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Frank Tempel: Mehr Videoüberwachung verhindert keine Anschläge

Rede von Frank Tempel,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ehemaliger Kollege, ein Polizeibeamter, hat mich vor wenigen Stunden gefragt, was es denn im Bundestag zu Mitternacht Wichtiges zu besprechen gibt. Meine Antwort: Ich habe sage und schreibe vier Minuten Zeit, um zu zwei Gesetzen zu sprechen,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Skandalös! – Gegenruf von der CDU/CSU: Wahlergebnis!)

die nach öffentlicher Verlautbarung mehr Sicherheit bringen sollen.

Das Fazit der nächtlichen Debatte ist auch schon klar – Herr Wendt, da werden Sie mir recht geben –: Wer dem Gesetz nicht zustimmt, ist gegen mehr Sicherheit, zumindest nach Auffassung der Regierungskoalition.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Kann man so sehen!)

Für die Fraktion Die Linke bleibt aber das entscheidende Kriterium: Bringen Ihre Vorschläge im Rahmen der Verhältnismäßigkeit tatsächlich mehr Sicherheit?

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Natürlich! Sonst hätten wir sie nicht gemacht!)

Dann würden wir auch zustimmen. Prüfen wir mal!

In der Problemstellung zum Videoüberwachungsverbesserungsgesetz – schöner Name! – beschreiben Sie:

"Terroristen und Straftäter nehmen für Anschläge auch hochfrequentierte öffentlich zugängliche Anlagen in ihren Fokus, um größtmöglichen Schaden anzurichten …"

So weit ist es richtig.

Als Ziel Ihres Gesetzes bezeichnen Sie dann, „solche potentiellen Schäden frühestmöglich zu verhindern.“ Weiter unterstreichen Sie deutlich, Sie wollten „die Sicherheit der Bevölkerung präventiv … erhöhen.“

(Günter Baumann [CDU/CSU]: Ja, richtig! – Marian Wendt [CDU/CSU]: Jawohl! Gut erkannt!)

So steht es in Ihrem Gesetzentwurf, und danach müssen wir ihn bewerten.

Erreichen wollen Sie das Ziel durch eine Verbesserung der Videoüberwachung.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Lachhaft! – Günter Baumann [CDU/CSU]: Als ein Baustein!)

Es gibt bereits solche Videokameras, und es gibt auch immer wieder Beispiele dafür, dass sie bei der Aufklärung von Straftaten geholfen haben – eben weil sie den Täter nicht von der Tat abgehalten haben, weil die Prävention in diesem Bereich versagt hat.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Die Aufklärung von Straftaten ist auch ein rechtsstaatlich wichtiges Thema!)

Terroristen wollen sogar häufig öffentliche Bilder haben, um ihre Taten verbreiten zu können.

Sie behaupten, Kameras wären ein präventives Mittel, um Anschläge zu verhindern, und das ist entweder inkompetent oder bewusst gelogen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Gefahrenabwehr machen sinnvoll postierte Kameras nur Sinn, wenn entsprechendes Personal die Gefahren live zur Kenntnis nimmt und entsprechende Maßnahmen einleiten kann. In der Regel gibt es aber genau dieses Personal nicht. Somit ist das im Gesetzentwurf genannte Ziel der verbesserten Prävention von Anschlägen mit Ihren Vorschlägen nicht zu erreichen. Der Gesetzentwurf ist daher als untauglich abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Zur Prävention sind die Kameras nicht geeignet.

(Günter Baumann [CDU/CSU]: Das sagt ein Polizist!)

Ich möchte auf einen zweiten Aspekt Ihres Gesetzentwurfs zu sprechen kommen. Ich habe ja gesagt: Wer Nein sagt, der braucht nach Ihrer Auffassung gar nicht prüfen, ob die Gesetze etwas taugen, sondern ist per se dagegen. – Das Gleiche gilt für die Bodycams. Wir haben ja in der ersten Lesung deutlich Gesprächsbereitschaft beim Thema Bodycams signalisiert. Weil das Gesetz im Grunde genommen etwas stümperhaft war, haben wir Ihnen ein paar Hinweise gegeben, woran man da arbeiten muss, um es tauglich zu machen.

Zum Beispiel ist leider nach wie vor die Gerichtsverwertbarkeit der Aufnahmen nicht gewährleistet. Die Frage der Manipulationssicherheit der Aufnahmen ist nach wie vor nicht geregelt. Der Beamte kann nach Ihrem Entwurf weiterhin selbst entscheiden, welchen Teil einer Situation er aufnimmt. Auch das ist gewissermaßen eine Art und Weise der Manipulation; denn der Verdacht wird immer im Raum stehen, dass mit diesen Teilaufnahmen tatsächliche Abläufe verzerrt werden könnten.

Sie, liebe Kollegen von der Regierungskoalition, möchten gern im Wahlkampf die Schlagzeile sehen, für mehr Sicherheit von Polizeibeamten gesorgt zu haben. Das ist aber genau das – –

(Zurufe von der CDU/CSU)

– Es ist wie im Innenausschuss: Immer dazwischenbrabbeln, aber nie etwas Gescheites dazugeben. Machen Sie doch die Gesetze besser. Dann brauchen wir Sie nicht ständig darüber zu belehren, was Sie machen müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Alle diese Punkte sind in der ersten Lesung eingebracht worden. Wir haben eine Anhörung dazu gemacht. Nicht einen einzigen Punkt haben Sie nachgebessert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Weil die Sachverständigen es unterstützt haben!)

Ihre Art und Weise, Gesetze zur inneren Sicherheit zu machen, ist genauso, als wenn Sie jemandem erzählen, dass Sie ihm schönes Haus bauen wollen, es aber dann, wenn er hineingeht, zusammenfällt, weil Sie gepfuscht haben. So geht es nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn es Ihnen mit der Sicherheit von Polizeibeamten und Bürgern ernst ist, dann machen Sie Ihre Hausaufgaben gründlich und lassen Sie uns gemeinsam beraten, wie man die Sache mit den Bodykameras besser regeln kann – sie können unter Umständen ja ein Mittel für mehr Sicherheit sein –, und über Personalstärken, Schutzausrüstung und vor allen Dingen auch ein besseres Deeskalationstraining für Polizeibeamte reden.

Bei so vielen fachlichen Defiziten müssen wir auch Ihren zweiten Gesetzentwurf leider ablehnen, weil er einfach stümperhaft ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Reden wir mal über Straftäter!)