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Gesetzentwurf zur Agrarressortforschung ist eine Mogelpackung

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung der Agrarressortforschung, DS 16/6124

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Agrarressortforschung ist eine Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft. Darin sind wir uns, glaube ich, einig. Aber der Gesetzentwurf zur Neuordnung ist eine Mogelpackung, mit der die wirklichen Ziele verschämt verborgen werden sollen.
Die angebliche Neuordnung setzt ohne wirkliches fachliches Konzept die Arbeitsplatzvernichtung und die Standortschließungen aller Regierungen seit 1996 fort. Im Entschließungsantrag der Koalition steht die Bilanz dieser Politik. In der Agrarressortforschung sind noch rund 2 700 Bedienstete beschäftigt, wobei seit 1996 1 000 Stellen abgebaut wurden. Dies geschah übrigens auf Grundlage eines Beschlusses von Schwarz-Gelb.
(Katja Kipping (DIE LINKE): Hört! Hört!)
Die bereits entstandenen Fehlstellen sind von den Experten in der Anhörung deutlich benannt worden. Aber diese Löcher jetzt mit vier Großinstituten und weiteren Standortschließungen stopfen zu wollen, ist wirklich absurd.
(Beifall bei der LINKEN)
Statt die Erfahrungen der Teilumsetzung des 96er-Rahmenkonzeptes ehrlich zu analysieren, sagt auch diese Regierung einfach „Weiter so!“. Dabei sind die Herausforderungen an die Agrarressortforschung seit 1996 deutlich gestiegen.
Ich will drei neue Herausforderungen nennen: Wir brauchen erstens Vermeidungs- und Anpassungsstrategien zum Klimawandel; wir müssen zweitens die Frage beantworten, wie wir möglichst viel Energie pro Hektar Fläche ökologisch und mit höchsten Klimaschutzeffekten erzeugen und dabei die Nahrungs- und Futtermittelerzeugung zu bezahlbaren Preisen sichern; wir müssen drittens das infolge der Globalisierung deutlich gestiegene Infektionsrisiko der Nutztierbestände durch die großen Personen- und Handelsströme im Blick behalten. Statt weniger wird also eigentlich mehr agrarwissenschaftliche Kompetenz gebraucht.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Regierungskonzept gibt darauf die falschen Antworten. Ich möchte nur drei Sündenfälle nennen:
Erstens. Die neue Tierseuchenstrategie der EU fordert die Verschiebung der Prioritäten hin zur Vorbeugung. Völlig zu Recht! Wir schleppen uns seit Jahren von der Schweinepest über BSE, MKS und Vogelgrippe zur Blauzungenkrankheit. Als Fachpolitikerin unterstütze ich daher ausdrücklich das Bekenntnis zum Neubau des Instituts auf der Insel Riems, auch wenn meine Haushälter angesichts der Kostenexplosion natürlich die Stirn runzeln. Der Neubau ist aber angesichts der schwierigen Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen auf der Insel Riems dringend notwendig. Nur, warum wird die Verlagerung des Instituts für Epidemiologie von Wusterhausen auf die Ostseeinsel Riems nicht überprüft, obwohl damit ausgerechnet die Arbeitsfähigkeit des Instituts gefährdet wird, das die epidemiologischen Ausbruchsuntersuchungen und Risikobewertungen schultern muss?
1996 hatte die SPD einen klugen Antrag zum Rahmenkonzept gestellt. Ich darf daraus zitieren:
Für die Arbeit des Tierseuchenzentrums in Wusterhausen ist sowohl die Nähe zum zweiten Dienstsitz des BML in Berlin als auch die zentrale Lage in Deutschland von Vorteil.
Die angespannte Tierseuchenlage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist ein ausgezeichnetes Argument, diesen Antrag wieder aus der Schublade zu holen und ihn zumindest noch einmal zu prüfen; denn er ist richtiger denn je.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Das Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung soll entgegen einer ausdrücklichen Empfehlung der Evaluationsgruppe Forschung vom April 2007 von Ostbrandenburg in die Nähe von Hamburg verlagert werden. Ich darf wieder zitieren:
Die Präsenz des Instituts an zwei Standorten … hat … hinsichtlich der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und der Betreuung spezifischer Feldversuche seine Berechtigung. … Zur Straffung der Forschungsarbeiten wird empfohlen, alle züchtungsrelevanten Tätigkeiten enger als bisher mit dem Standort Waldsieversdorf zu verknüpfen.
Trotzdem soll dieser Standort geschlossen werden.
Die Linke fordert angesichts dieser Fehlentscheidungen ein Moratorium für alle Standortschließungen, die geplant sind. Die finanziellen, personellen, sozialen und strukturpolitischen Folgen einer Standortschließung müssen ehrlich analysiert werden. Für eine Neuentscheidung muss eine Kosten-Nutzen-Analyse vorgelegt werden. Das ist das Mindeste, was die betroffenen Kolleginnen und Kollegen sowie die Kommunen fordern können; denn durch solche Standortschließungen werden meist die letzten wissenschaftlichen Arbeitsplätze, die es in diesen Regionen gibt, vernichtet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben in Ihren Entschließungsantrag einen ähnlichen Prüfauftrag aufgenommen. Vielleicht wäre es gut, diesen ernst zu nehmen.
Drittens. Wer Präsidenten eine solche Macht gibt, degradiert Institutsleiter zu besser bezahlten Sachbearbeitern. Auch das wird die Exzellenz in der Breite nicht wirklich fördern.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP))
Aus unserer Sicht werden weder der Gesetzentwurf noch der Entschließungsantrag dazu beitragen, dass wir eine leistungsfähige Agrarressortforschung haben. Deswegen müssen wir beides ablehnen. Aber wir sollten weiter im Gespräch bleiben. Ich hoffe auf bessere Zeiten.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)