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Gerechter Kinderzuschlag bekämpft Kinderarmut

Rede von Diana Golze,

Die Situation von Kindern hat sich in Deutschland seit der Einführung der Hartz-Gesetze enorm verschlechtert. Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen sind oftmals nicht in der Lage, ihren Kindern die notwendigsten Dinge bereitzustellen. Der Kinderzuschlag soll nun Abhilfe schaffen, allerdings nicht bei denen, die es brauchen.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
meine Damen und Herren,

es ist gerade 8 Tage her, dass anlässlich des Weltkindertages in ganz Deutschland 2,5 Millionen Fahnen auf öffentlichen Plätzen aufgestellt wurden. Jedes Fähnchen stand stellvertretend für ein Kind, das in Deutschland in Armut lebt. Gerade deshalb ist es wichtig, dass heute hier im Bundestag die Kinderarmut Thema ist. Die Fraktion DIE LINKE legt heute ein Konzept zur Reform des Kinderzuschlags vor. Damit schlagen wir einen ersten Schritt zur Verbannung der Kinderarmut in die Geschichtsbücher vor.

Welche Situation haben wir? Der Kinderzuschlag in seiner derzeitigen Form ist völlig ungeeignet, um dem Anspruch der Bekämpfung von Kinderarmut gerecht zu werden. Allein die Tatsache, dass 9 von 10 AntragstellerInnen eine Ablehnung erhalten, ist ein Indiz dafür, dass das Gesetz dringend einer Überarbeitung bedarf.

Was will die LINKE? Wir wollen alle Kinder aus der Sozialhilfe herausholen. Die Bedarfsgemeinschaft nach SGB II oder XII darf nicht länger das sozialpolitische Gefängnis von Millionen Kindern sein! Alle Kinder unter 18 Jahren sollen in Zukunft ein Kindergeld erhalten, das ihnen in voller Höhe zugute kommt. Gleichzeitig wollen wir den Kinderzuschlag zu einem einkommensabhängigen Instrument ausbauen, das jedem Kind mindestens den Zugang zu einem soziokulturellen Existenzminimum in Höhe von 420 Euro garantiert. Bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag und der Ermittlung seiner individuellen Höhe ist zukünftig ausschließlich eine Einkommensobergrenze in Form eines pauschalierten Höchsteinkommens der Eltern zu berücksichtigen. Wir wollen die Mindesteinkommensgrenze abschaffen, die die Mehrheit der AntragstellerInnen um den Kinderzuschlag bringt. Wir schlagen darüber hinaus vor, dass die Beschränkung der Zahlung auf 36 Monate abgeschafft wird. Armut richtet sich schließlich nicht nach dem Kalender!

Nach unseren Berechnungen würden von diesem Konzept ca. 2,1 Millionen Familien mit 3,1 Millionen Kindern profitieren. Unser Konzept ist im Vergleich zum heutigen Kinderzuschlag sehr viel einfacher und garantiert den Betroffenen ein Armut verhinderndes Leistungsniveau. Es ist ohne weiteres finanzierbar. Schließlich ermöglicht es erhebliche Einsparungen bei Sozialgeld und Arbeitslosengeld II. Für den Einstieg rechnen wir mit Mehrkosten von etwa 3,5 Milliarden Euro. Aber das beste Rezept gegen die Arbeitslosigkeit von morgen ist doch die Armutsverhinderung von heute. Insofern ist die Verhinderung von Kinderarmut eine Investition in die Zukunft, die perspektivisch die sozialen Kassen entlasten und stabilisieren wird.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Politik der Bundeskanzlerin und der Familienministerin lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Öffentlich machen sie gern große Worte über die Bekämpfung der Kinderarmut. Hinter verschlossenen Türen tun sie alles zur Verschärfung des Problems. Der Kinderzuschlag ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Im Koalitionsvertrag steht der lobenswerte Vorsatz, den Kinderzuschlag als sozial- und kinderpolitisches Instrument zu verbessern. Und was passiert in der Realität? Im Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz wurde am Kinderzuschlag herumgedoktert ohne wirklichen Veränderungswillen. Aber der nach § 22 Bundeskindergeldgesetz eingeforderte Bericht zu den Auswirkungen und der nötigen Weiterentwicklung des Kinderzuschlags liegt bis heute nicht vor!

Stattdessen finden durch die Hintertür bereits erste Änderungen am Kinderzuschlag statt. Ohne dem Parlament die Ergebnisse einer Evaluierung vorzulegen. Ohne die Defizite des Kinderzuschlags in ihrer Gänze offen zu legen. Gestern hat ein Gesetzentwurf der Bundesregierung die Ausschüsse passiert, mit dem eigentlich nur der Zugang von Ausländern mit Kindern zu Familienleistungen neu geregelt werden sollte. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde kurz vor der Ausschussberatung ein Artikel ins Gesetz geschrieben, der dort gar nichts zu suchen hat. Durch die Hintertür verschärft die Große Koalition nämlich die Anspruchskriterien für den Kinderzuschlag. Wer in Zukunft eine Ablehnung seines Antrags auf Arbeitslosengeld II erhält, weil Anspruch auf den vorrangigen Kinderzuschlag besteht, hat künftig nur noch einen statt bisher 6 Monate Zeit, seine Ansprüche rückwirkend geltend zu machen.

Ich gehe davon aus, dass auf diese Weise noch weniger Anträge auf Kinderzuschlag bewilligt werden als jetzt schon. Und die Bundesfamilienministerin geht wahrscheinlich auch davon aus! In ein laufendes Gesetzgebungsverfahren wird ohne Vorlaufzeit und ohne ausreichende Information der Betroffenen ein blinder Passagier geschmuggelt. Im Kern werden hier EmpfängerInnen des Kinderzuschlags auf das Diskriminierungsniveau von Hartz IV herabgedrückt. Doch was nützt ein Kinderzuschlag, der den Betroffenen den Bezug von ALG II ersparen soll, wenn dieser Kinderzuschlag nach denselben entwürdigenden Bedingungen bewilligt oder abgelehnt wird? Die Koalitionsfraktionen müssen sich fragen lassen, ob sie die im Koalitionsvertrag verabredete Weiterentwicklung des Kinderzuschlags zum Wohle der Betroffenen wirklich wollen oder sie sich in dieser Art und Weise aus der Hand nehmen lassen!

Meine Damen und Herren, wir legen Ihnen heute eine Idee für eine echte Reform des Kinderzuschlags vor. Und auch wenn Sie den Antrag pflichtgemäß ablehnen werden, dann bitte ich Sie im Interesse der Betroffenen darum, dieses Zukunftskonzept zur Kenntnis zu nehmen!

Abschließend gehe ich auf den Antrag der Regierungsfraktionen ein. Natürlich ist es erfreulich, dass Kinder und deren Chancen gewürdigt werden, dass die Bedeutung der öffentlichen Verantwortung betont wird. Allerdings hätte ich nach fast einem Jahr, das seit der Veröffentlichung des 12. Kinder- und Jugendberichtes vergangen ist, etwas tiefgründigere Analysen und vor allem detailliertere Schlussfolgerungen erwartet, als Sie sie hier vorlegen. Sie bezeichnen ja unsere Vorlagen gern als luftig und zu pauschal. Für diese von Ihnen gilt das sicher!

Ein Beispiel: Wir brauchen nicht mehr nur die Forderung nach verbesserten Standards in der Qualität von Kinderbetreuung, sondern endlich klare Aussagen, wie man die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern verbessern kann, oder wie die Mindestanforderungen an die Tagespflege zu gestalten sind.

Ich fasse zusammen: Der 12. Kinder- und Jugendbericht, den Sie wiederholt begrüßen, geht in vielen Punkten schon weiter als der heute vorliegende Antrag der Großen Koalition. Ich erwarte von der Regierung, dass sie den freundlichen Bekundungen der Übereinstimmung nun endlich Politik folgen lässt! Für die Bekämpfung der Kinderarmut haben wir schon mal einen Teil Ihrer Arbeit erledigt!

Vielen Dank!