Zum Hauptinhalt springen

Für ein Kosovo ohne KFOR und Nationalismus

Rede von Inge Höger,

Bundeswehr raus aus Kosovo

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Teile und herrsche“ war stets die Maxime deutscher Politik auf dem Balkan; das zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten 100 Jahre. Das wurde beim Zerfall Jugosla¬wiens und der frühen Anerkennung Kroatiens durch die BRD 1991 deutlich. Mit der Bombardierung Belgrads und anderer Orte hat diese Geschichte 1999 einen trauri¬gen Höhepunkt erreicht. Diese gescheiterte Politik führen Sie nun Jahr für Jahr mit der Verlängerung des KFOR-Mandats fort. Die Linke akzeptiert das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war im April erneut in der Region und habe mit Friedensgruppen, Frauengruppen, Gewerkschaftern, Wissenschaftlern, Regierungs- und Oppositionsvertre¬tern gesprochen. Viele kritisieren den Ausverkauf der Region. Sie kritisieren die EU-Politik der Privatisierung. Von 2 Millionen Einwohnern des Kosovo sind 1 Million erwerbslos. Viele haben gesagt, dass die Einmischung der EU und der USA einen nachhaltigen Frieden zwi¬schen den verfeindeten ethnischen Gruppen im Kosovo eher behindert.
Aktuell ist zu hoffen, dass das unter dem Druck der EU zustande gekommene Abkommen zwischen Alba¬nern und Serben für Entspannung sorgen wird. Aller¬dings habe ich da meine Zweifel. Nach meinem Ein¬druck werden die Menschen im Nordkosovo auf absehbare Zeit nicht mit der Idee einverstanden sein, zu Priština statt zu Belgrad zu gehören; Herr de Maizière wies eben auch darauf hin.
Die für diese Woche geplante Gründung eines autono¬men Parlaments Nordkosovo bezeugt das. Aber auch na¬tionalistische Kräfte unter den Kosovo-Albanern lehnen das Abkommen ab, weil es ihnen gegenüber den Serben zu mild ist. Nach den Erfahrungen, die ethnische Min-derheiten im Kosovo seit 1999 machen mussten, sind die Ängste der Kosovo-Serben vor der Vertreibung nicht ganz unbegründet.
Der ethnische Nationalismus ist eines der Grundübel auf dem Balkan. Die Mehrheit im Bundestag hat dieses durch ihre Politik befördert. Rot-Grün hat 1999 die alba¬nisch-nationalistische UCK mit NATO-Bombern unter¬stützt. Die Geister, die Sie damals riefen, sollen nun jedes Jahr aufs Neue durch die neokolonialen Überwa¬chungsmissionen KFOR und EULEX unter Kontrolle gehalten werden.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Allerdings ist bislang nicht ersichtlich, dass diese Mis¬sionen die Konflikte entschärft hätten.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das hätte Karl-Eduard von Schnitzler nicht besser sagen können!)

Ein anderes Thema ist mir besonders wichtig: die schlimmen Folgen des Einsatzes von Uranmunition im Kosovo. Die Linke hat dazu einen Antrag vorgelegt, der die umfassende Ächtung dieser Waffe fordert. Die USA und Großbritannien haben beim NATO-Krieg 1999 auf dem Gebiet von Serbien und Kosovo massiv Munition mit abgereichertem Uran eingesetzt. Vor allem im Ko¬sovo ist die Munition bis heute nicht geräumt worden. Die Krebsraten steigen. Vor Ort wurde mir gesagt, dass KFOR den Behörden im Pristina davon abgeraten hat, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Die KFOR-Sol¬daten trinken das lokale, wahrscheinlich uranverseuchte Wasser nicht. Sie importieren ihr Wasser.
Gleichzeitig bestreitet die Bundesregierung den Zu¬sammenhang zwischen dem Einsatz von Uranmunition und Krebserkrankungen. Dabei liegen beängstigende Studien über steigende Krebsraten in den betroffenen Gebieten vor. Über 100 italienische KFOR-Soldaten
sind bereits an Krebs gestorben. Italienische Behörden erkennen als Grund dafür die Uranverseuchung im Ko¬sovo an. Die Bundeswehr hält sich in dieser Frage sehr bedeckt, aber es gibt Hinweise darauf, dass auch deut¬sche Soldaten betroffen sind. Die Linke fordert Sie auf, die Umstände zu klären und Maßnahmen zum Schutz der Soldaten und der Zivilbevölkerung einzuleiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Beispiel Uranmunition wird besonders deutlich, dass Krieg auch eine krasse Form der Umweltzerstörung ist. Die Linke lehnt Krieg und Umweltzerstörung ab. Wir fordern den Abzug aller Soldatinnen und Soldaten und eine friedliche Politik auf dem gesamten Balkan. Die Linke wird niemals ihre Zustimmung zu Auslands-einsätzen der Bundeswehr geben.

(Beifall bei der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Mourir pour Dantzig? Non“, hieß das mal!)