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Frauenlohn darf nicht mehr Niedriglohn sein

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Frau Bundeskanzlerin hat zum Internationalen Frauentag eine Videobotschaft versandt.

Sie plauderte ein wenig über ihre Kindheitserinnerungen in der DDR und welche Blumen am 8. März sie ihrer Mutti schenkte.

Meine Damen und Herren der Koalition:
Was sind die Lieblingsblumen ihrer Kanzlerin?

Ich helfe Ihnen ein wenig: Es waren Freesien.

Besser wäre es in ihrer Videobotschaft gewesen, die Kanzlerin hätte weiter in die Geschichte zurückgeblickt und die Begründerinnen des Frauentages und ihre Motive benannt:

Es war die Arbeiterbewegung und ihre Vorkämpferinnen, allen voran Clara Zetkin.

Als im August 1910 in Kopenhagen die 2. Internationale sozialistische Frauenkonferenz beschloss, einen internationalen Frauentag durchzuführen, stellte sie zugleich klar,
ich zitiere:

„Es muss auch erkannt werden, dass der Weg zur Gleichstellung der Frau mit dem Manne nur durch die ökonomische Gleichstellung der Frau geschehen kann.“

Mehr als Hundert Jahre danach ist diese Forderung so aktuell wie damals.

Frauen erhalten 23 Prozent weniger Lohn als Männer.

Die Verdienstunterschiede in Deutschland sind damit so groß wie fast nirgends in Europa.

Und: Sie sind über die letzten Jahre auch noch gewachsen.

70 Prozent aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor sind Frauen.

Das kommt nicht allein daher, weil Frauen oft Teilzeit arbeiten.

Rund 7,3 Millionen Frauen arbeiten Vollzeit.
Von ihnen erhalten 2,5 Millionen einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle.

Das heißt: jede Dritte vollzeitarbeitende Frau ist davon betroffen.

Meine Damen und Herren der Koalition:


Lassen Sie sich bitte diese Zahl noch einmal auf der Zunge zergehen:

Jede dritte vollzeitbeschäftige Frau arbeitet zu Niedriglöhnen!

Es ist ganz klar:

Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn!

Und es ist ein Skandal, dass Union und FDP eine Regelung verweigern, die es in 20 von 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union gibt.

Und meine Damen und Herren,
das wäre auch ein großer Schritt in Richtung Entgeltgleichheit.


Natürlich reicht ein Mindestlohn nicht aus.

Schaut man sich die Ursachen für die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern an, da wird schnell deutlich:


Es geht zum einen um die direkte Diskriminierung, wenn Frauen am gleichen Arbeitsplatz in eine niedrigere Lohn bzw. Gehaltsgruppe eingestuft werden.

Dagegen kann und wurde schon erfolgreich geklagt. Wir fordern die Klagemöglichkeiten zu verbessern und dafür ein echtes Verbandklagerecht einzuführen.


Für die riesige Lohnlücke zwischen Frauen und Männern sind aber andere Faktoren noch viel entscheidender.


In den traditionellen Frauenbranchen wie dem Einzelhandel oder dem Friseurhandwerk wird deutlich schlechter bezahlt.

Hinzu kommt der hohe Anteil von Frauen in Teilzeit und Minijobs. Zu zwei Drittel sind die Lohnunterschiede aus diesen genannten Gründen zu erklären.

Aber statt dieses Problem anzugehen, hat die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre diese Situation noch mehr verschärft:


Mit den Hartz-Gesetzen wurden prekäre Beschäftigungsverhältnisse gefördert und der Niedriglohnsektor ausgebaut.

Vor allem die typischen Frauenbranchen sind davon betroffen.


Und deshalb ist zu befürchten:

Wenn es nicht zu einem Kurswechsel kommt, wird mit der steigenden Frauenerwerbstätigkeit sich diese Ungleichbehandlung verfestigen oder gar verstärken.

Bei diesem Punkt,
meine Damen und Herren der SPD,
hat ihr Antrag, leider eine Leerstelle.


Wir fordern:

Ein Entgeltgleichheitsgesetz,
das seinem Namen gerecht wird,
muss das Problem der prekären, niedrigentlohnten und unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigung angehen – denn dies ist eben weiblich geprägt.

Meine Damen und Herren,

nur mit einem Kurswechsel der Arbeitsmarktpolitik kommen wir dem Ziel der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern näher.

Die Wirtschaftsjournalistin Julia Dingwort-Nusseck,
sie war von 1976 bis 1988 Präsidentin der Landeszentralbank Niedersachsen,
also nicht links einzuordnen,
befürchtete zu Recht:

„Wenn es in dem bisherigen Tempo weitergeht, werden wir im Jahre 2230 den Zustand der Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht haben.“

Ich hoffe sehr liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese düstere Prognose nicht wahr wird.