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Gedenkstättenkonzeption

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Drei Postulate, die gar nicht genug ernst genommen werden können, überschreiben die Gedenkstättenkonzeption, über die wir heute hier abstimmen wollen:

- Verantwortung wahrnehmen
- Aufarbeitung stärken
- Gedenken vertiefen

Das sind angesichts unserer Geschichte schwierige Aufgaben. Wer sie angehen will, muss hohen Erwartungen gerecht werden. Wird die Konzeption in ihren inhaltlichen Positionen, wie in ihren konkreten Umsetzungen diesen hohen Erwartungen gerecht?
Wir sagen: leider nein. Und wir können deshalb auch den Vorlagen nicht zustimmen.
Wir sind die Einzigen. Aber wir sind es selbstbewusst.
Warum?

Die inhaltliche Ausrichtung, wie sie in der Unterrichtung durch den Staatsminister und in der Beschlussempfehlung des Ausschusses festgeschrieben ist, ist widersprüchlich.

Da heißt es zwar einerseits im Vorwort
„Die Politik des Nationalsozialismus führte in der Konsequenz zur Teilung Deutschlands“.
Wohl wahr. Aber dieser Satz bleibt ohne Konsequenzen innerhalb der Umsetzung der Konzeption.
Da ist dann von der gesamtstaatlichen Verantwortung für das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und für die Folgen des Zweiten Weltkrieges die Rede, aber in einem Satzsprung heißt es dann „Außerdem gelte es seit der Wiedervereinigung, das Unrecht der kommunistischen Diktatur aufzuarbeiten“.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das ist doch richtig!)

Ich habe schon bei der Ausschussberatung darauf hingewiesen, dass dies auf eine Verzerrung der Geschichte hinausläuft. Es sind nicht zwei nebeneinander stehende Geschichtskapitel, sondern eine ursächlich ineinanderübergreifende und im übrigen dadurch gemeinsame Vergangenheit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Opfern des NS-Regime, sondern die Pflicht und Schuldigkeit die Terror-Herrschaft insgesamt aufzuarbeiten, sowie in diesem Zusammenhang vor allem auch unsere Nachkriegszeit.
Wer wie ich, das Verschweigen und Leugnen der Nachkriegs-Bundesrepublik erlebt hat, die Nazis in hohen Positionen, die schmachvoll späten und angefeindeten KZ-Prozesse, die Gedenkstättenarbeit fast nur von den Betroffenen betrieben, die jahrzehntelang verschleppten Fragen der Restitution, für den ist die NS-Geschichte und die Nachkriegsgeschichte in beiden Gesellschaften ein Komplex, dessen gesamte Aufarbeitung in ihren Zusammenhängen wohlgemerkt -aussteht.
Und das wäre die Chance, die eine jetzt in vielfältiger, langjähriger Arbeit entstandene Gedenkstättenkonzeption gehabt hätte, aber eben nicht genutzt hat.

Es reicht nicht, dass nun endlich vier KZ-Gedenkstätten im Westen institutionell gefördert werden. Wie ein Mantra wird das stets beschworen:

Neues Gedenkstättenkonzept: wir fördern jetzt auch vier Gedenkstätten im Westen institutionell.

Das ist zu begrüßen, natürlich. Aber was hat die Lagergemeinschaft Ravensbrück in einem Schreiben an uns Abgeordnete festgehalten?

„Groß ist der Bedarf bei der Erforschung der Geschichte der über ganz Deutschland verteilten KZ-Außenlager“. Und dann wird in aller Bescheidenheit darauf hingewiesen: Zitat:

„Wenn man die Ausführung zu den Gedenkstätten und Erinnerungsorten zur NS-Herrschaft vergleicht mit den Erläuterungen zum Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland, so fällt vor allem auf, wie viel detaillierter die letzteren Festlegungen ausgeführt werden“.

Detaillierter ist das eine. Das andere ist allein die schiere Zahl, der Umfang, die Gewichtung. Während sich in dem Konzept genau zwei Kapitel mit der NS-Geschichte befassen, werden neun Kapitel zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte aufgezählt und entsprechende Förderungsprojekte beschrieben.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das ist nicht richtig!)

Innerhalb dieser geht es bis auf das Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt nicht um den Alltag der DDR, den Lauf der Geschichte, die Frage,
wie kam es zur DDR, wer hat sie geformt und getragen - und wie hat sie sich schließlich selbst befreit. Das nicht.

- Verantwortung wahrnehmen
- Aufarbeitung verstärken
- Gedenken vertiefen

Große Worte, schwierige Aufgaben. Gerade was die Zeit des nationalsozialistischen Terror-Regimes angeht. Da stehen wir an einer Wende: Kollege Thierse hat es beschrieben. Die Zeitzeugen, die so vieles an Auseinandersetzung und Vermittlung durch persönlichen Einsatz in den vergangenen Jahrzehnten geleistet haben, werden uns fehlen. Wir brauchen dringend ein neues Gesamtkonzept für die zukünftige Vermittlungsarbeit, das leider in der vorliegenden Gedenkstättenkonzeption eben fehlt. Meine Fraktion DIE LINKE hat einen Antrag zu dieser Problematik eingebracht.
Wie Sie alle heute darauf reagieren werden, könnte eine Art Lackmus-Test dafür sein, wie wichtig Ihnen der Satz in der Einleitung der Unterrichtung ist, der da lautet:

„Es ist unverzichtbar, den Unterschieden zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen“.

Es wäre gut, das Gedenkstättenkonzept käme dieser Erklärung tatsächlich nach.

(Beifall bei der LINKEN)