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Gendiagnostik gesetzlich regeln

Rede von Monika Knoche,

Nun schon in der dritten Legislatur wird die Notwendigkeit eines Gendiagnostikgesetzes gefordert. Heute liegt erneut ein Entwurf dafür vor. Das begrüße ich namens meiner Fraktion DIE LINKE. ausdrücklich.

Wenn auch die Gendiagnostik als solche nicht das Thema jedes/r einzelnen Bürgers/in ist, so ist sie doch eine Frage, die alle angeht.

Untersuchungen des Erbmaterials tauchen immer mehr und immer öfter in unserem Leben auf: Arbeitgeber und Lebensver-sicherungen wollen gerne wissen, wie es um unsere Gene bestellt ist, aufgrund der sich rasant entwickelnden Untersuchungsmethoden raten Ärzte immer öfter zu genetischen Test, um bestehende Krankheiten oder auch nur ein mögliches Krankheitsrisiko irgendwann in den nächsten Jahrzehnten aufzudecken, Forscher hätten gern mehr und mehr genetische Proben, unsinnige Tests auf nicht behandelbare Erkrankungen stehen neben nützlichen, verbotene neben legale, das Missbrauchspotential ist extrem hoch. Und das Ganze ist so gut wie nicht gesetzlich geregelt. Das muss jetzt erfolgen, denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als ein Kernbestand des modernen Menschenrechts hat Verfassungsrang. Dass dieses Recht eines Menschen sich im Wesentlichen im Bereich medizinischer Diagnostik abspielt, also Aussagen über das eigene Erbgut umfassen, macht diese Frage zu einer hochsensiblen Frage des Persönlichkeitsrechts und der präventiven und kurativen medizinischen Möglichkeit.

Um so dringlicher sind die Anforderungen an den Gesetzgeber, genauestens darauf zu achten, wer überhaupt berechtigt ist, genetische Tests anzubieten und durchzuführen, wie der informed concent, das ist Voraussetzung für jedwede Diagnostik, ausgestaltet sein muss, um in verantwortbarer Weise den PatientInnen Kenntnis über deren genetische Bedingungen zu geben.

Was sagen solche Tests über Krankheiten erblicher Natur aus? Was können sie über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Krankheit und Schwere dieser sowie heutige und zukünftige Behandlungsmöglichkeiten aussagen? Darüber müssen die Bürgerinnen und Bürger vor der Durchführung eines Tests voll informiert werden, bevor sie ihre Einwilligung zur Durchführung geben.

Selbstverständlich ist das Recht auf Nichtwissen ein Menschenrecht. Und - das ist das Besondere an diesem Verfahren - auch Angehörige von getesteten Personen sind unter Umständen „genetisch identifiziert“, ohne darüber je eine Zustimmung gegeben zu haben.

Deshalb muss diese Schutz- und Rechtsdimension zwingend in einem Gendiagnostikgesetz ihren Niederschlag finden. Und diesem Problem hat sich der Gesetzentwurf zugewandt.

Hier möchte ich auf die einschlägigen Paragraphen in diesem vorliegenden Entwurf, die Gentests zur Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen bei Familiennachzug verlangen, hinweisen. Wir Linke können diese Vorgaben nur ablehnen. Denn ein Sonderrecht respektive Rechtsentzug für MigrantInnen stellt eine Diskriminierung durch ein Bundesgesetz dar. Das muss wieder aus dem Entwurf entfernt werden. Denn diese Daten sollen darüber hinaus ja auch den Strafverfolgungsbehörden zugeführt werden können. Willkür gegenüber Nicht-Deutschen darf nicht zu Deutschem Recht werden.

Daneben ist es der Vorschlag, Untersuchungen durchführen zu lassen, die Rückschlüsse auf das Erbgut ermöglichen, die wir insbesondere im Arbeitsrecht für nicht zulässig halten, auch wenn sie in Form von phänotypischen Tests auftauchen. Würde das erlaubt, hätte es zur Folge, dass diejenigen Beschäftigten herausgefiltert werden können, die für belastende Arbeitsbe-dingungen schlichtweg ein Berufsverbot erhielten.

Aufgabe ist es demgegenüber, die Arbeitsplatzbedingungen so zu gestalten, dass sie für einen diskriminierungsfreien Zugang sorgen und gesundheitliche Arbeitsschutzregelungen geschaffen werden, die es allen ermöglicht, ihren gewünschten Beruf anzustreben.

Wie weit die Regelungen reichen, erkennt man auch daran, dass zwar bei Lebensversicherungen Test gefordert werden und bei privaten Krankenkassen nicht erlaubt sind, die Versicherungsgesellschaften jedoch oft eng mit einander verwoben sind. Deshalb darf kein Datentransfer erlaubt werden; wie auch stark zu hinterfragen ist, ob es nicht doch zu Diskriminierung führt, wenn für Lebensversicherungen ab 300.000 EUR Gen-tests erlaubt würden.

Zum Schluss möchte ich noch Details des Gesetzes ansprechen, die intensiver Beratung und fachlicher Expertisen bedürfen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Bereich der Medizin die Gefahr besteht, zu einer auf Genzentrierten Sichtweise von Krankheits- und Körperbildern zu kommen. Interessant auch, dass sich namhafte Humanethiker heute deutlich distanzieren von der landläufigen Meinung darüber, wie bestimmend eigentlich Gene für Krankheit seien. Sie raten sehr zu einer ganzheitlichen Medizin und warnen vor einer monokausalen Betrach-tung auch bei erblicher Disposition zu einer bestimmten Erkrankung. Prävention, Vorsorge und Sekundärprävention gilt es auch hier mehr Aufmerksamkeit zu kommen zu lassen. Das ethisch moralische wohl problematischste Feld moderner Gendiagnostik ist der Bereich der Pränataldiagnostik. Dem müssen wir uns in den weiteren Beratungen annehmen.

Die Information über das genetische Sein des Fötus und die Regelung im §218 wonach dieser Information und ihrer Verarbeitung für die schwangere Frau zur medizinischen Indikation also zum Krankheitsbild der Frau selbst erklärt werden kann, hat die embryopatische Indikation zwar abgelöst, das Problem aber nicht aufgelöst. Meines Erachtens werden die damit aufgeworfenen Fragen durch das Gendiagnostikgesetz noch nicht hinreichend bearbeitet. In der alltäglichen Praxis von Schwangeren ist von größter Wichtigkeit dass ein echter informed concent vor Durchführung eines Gentests sichergestellt wird. Diese Anforderungen auszuformulieren muss in diesem Gesetz geleistet werden. Alle für die Frau erwachsenden Rechtsansprüche in der gesetzlichen Krankenversicherung, inklusive frei wählbarer Beratungszentren vor und nach dem Test, ist grundlegende Anforderung. Tatsächlich sind die humangenetischen Beratungen sowie alle psychosozialen Angebote in Frauengesundheitszentren oder anderenorts qualitätsgerecht als Begleitung unverzichtbar und nicht zuletzt gilt es im hohen Maße verantwortlich mit den menschenrechtlichen Anforderungen in der Forschung umzugehen.

Nicht-Einwilligungsfähigen Menschen ein minderes Recht auf Unversehrtheit und Autonomie zuzugestehen, nur weil man einen Fremdnutzen aus der Erforschung und Forschung mit ihren höchstpersönlichen Daten erwartet, entspricht einer Nützlichkeits- also einer utilitaristischen Moral die nicht Eingang in ein deutsches Gesetz finden sollte.

Also es gibt noch eine ganze Reihe von Fragen, die im Rahmen der anstehenden Anhörungen zu klären sind bis wir hier im Hause endgültig über ein Gesetz befinden, das schon so lange ansteht.