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Fusion von Kaiser's/Tengelmann mit EDEKA ist der am wenigsten schlechte Weg für die Beschäftigten

Rede von Michael Schlecht,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu Ihrer letzten Bemerkung kann man nur zynisch sagen: Die Märkte warten wieder einmal auf ein Schlachtopfer von 16 000 Beschäftigten. - Denn darum geht es im Kern.

(Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Eine schlechte Bemerkung!)

Noch eine Vorbemerkung. Ich habe in den letzten zehn Tagen mit relativ vielen Akteuren in diesem Umfeld diskutiert; ich habe mit Betriebsräten geredet, ich habe mit Hauptamtlichen geredet. Ich will eine Klarstellung treffen: Es ist nicht so, wie eben von Frau Andreae dargestellt, dass sich Verdi eindeutig gegen diese Fusion ausspricht. Die Spitzenfunktionärin, die dafür zuständig ist, hat eine eher abwägende Haltung. Ich selbst habe heute Morgen lange mit ihr telefoniert und darüber gesprochen.

(Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Andere sagen da aber etwas anderes!)

Es gibt auch andere Sekretäre und andere Betriebsräte, die eine differenzierte Sicht auf dieses Thema haben. - Das nur als Vorbemerkung.

Einen Punkt muss man, um das einordnen zu können, sehen: dass Tengelmann und die 16 000 Beschäftigten Opfer eines gnadenlosen Konkurrenzkampfes im Einzelhandelsbereich sind.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von Edeka!)

- Die anderen kommen noch hinzu; ich rede jetzt aber erst einmal über die Tengelmänner. - Dieser gnadenlose Konkurrenzkampf hat zentral etwas damit zu tun, dass wir im deutschen Einzelhandel seit 15 Jahren eine desaströse Lohnentwicklung und eine desaströse Entwicklung bei den Transfereinkommen haben, kurzum: dass die Binnennachfrage - politisch gewollt -, ausgehend von der Agenda 2000, erheblich zusammengeschnürt ist.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Tengelmann seit zehn Jahren defizitär ist. Nach meinen Informationen wurden mittlerweile 500 Millionen Euro zugeschossen, um das Unternehmen zu erhalten, und jedes Jahr werden weitere 50 Millionen Euro zugeschossen. Wir haben die Situation, dass sich ein Unternehmen in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf befindet und dadurch auch die Beschäftigten an den Rand gedrängt werden. Das wissen auch die Betroffenen im Betrieb, und das weiß vor allen Dingen auch der Betriebsrat.

Jetzt stehen wir im Grunde genommen vor folgender Situation: Wenn es nicht zur Fusion kommt, dann finden auch keine - manch einer träumt noch davon - weitergehenden Verhandlungen statt. Wenn es nicht zu der Fusion kommt, dann wird es aller Voraussicht nach zur Liquidierung dieses Unternehmens kommen. Das würde bedeuten, dass die 16 000 Beschäftigten oder zumindest die allermeisten von ihnen schlagartig zur Disposition stünden oder nur noch ein kleiner Teil verwendet würde.

(Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Woher wissen Sie das? Das ist die Glaskugel von Herrn Schlecht! - Marcus Held (SPD): Quatsch!)

Die Mehrheit der Betriebsräte, der betrieblichen Interessenvertretung präferiert deshalb die Fusion mit Edeka, nicht weil sie sie toll finden, sondern weil sie sagen, dass sie dann bessere Möglichkeiten und mehr Zeit haben, um den Abbau- und Umstrukturierungsprozess, um den man in Anbetracht der sehr dramatischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Sicht überhaupt nicht herumkommt, zu organisieren.

Es gibt natürlich Probleme, zum Beispiel mit der Tarifbindung. Diese gibt es perspektivisch natürlich auch deshalb, weil die Tarifbindung von gesetzlicher Seite nicht gerade positiv begleitet wird. Es wäre für den Einzelhandel zum Beispiel von herausragender Bedeutung, dass die Regelungen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen deutlich verbessert werden. Eine Forderung, die der DGB hat und die wir, die Linke, haben, ist zum Beispiel, dass die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen auch gegen den Willen eines Unternehmerverbandes erzwungen werden kann. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

weil dadurch auch die tarifvertraglichen Standards für die Beschäftigten, die dann zu Edeka gehören, deutlich besser als durch die - Sie haben das ja richtigerweise referiert - geschlossenen Betriebsvereinbarungen abgesichert werden würden. Diese Betriebsvereinbarungen bieten aber zumindest über vier Jahre einen Schutz. Ich finde, das ist ein gewichtiger Punkt.

Deswegen will ich Ihnen deutlich sagen: Aus meinen Diskussionen in den letzten zehn Tagen - vor allen Dingen aus den Diskussionen mit meiner alten Kollegenschaft; ich komme ja von Verdi und kenne dort viele Kolleginnen und Kollegen, auch Betriebsräte - habe ich den Eindruck, dass diese Fusion der am wenigstens schlechte Weg für die 16 000 Beschäftigten ist. Das ist zwar kein guter Weg, aber der andere Weg, nämlich die Liquidierung, die Zerschlagung und die Vernichtung von 16 000 Arbeitsplätzen, wäre der weitaus dramatischere.

(Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt doch andere Angebote!)

Das Ganze kann man nur verhindern, indem man gesellschaftlich wieder zu anderen Bedingungen kommt und die Binnennachfrage in Deutschland stärkt, um auf die Krise und die notleidende Situation im Einzelhandel entsprechend zu reagieren und den absolut brutalen Konkurrenzkampf auszuhebeln. Das ist der entscheidende Weg. Wenn man das nicht macht, dann muss man in der Tat solche Notfalldiskussionen darüber führen, was der am wenigsten schlechte Weg ist. Das ist leider so.

Danke schön.