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Gesetzentwurf der Koalition gefährdet gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung "Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes", DS 16/6814, und "Erstes Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnikdurchführungsgesetzes", DS 16/6557, sowie Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen zur Agrogentechnik; die Rede wurde zu Protokoll gegeben

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Heute ist ein kein guter Tag für die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei in Deutschland. Es wäre aber noch schlimmer gekommen, wenn sich die CDU/CSU durchgesetzt hätte. Zum Beispiel wäre dann das öffentlich zugängliche Standortregister einfach abgeschafft worden.

Auf diesem Teilerfolg sollten Sie sich aber nicht ausruhen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Im Ausschuss sollten wir ernsthaft darüber diskutieren, wie die Risiken des Abenteuers Agro-Gentechnik weiter deutlich reduziert werden können.

Die vorliegenden Änderungsvorschläge zum Gentechnikgesetz und der damit verbundene Entwurf der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung werden die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei, ob konventionell oder ökologisch arbeitend, langfristig nicht sichern. Aber genau das steht in § 1: Die Sicherung der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und unveränderten Pflanzen. Was aber tun, wenn die Verschleppungsrisiken kaum zu kontrollieren sind? Mit welchen Maßnahmen können dann die gentechnikfreie Landwirtschaft, die Imkerei und die Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden? Der französische Präsident Sarkozy hat darauf eine Antwort: er hat ein Moratorium des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais verhängt. Ihr konservativer Kollege hat gute Gründe dafür, Frau Merkel!

Aber kommen wir zum Gesetzesentwurf. Ich werde mich auf drei Aspekte konzentrieren: 1. Die Erleichterungen der Forschung. 2. Die Transparenz und 3. Die Haftungsfragen.

Erstens: Die Regierung will die Forschung erleichtern. Dafür werden Vorsorgemaßnahmen schlichtweg abgeschafft und Sicherheitsbedenken beiseite geschoben.

Die Worte „Wahlfreiheit“ und „Koexistenz“ aus dem Koalitionsvertrag werden damit zur Farce. In § 2 ermächtigen Sie die Bundesregierung, bestimmte Gen-Pflanzen von der Kontrolle und der nachträglichen Anordnungen zu befreien. Ich frage Sie warum? Ist der Preis nicht zu hoch für diese Verfahrensbeschleunigung im Namen der Forschungsfreiheit? DIE LINKE sieht keine sinnvolle Begründung dafür, dieses erkennbare Risiko einzugehen. Wir lehnen daher einen so riskanten Freifahrschein für den Forschungsstandort Deutschland kategorisch ab.

Aber es gibt noch mehr „Forschungsförderung“ dieser Art. Nach § 14 Absatz 4 soll das so genannte vereinfachte Verfahren, das bereits jetzt aufgeweicht war, weiter erleichtert werden. Es soll Standard statt Ausnahme werden. Das heißt im Klartext: im Gegensatz zur bisherigen Regelung muss der Antragsteller eine Freisetzung nur für den ersten Standort beantragen, jedoch nicht für weitere Freisetzungen - diese sollen nur noch nachgemeldet werden. Selbst wenn es andere Standorte betrifft.

Da aber bedeutet: Keine Anhörung mehr, keine standortbezogene Prüfung, keine Transparenz! Diese undemokratische Regelung ist inakzeptabel. Gerade bei dieser Risikotechnologie brauchen wir mehr Transparenz, statt weniger. Alles andere ist industriehörige monopolistische Politik und als vertrauensbildende Maßnahme nicht geeignet. Mit Verbraucher- und Umweltschutz hat das alles nichts zu tun. Deshalb lehnt DIE LINKE diese Regelung ab!

Zweitens, die Transparenz. Hier sind die „privaten Absprachen“ ein Problem. Künftig sollen die Sicherheitsabstände der Guten Fachlichen Praxis durch Absprachen von Gartenzaun zu Gartenzaun unterlaufen werden. Das soll dann zwar noch aufgeschrieben werden, aber: wer bitte erfährt dann noch wie von den Absprachen? Das wird im Gesetz-Entwurf nicht mal erwähnt. Transparenz ist offensichtlich nicht gewollt. Diese Regelung ist nicht nur ein Kontaminationsrisiko, sondern garantiert sie geradezu! Diese Ausnahmeregelung muss ersatzlos gestrichen werden. Sie ist auch für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist. Die kontrollierenden Behörden können die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelung gar nicht wirksam überprüfen. Damit werden die Landesbehörden wieder mal im Regen stehen gelassen! Für DIE LINKE ist die Einhaltung der Sicherheitsabstände ohne Ausnahmen eine Mindestforderung.

Kommen wir zu Punkt drei. Die Frage der Haftung. Wer haftet für kontaminierte Felder und Ernten, für indirekte Schäden z.B. durch Mehrkosten zur gentechnikfreien Lebensmittelproduktion? DIE LINKE hat eine Kleine Anfrage zu den volkswirtschaftlichen Kosten dieser Risikotechnologie vorgelegt, auf deren Beantwortung viele Interessierte warten.

Doch zurück auf den Bauernhof: Wie läuft die Haftung von Betrieb zu Betrieb? Die Regelung zur gesamtschuldnerischen Haftung bleibt entgegen der katastrophalen Vorschläge des Eckpunktepapiers aus dem Hause Seehofer vom Februar 2007 im Gesetzentwurf bestehen. Problematisch ist auch bei dieser Regelung die Frage der Beeinträchtigung. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die 0,9 % Grenze als gesetzlicher Schwellenwert maßgebend. Diese 0,9 % beziehen sich aber nach der EU-Verordnung 1829/2003 auf die Kennzeichnung, wenn es um technisch unvermeidbare oder zufällige Verunreinigungen geht. Was aber ist technisch unvermeidbar oder zufällig? Ist ab jetzt jede Verschleppung zufällig oder technisch unvermeidbar, wenn der gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 150 m eingehalten wird? Werden damit die 0,9% zu einem kalkulierten und letztlich akzeptierten Risiko, also ohne Haftungsanspruch?

Für DIE LINKE steht fest: Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, muss für jede nachweisbare Verschleppung haften, auch unter 0,9%! Ein Haftungsanspruch muss sich also an der Nachweisgrenze orientieren! Gleiches muss für den Nachweis im Honig gelten. Die Agro- Gentechnik-Industrie muss für alle gesamtgesellschaftlichen Mehrkosten durch Anbau oder Freisetzung transgener Pflanzen aufkommen. Wieso sollten die Steuerzahler für eine Risikotechnologie bezahlen, die niemand will und keiner braucht?

Der LINKEN geht es um den Schutz der Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft, der Imkerei und der Verbraucherinnen und Verbraucher!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.