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Frauenrechte sind Menschenrechte!

Rede von Hüseyin Aydin,

Rede zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Frauen stärken - Frieden sichern - Geschlechtergerechtigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit und der Konfliktbearbeitung vorantreiben“ (BT-Drucksache 16/10340) am 18. Dezember 2008 (zu Protokoll).

Männer tragen die Entscheidungen, Frauen tragen die Konsequenzen. Weltweit sind Frauen Krisenmanagerinnen. Jede Finanzkrise, jede Nahrungsmittelkrise, jeder kriegerische Konflikt, jede Hungerkatastrophe wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Denn die Frauen sind in der Regel für die Ernährung der Kinder, für die Wasserversorgung der Familien, für das Schulgeld der Kinder und für die Pflege der Familienmitglieder verantwortlich.

Frauen sind die ersten Opfer, wenn Profite über die soziale Wohlfahrt gesetzt werden. Bei steigenden Preisen lernen sie kunstfertig, die billigsten Nahrungsmittel zu ergattern, sich neue Rezepte auszudenken, zu nähen, zu basteln und zu sparen. Das ist in Deutschland übrigens ganz genauso. Frauen sind Krisenmanagerinnen auf Kosten von Freizeit, Karriere und ihrer Freiheit.

Wie ist die Situation der Frauen? Hier einige Zahlen: Weltweit sind 70 Prozent der Hungernden Frauen, sind 70 Prozent der Menschen in absoluter Armut Frauen, besitzen Frauen 10 Prozent des Einkommens, besitzen Frauen 1 Prozent des Eigentums, leisten Frauen 70 Prozent der unbezahlten Arbeit, machen Frauen 67 Prozent der Analphabeten aus, besetzen Frauen 10 Prozent der Parlamentssitze, haben Frauen 6 Prozent der Regierungsämter inne. Und in Deutschland? Verdienen Frauen 22 Prozent weniger als ihre Kollegen, sind von 533 Vorstandssitzen der 200 größten Unternehmen 11 von Frauen besetzt; das entspricht 2,4 Prozent.

Lange Zeit hat die Entwicklungszusammenarbeit der besonderen Rolle der Frau nicht Rechnung getragen. Zum Teil hat sie die Situation der Frauen sogar verschlimmert anstatt verbessert. Mit neuen Aufgaben in Projekten kam es nicht auf der anderen Seite zu einer Entlastung bei den häuslichen Pflichten. So bedeuteten neue Möglichkeiten und neue Verantwortungen manchmal einfach nur Mehrarbeit und mehr Zeit, die es nicht gab.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Der uns vorliegende Antrag der Grünen geht auf notwendige Veränderungen in der Entwicklungszusammenarbeit ein. Wir unterstützen die Stärkung der Menschenrechte von Frauen, wie in der UN-Konvention CEDAW gefordert, und wollen keine Verwässerung von Frauenquoten durch „freiwillige Verpflichtungen“. Die Einführung von wichtigen Instrumenten wie Gender-Budgets und Gender-Audits fördern eine geschlechtergerechte Verteilung von Haushaltsgeldern und Entwicklungsgeldern. Diese müssen jedoch auf allen Ebenen konsequent durchgeführt werden, auch auf der Seite der Geldgeber, von der Planung über die Durchführung über Monitoring bis hin zur Evaluation. Diese Forderungen sind nicht neu. Doch an der Implementierung scheitert es - natürlich, denn die entscheidenden Männer geben nur ungern Verantwortung und Positionen ab. Auch hier - oder vielleicht gerade hier - in Deutschland.

Doch geht es um mehr. Um die Geschlechterbeziehungen grundlegend zu verändern, müssen wir die Bedingungen des Marktes ändern. Der Neoliberalismus ist nicht geschlechterblind. Ganz im Gegenteil. Die Ungleichheit zwischen Mann und Frau in politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist sogar eine notwendige Voraussetzung für den Fortbestand der freien Marktwirtschaft - ebenso wie verschuldete Länder und Kreditgeber, ebenso wie Arbeitgeber und ein Heer von Arbeitslosen. Denn von den drei Rollen der Frau wird hier nur eine berücksichtigt: die produktive Form der entlohnten Arbeit.

Die reproduktive Arbeit, die Frauen leisten, wird weder entlohnt noch respektiert. Die Frau in ihrer Position als Mutter und Familienmanagerin ist unsichtbar. Doch macht diese Arbeit vor allem in Entwicklungsländern einen Großteil ihrer Lebenszeit aus. Auch hier in Deutschland leiden gerade Frauen unter Altersarmut, weil Erziehungszeiten nicht auf ihre Rente angerechnet werden. Die unbezahlte Arbeit von Frauen wird weltweit auf einen Wert von 11 Trillionen Dollar im Jahr geschätzt. In Neuseeland und Kanada macht die unbezahlte Frauenarbeit circa ein Drittel des Bruttoinlandprodukts aus. Die soziale Rolle der Frau, die ihre Verantwortung in der Gemeinde wahrnimmt und ihre Zeit ehrenamtlichen Aufgaben widmet, die sich um die Pflege der Großeltern kümmert, wird ebenso wenig honoriert.

Es geht auch anders. Genderquoten sichern den Zugang zu bezahlter Arbeit. In Frankreich ist gesetzlich vorgeschrieben, Wahllisten paritätisch und abwechselnd zu besetzten. Norwegen hat 2003 eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Sitze in allen Verwaltungsräten der 600 börsennotierten Unternehmen beschlossen. In Ruanda besteht das Parlament zu über 50 Prozent aus Frauen. In Bolivien hat die verfassungsgebende Versammlung eine Frauenquote in allen legislativen Körperschaften von 50 Prozent beschlossen. Mindestlöhne und soziale Sicherungssysteme sichern die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, auch bei Krankheit.

Wir unterstützen den Antrag der Grünen, in dem erneut die Umsetzung und Implementierung vieler schon lange existierender Resolutionen und Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit gefordert werden. Dafür brauchen wir auch einen grundlegenden Wandel der Wirtschaftspolitik und eine Neudefinition von Arbeit, auch in Deutschland.