwarzen Regierung natürlich nicht. - Gut.

In der darauffolgenden Legislatur, unter Schwarz-Gelb, war das Thema natürlich völlig vom Tisch.

Jetzt, Herr Wiese, muss ich einmal sagen: Der 2014 erlassene § 108 e zur Abgeordnetenbestechung ist eine Lachnummer. Jeder Richter freut sich darüber, weil der keine Arbeit macht; denn aufgrund dieses Paragrafen können nur saudumme Abgeordnete bestraft werden. Er greift ja nur, wenn etwas auf Weisung oder Auftrag geschieht. Nur dann, wenn einer hingeht und sagt: „Ein Lobbyist hat mir 10 000 Euro gegeben. Dafür stimme ich jetzt entsprechend ab“, macht er sich strafbar. Wenn er aber sagt: „Ich habe mir die Argumente noch einmal durchgelesen und sie mir zu eigen gemacht“, dann nicht. Also so blöd ist, glaube ich, keiner hier im Hause. Aber das nur mal am Rande.

Jetzt geht es um die EU-Richtlinie, deren Umsetzung schon länger überfällig ist. Immerhin, jetzt soll es so weit sein. Gut, es hat etwas Positives - das hat auch schon mein Kollege Frank Tempel bei der ersten Lesung hier im Plenarsaal festgestellt -, dass in dem Entwurf Regelungen des EU-Bestechungsgesetzes und des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung vom Nebenstrafrecht ins Strafgesetzbuch übertragen werden. Aber - das ist auch schon angesprochen worden - die Erweiterung der Strafvorschrift des § 299 StGB durch Einführung des Geschäftsherrenmodells geht zu weit. So geht es gegenwärtig im Rahmen des § 299 noch um den Wettbewerbsschutz und nur mittelbar um Vermögensinteressen von Wettbewerbern oder Geschäftsherren.

Das Beispiel mit dem Materialprüfer, das Sie genannt haben, hinkt ja ein bisschen. Dabei geht es ja darum, dass jemand etwas unternimmt bzw. unterlässt, indem er etwa für die Firma schlechteres Material einkauft. Da entsteht ja auch ein Schaden. Aber dass ein solcher Schaden entsteht, ist nach dem neuen Modell ja gar nicht mehr notwendig. Das geschützte Rechtsgut wird jetzt so geändert, dass es nicht mehr auf einen Vermögensnachteil ankommt, sondern es reicht aus, dass ein Angestellter eines Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten annimmt und dass er in Bezug auf die Dienstleistungen seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt. Das klingt jetzt ein bisschen kompliziert. Ich will das einmal an einem Beispiel verdeutlichen:

Ein Catering-Unternehmen bekommt den Auftrag, für die Vereinsfeier eines Fußballvereins Essen zu liefern. Laut Arbeitsvertrag müssen die Mitarbeiter ihre Dienstkleidung mit dem Emblem der Firma tragen. Jetzt kommen sie da an, bauen die Tabletts mit den Schnittchen auf, und da sagt der Veranstalter: Passt einmal auf, wenn ihr unsere Fußballtrikots anzieht, dann bekommt ihr für das nächste Heimspiel Freikarten. - Dann sagen die: Klasse, das machen wir. - Damit machen sie sich strafbar, weil sie nämlich gegen die Vorschriften des Unternehmens verstoßen, und das ganz unabhängig davon, ob der Fußballverein anschließend sagt: So ein toller Laden, da bestellen wir immer wieder. -  Also selbst dann, wenn es einen Vermögensvorteil für den Unternehmer gibt, würden sich die Mitarbeiter strafbar machen.

Unterliegen sie der Versuchung, droht ihnen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe,

           (Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Essen ist gefährlicher als man denkt!)

aber das alles ins Gutdünken des Arbeitgebers gestellt, weil es sich ja um ein Antragsdelikt handelt. Ich glaube nicht, dass die Staatsanwaltschaft da ein besonderes Interesse an Strafverfolgung bejahen würde. Es hängt eben vom Strafantrag des Auftraggebers ab. Das heißt, hier wird alles in die Entscheidungsgewalt der Unternehmen verlagert, ob eine Tat strafrechtlich zu belangen ist oder nicht. Das ist einfach zu unbestimmt. Da kann sich jetzt jeder sein eigenes Beispiel ausdenken. Es gibt tausend Möglichkeiten, wie man das ausgestalten kann. Das ist nach Artikel 103 Grundgesetz zu unbestimmt, und das ist nicht nachvollziehbar.

Whistleblowerschutz fehlt im Gesetz in Gänze; und damit wird eine wesentliche Vorgabe aus dem Strafrechtsübereinkommen des Europarates nicht umgesetzt, die sich aus Artikel 22 und 33 des Übereinkommens ergibt. Whistleblower sind aber unbedingt vor Strafverfolgung zu schützen; denn gerade im Bereich Korruption in Wirtschaft und Politik sind wir im Grunde auf Whistleblower angewiesen.

                 (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese müssen geschützt werden, um nachteilige Folgen für sie abzuwenden.

Außerdem ist hier wieder - das muss man auch einmal feststellen - eine riesige Chance vertan worden, Korruption in den eigenen Reihen zu verhindern. Ein dringend notwendiges, verpflichtendes Lobbyregister fehlt auch. Das ist erkennbar auch nicht gewollt, wobei ein solches Register - das muss ich sagen - möglicherweise die Abgasskandale bei VW transparenter gemacht hätte und wir vielleicht heute schon wüssten, wer von der Regierung diese Schweinereien gedeckt hat.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU - Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das war ja ein müder Abgang! Ganz müder Abgang!)