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Frieden lässt sich nicht herbeibomben

Rede von Inge Höger,

Wer andere Länder aufrüstet, der ist auch verantwortlich für die katastrophalen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn Öl ins Feuer gekippt wird.

Inge Höger (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Krieg ist kein Gesellschaftsspiel, … Nur die bedingungslose Abkehr vom Krieg überhaupt kann da helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sagte niemand anderes als Albert Einstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies sollte uns auch heute noch Verpflichtung sein. Leider erleben wir in Deutschland in den letzten 20 Jahren das genaue Gegenteil, nämlich eine Militarisierung der Außenpolitik. Die jüngste Bundeswehrreform hat das Ganze noch befeuert. Inzwischen werden Auslandseinsätze endgültig zum wesentlichen Aufgabenfeld der Bundeswehr erklärt. Das ist aus Sicht der Linken ein ganz gefährlicher Irrweg.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Rahmen von Haushaltskürzungen wurde bereits 2010 erklärt – Herr Willsch erwähnte es eben –, dass auch die Bundeswehr sparen solle, nämlich 8,3 Milliarden Euro. Die Umsetzung wurde bis heute Jahr für Jahr verschoben, immer auf das nächste Jahr. Auch in diesem Haushalt finden wir nichts, was auch nur annähernd mit Sparen zu tun hat. Stattdessen wurde der Militäretat erneut um 1,6 Milliarden Euro erhöht. Betrachtet man einen längeren Zeitraum, ist die Steigerung noch sehr viel deutlicher. Für 2012 sind Militärausgaben in Höhe von 33,3 Milliarden Euro eingeplant; im Jahr 2000 waren es noch 10 Milliarden Euro weniger. Das entspricht einer Steigerung von über 40 Prozent in zwölf Jahren. Nach den etwas ehrlicheren NATO-Zahlen plant die Bundesregierung im nächsten Jahr Militärausgaben in Höhe von 37 Milliarden Euro. Dieses Geld würde dringend für Bildung und Soziales oder Entwicklungshilfe gebraucht.

(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Das haben Sie schon bei Hartz IV verbraucht!)

Die Steigerungen lassen sich nicht mit steigenden Personalausgaben und Kosten für die Altersversorgung begründen. Im Jahr 2000 wurden mit 23 Milliarden Euro circa 300 000 Soldaten und 600 Bundeswehrstandorte finanziert. Heute wird für eine deutlich kleinere Armee mit 190 000 Soldaten und 390 Standorten deutlich mehr Geld gezahlt. Leider hat diese Verkleinerung der Bundeswehr nichts mit Friedenspolitik zu tun; sonst würden wir das sehr begrüßen. Wir erleben aber das genaue Gegenteil. Zukünftig sollen Auslandseinsätze die Priorität haben. Statt bisher circa 7 000 sollen mehr als 10 000 Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen. Genau diese Kriegs- und Besatzungseinsätze machen die Bundeswehr so teuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich halte wenig von der europäischen Rüstungsagentur. Es wäre besser, diese Institution abzuschaffen. Sie sollte durch eine Abrüstungsagentur ersetzt werden. Die europäische Rüstungsagentur hat aber interessante Zahlen gesammelt. Sie hat dokumentiert: Die Zusatzkosten für die Kriegs- und Besatzungseinsätze für jeden eingesetzten Soldaten haben sich allein in den vier Jahren von 2006 bis 2010 in etwa verdoppelt. Auch hier waren nicht die Personalkosten die wesentlichen Preistreiber. Es waren die immer teurere Ausrüstung, die entsprechend steigenden Wartungskosten, der höhere Munitions- und Treibstoffverbrauch.

(Otto Fricke [FDP]: Sie haben aber schon den Einzelplan 60 mit berücksichtigt?)

– Das ist alles im Einzelplan 14.

(Otto Fricke [FDP]: Eben nicht! Das ist nicht alles im Einzelplan 14!)

Die deutsche Militärpolitik produziert zahlreiche Verliererinnen und Verlierer:

(Ernst-Reinhard Beck [Reutlingen] [CDU/CSU]: Sicherheit, nicht Verlierer!)

die Menschen in den Einsatzgebieten, die Soldaten, die für diese Politik verheizt werden, aber auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die diesen Wahnsinn bezahlen müssen. Gleichzeitig produziert diese Politik aber auch Gewinner: Die Rüstungsindustrie profitiert massiv von der intensiveren und stärker technisierten Kriegsführung. Wenn zukünftig verstärkt Drohnen und weiteres Hightech-Kriegsgerät auch von der Bundeswehr beschafft und eingesetzt werden, sind weitere Kostenexplosionen zu befürchten. Statt immer neue Waffen zu beschaffen, fordert die Linke Frieden durch Abrüstung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Rüstungsproduktion für deutsche Streitkräfte und der Rüstungsexport hängen eng zusammen. Export macht die deutsche Kriegsführung preiswerter, da die Stückkosten für neues Kriegsgerät sinken. Der Ruf nach deutscher Kriegsbeteiligung in aller Welt, egal ob humanitär oder mit anderen Lügen begründet, fördert auch die entsprechende Rüstungsproduktion und den Rüstungsexport. So kann die Rüstungsindustrie weitere Profite machen. Auf der Gegenseite entstehen neue Krisen und Spannungen in aller Welt. Die neuesten Rüstungsexportzahlen sind erschreckend. Im letzten Jahr wurden deutsche Rüstungsexporte in Höhe von 5,4 Milliarden Euro genehmigt. 42 Prozent der Kriegswaffen werden in Länder außerhalb von EU und NATO exportiert. Ich bin erschrocken über die Rechtfertigung solcher Genehmigungen. Kanzlerin Merkel erklärte im letzten Jahr:
Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein.
Diese Merkel-Doktrin stützt sich entweder auf deutsche Soldaten oder auf deutsche Waffen. Dies hat katastrophale Konsequenzen. Gerade in der Nahostregion brauchen wir nicht noch mehr Waffen. Wir brauchen Abrüstungsinitiativen und eine Rückkehr der Diplomatie.

(Beifall bei der LINKEN)

Deutsche Waffen kommen auf dem Umweg über die Golfstaaten in den syrischen Bürgerkrieg. Deutsche Waffen befähigen die saudische Armee, bei Protesten in Bahrain zu intervenieren. Deutsche Waffen bestärken die israelische Regierung in ihrer Politik, die in erster Linie auf militärische Stärke setzt. Die verheerenden Folgen sehen wir zurzeit in Gaza. Wer andere Länder aufrüstet, der ist auch verantwortlich für die katastrophalen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn Öl ins Feuer gekippt wird.
Die Linke fordert eine Rückkehr zu einer Politik der Deeskalation und Versöhnung. Wir fordern ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr, den sofortigen Abzug aus Afghanistan und einen Ausstieg aus der Rüstungsproduktion sowie ein Ende der Rüstungsexporte. Frieden lässt sich nicht herbeibomben.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Jedes Jahr die gleiche Rede!)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. h. c. Jürgen Koppelin das Wort.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

[…]

Kollegin Höger, es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie außer dem Neuen Deutschland noch einige andere Zeitungen lesen würden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)