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Frank Tempel: Es wurde nicht nichts gemacht, aber das ist zu wenig!

Rede von Frank Tempel,

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über E-Government reden, also über digitale Informationen und Leistungen vom Staat für den Bürger, steht nicht die Frage im Vordergrund, ob das grundsätzlich gut oder schlecht ist, sondern im konkreten Fall stellen sich die Fragen, ob sich daraus ein Nutzen für den Bürger ergibt und ob das ein Gewinn für den Verwaltungsablauf ist. Das sind die Fragen, die wir uns stellen müssen. Wir Linken sehen vor allem das Potenzial, das im E-Government steckt. Das muss dann aber auch zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger genutzt und gestaltet werden.

Wie eine solche Gestaltung aussehen kann, haben wir in einem Sondervotum – gemeinsam mit SPD und Grünen; so etwas geht – der Projektgruppe „Demokratie und Staat“ der Enquete-Kommission „Internet- und digitale Gesellschaft“ aufgezeigt.

(Beifall des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einige Punkte nennen.

Gesetze und Prinzipien des Datenschutzes und der Mitbestimmung der Beschäftigten müssen auf allen Ebenen verwirklicht werden. Die öffentliche Verwaltung muss für den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern verlässliche, transparente, demokratisch kontrollierte und umfassend interoperable Infrastrukturen anbieten. Es sollten offene Standards, zum Beispiel bei Dokumentenformaten, Signaturen oder Softwareanwendungen, eingesetzt werden. Im Idealfall wären das Standards ohne Patentrechte. Wenn Software entwickelt wird, ist auf eine breite Weiterverwendbarkeit zu drängen. Die Lizenzierung als freie Software bietet uns diese Möglichkeiten.

Die Ausschreibungen im Bereich E-Government haben soziale und technische Kriterien zu berücksichtigen, zum Beispiel die Innovationsfähigkeit des Netzes und die Stärkung der Grundrechte der Betroffenen. Außerdem darf der Monopolbildung von Anbietern kein Vorschub geleistet werden usw.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einer Unterrichtung der Bundesregierung vor fast zwei Jahren konnten wir folgende Vision entnehmen – ich zitiere –:

"Die Vision des E-Government ist, dass Informations-, Kommunikations- und Transaktionsprozesse zwischen Politik, Verwaltung, Bürgern und der Wirtschaft von jedem Ort, zu jeder Zeit und mit jedem Medium erfolgen können, und zwar schnell, einfach, sicher und kostengünstig."

Ein toller Satz!

Wir schauen nun, was mit dieser Vision passiert ist. Der Breitbandausbau ist wohl die wichtigste Voraussetzung, um digitale Angebote überhaupt nutzen zu können; darin sind wir uns einig. Während Großstädte dies meistens bereits haben, muss ich Ihnen leider sagen, dass auf dem Lande – ich komme von dort – die Kaffeemaschine häufig immer noch schneller als das Internet ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ganz nebenbei: Für junge Menschen und auch für Selbstständige – auch für Mittelständler – ist das übrigens ein Grund dafür, ländliche Regionen zu verlassen.

(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Welche Entwicklungen gibt es noch? Als die Linke mit einem Antrag hier im Haus ein Informations- und Transparenzgesetz forderte, wurde von der Großen Koalition groß angekündigt, den Entwurf eines Open-Data-Gesetzes vorzulegen. „Demnächst“ hieß es damals. „Demnächst“ ist meiner Ansicht nach längst vorbei. Wo ist dieser Gesetzentwurf? Für den Fall, dass Sie das doch noch in dieser Wahlperiode anpacken wollen, möchte ich Ihnen eine weitere Empfehlung aus dem Sondervotum der Opposition aus der Enquete-Kommission vorlesen. Dort steht:

"Dazu gehören auch Verträge der öffentlichen Hand, Public-private-Partnership-Verträge und andere Verwaltungsdokumente. Diese sollen jedermann zugänglich gemacht werden, wenn das öffentliche Interesse an einer Einsicht das berechtigte Interesse der Anbieter am Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen überwiegt. Das gilt insbesondere für die Unterlagen zu Vergabeverfahren, bei denen zum Teil hohe Haushaltsmittel verwendet werden. Dazu zählen beispielsweise auch Gutachten und Stellungnahmen, Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsanweisungen."

Das klingt zwar gut. Aber was haben wir bisher dazu? Derzeit gibt es das Portal govdata.de mit einem zentralen Zugang zu Verwaltungsdaten aus Bund, Ländern und Kommunen. Richtig gelungen ist aber auch das noch nicht. Erstens. Dieses Portal ist noch zu unbekannt. Zweitens. Erst 10 von 16 Bundesländern sind dabei. Drittens. Bisher ist der Umfang der eingespeisten Daten viel zu gering.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Wir sehen aber die Notwendigkeit für mindestens zwei weitere Portale im Bereich Infrastruktur: für Großprojekte in Verbindung mit digitaler Bürgerbeteiligung und zum Bundeshaushalt.

Im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gibt es weitere Anforderungen an die Gestaltung von E-Government, die aus unserer Sicht durchaus sehr sinnvoll sind. Dazu gehört unter anderem eine verpflichtende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei allen IT-Großprojekten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Da könnten alle klatschen. – Kontraproduktiv für das Vertrauen in E-Government sind deshalb die Pläne zur Schaffung einer Bundesbehörde, die wiederum Methoden entwickeln soll, verschlüsselte Kommunikation auszuhebeln, wie es der Innenminister angekündigt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sagen ja nicht, dass nichts gemacht wurde. Aber wir sagen, dass deutlich zu wenig gemacht wurde. Ideen für die Nutzung der Potenziale von E-Government liegen auf dem Tisch. Sie müssen nur aufgegriffen werden. Dazu habe ich einen Vorschlag: Stellen Sie sich zur Motivation einfach vor, Sie würden mit E-Government die Deutsche Bank retten. Schon wird das mit dem Tempo kein Problem mehr sein.

(Beifall bei der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: So wie die Kaffeemaschine!)