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Foto: Rico Prauss

Freie Berufe in die Gewerbesteuer einbeziehen - Für stabilere Kommunalfinanzen

Rede von Susanna Karawanskij,

2./3. Lesung: Einstieg in die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer – Freie Berufe in die Gewerbesteuerpflicht einbeziehen, Drs. 18/3838, 18/6396

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Mein Vorredner hat es gerade angesprochen: Die Frage der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ist zurzeit tatsächlich das größte Thema, über das in unseren Städten und Gemeinden diskutiert wird. Es treibt vor allen Dingen viele Bürgermeister und Landräte und natürlich auch die Kommunalpolitikerinnen und -politiker um. Da ist es nur richtig, dass der Bund hier verstärkt Verantwortung übernimmt und die Kommunen auch finanziell kräftig unterstützt werden. Es ist aber genauso wichtig, dass die Länder die entsprechenden Gelder an die Kommunen weiterleiten.

Wir brauchen Soforthilfen für die Kommunen. Da ist schon einiges getan worden; das erkennen wir an. Aber wir brauchen vor allen Dingen weiterhin Investitionsprogramme. Meines Erachtens ist es schon in Ordnung, wenn man bei langfristigen Investitionen die Belastung auf verschiedene Generationen überträgt und nicht alles gleich aus der Portokasse zahlt.

Wir Linke haben schon in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, dass die Gelder für die kommunale Familie, für die kommunale Ebene nicht reichen. Wir haben auch Vorschläge eingebracht. Es ist natürlich wahr, dass die Schere zwischen armen und reichen Kommunen auseinandergeht und dass es da Unterschiede gibt.

Natürlich stehen einige Kommunen ganz gut da. Aber es gibt natürlich auch einen Haufen verschuldeter Kommunen, die dann in einer Art Teufelskreis sind. Das Resultat sind letztendlich Substanzverzehr und Verfall.

Man muss sich einmal anschauen, auf welche Größenordnung sich der kommunale Investitionsstau beziffert. Mehrere Studien gehen davon aus, dass der Investitionsstau ein Volumen von 130 Milliarden Euro hat und die gesamte kommunale Verschuldung 135 Milliarden Euro beträgt. Das sind gigantische Zahlen. Jede zweite Kommune bzw. jede zweite größere Stadt – das muss man sich einmal vorstellen – befindet sich in Haushaltssicherungskonzepten. So geht die Schere zwischen armen und reichen Kommunen tatsächlich auseinander.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: In Nordrhein-Westfalen!)

Der Punkt ist doch, dass ein Großteil unserer Kommunen chronisch unterfinanziert ist.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: In Nordrhein-Westfalen vor allem!)

Das ist einfach ein strukturelles Problem. Die Gewerbesteuer ist nun einmal sehr schwankungsanfällig. Sie unterliegt den konjunkturellen Schwankungen sehr stark. Die Städte und Gemeinden können damit also nicht planen. Aus diesem Grund haben wir uns als Ziel gesetzt, die Gewerbesteuer stabiler und vor allen Dingen nachhaltiger zu gestalten,
(Beifall bei der LINKEN)

was letztendlich auch den Kommunen zugutekommt; sie können dadurch höhere Einnahmen generieren.

Unser Vorschlag lautet, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer mit einer breiteren Bemessungsgrundlage weiterzuentwickeln, sodass die Last auf mehr Schultern verteilt wird, ohne dass es unbedingt zu größeren Mehrbelastungen kommt. Angesichts der aktuellen Situation wären stabilere und höhere kommunale Einnahmen wünschenswert. Sie sind unverzichtbar, und ich hoffe tatsächlich, dass Sie Ihr Votum hier noch einmal überdenken und den vorliegenden Antrag als einen Einstieg in die Gemeindewirtschaftsteuer sehen, wodurch die finanzielle Situation der Kommunen letztendlich ein Stück weit entlastet werden würde. Dass Sie von der CDU/CSU mir jetzt zustimmen, erwarte ich gar nicht.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich möchte aber noch einmal für Verständnis bei Ihrem Koalitionspartner werben und auch noch einmal in Erinnerung bringen, wie lange schon diese Forderung im parlamentarischen Raum gestellt wird.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Sie sind vernünftig geworden, seit sie mitregieren!) – Lassen Sie mich doch ausreden. Sie haben doch genug Zeit, darauf zu reagieren.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte daran erinnern: 2003 haben der damalige Finanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bei der Gemeindefinanzreform eine Ausdehnung des Kreises der Gewerbesteuerzahler gefordert. Sie haben es sogar angekündigt. 2010 haben Sie selber einen Antrag gestellt.

Ich zitiere:
Das Kommunalmodell sieht eine zusätzliche Verbreitung der Bemessungsgrundlage durch eine nochmalige Erweiterung der Hinzurechnungen und durch eine Einbeziehung von Selbständigen und Freiberuflern in die Gewerbesteuerpflicht vor. Für die Angehörigen der freien Berufe führt dies zu keiner unzumutbaren Mehrbelastung, da sie ihre Gewerbesteuerzahlungen grundsätzlich mit der Einkommensteuerschuld verrechnen können.

Darum geht es letztendlich. Wir fordern zudem – Sie können weiter schimpfen, dass dies unzumutbar wäre – auch noch Freigrenzen von 30 000 Euro, wodurch wir die Freiberufler trotzdem zum Teil schützen und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit unterbinden wollen. Warum sollen sie auch nicht einbezogen werden? Sie nutzen das kommunale Eigentum bzw. die kommunale Infrastruktur ja genauso.

Noch eine kleine Erinnerung: Im SPD-Wahlprogramm von 2013 stand, dass es mit der Weiterentwicklung der Gewerbesteuer einen Investitions- und Entschuldungspakt für die Kommunen in Deutschland geben soll.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das interessiert aber keinen mehr! Das ist von vorgestern!)

Das grundsätzliche finanzielle Problem der Unterfinanzierung der Kommunen werden wir mit diesem Antrag sicherlich nicht abschließend beseitigen können; das ist uns auch bewusst. Wir bieten damit aber einen niedrigschwelligen Einstieg in eine stärkere kommunale Finanzautonomie, und das sollte allen Fraktionen hier im Hohen Hause ein dringliches Anliegen sein. Ich bitte um Ihre Zustimmung; das wäre doch einmal ein Anfang.

(Beifall bei der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Nein, das wäre das Ende, wenn wir zustimmen würden!)