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Forderungen des Bildungstreikes sind absolut berechtigt und müssen endlich umgesetzt werden

Rede von Rosemarie Hein,

DIE LINKE wird sich gegen den Privatisierungstrend von Schwarz-Gelb in der Bildung stemmen



Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In einem sind sich die Streikenden in den Hochschulen mit der Regierung tatsächlich einig: Um Bildungsarmut den Kampf anzusagen, bedarf es einer nationalen Anstrengung. Die Studierenden leisten mit ihrem Streik gerade einen Beitrag dazu. Allerdings würden sie lieber gut studieren können

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Meinhardt, es wäre sehr schön gewesen, wenn Sie beim Thema geblieben wären und darüber geredet hätten, was die Studierenden bei ihrem Streik bewegt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist mitnichten so, dass die ersten Länder, in denen gestreikt wurde, Berlin und Brandenburg gewesen wären. Zuerst wurde in Heidelberg und auch in Österreich gestreikt. Es war also auf jeden Fall woanders und nicht dort, wo Sie es uns eben weismachen wollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Streikenden haben eine andere Vorstellung als die Regierung davon, was nötig ist, um die extreme Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Hintergrund der Lernenden endlich zu beenden. Da können Sie uns entgegenschleudern, was Sie wollen, Herr Kretschmer, das bleibt auch so. Studienplätze müssen nämlich ausfinanziert werden. Das ist derzeit nicht der Fall.

Seit dem Bildungsgipfel 2008 gibt es eine Verständigung auf die ominösen 10 Prozent, 7 plus 3 heißt die Formel. Das war nicht immer die einheitliche Meinung, weder bei der CDU/CSU noch ‑ meines Wissens ‑ bei der FDP.

In der Koalitionsvereinbarung steht nun, dass Bildung zukünftig eine gesamtstaatliche Aufgabe sein soll. Es wundert mich schon sehr, wie Sie diese staatliche Aufgabe definieren. In Ihrer Vereinbarung steht: Die Länder, die Wirtschaft und die Privaten sollen ihre Beiträge auf 10 Prozent anheben. - Das ist sehr seltsam. 10 Prozent wovon denn bitte? Seit wann sind Wirtschaft und Private staatliche Einrichtungen? Das habe ich anders gelernt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Viertel aller Bildungsausgaben wird tatsächlich durch Private geleistet. Nur sind damit eben nicht nur die Unternehmen gemeint, die für die Fort- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten aufkommen. Das wäre ja zu akzeptieren. Nein, hier geht es auch um die Mittel, die für private Nachhilfe aufgewendet werden, und die sind inzwischen erheblich. Bei allem Respekt: Die massenhafte Notwendigkeit von Nachhilfe ist ein Ausweis dafür, dass das öffentliche Schulwesen seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden kann. Das muss Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Konsequenz, die die Regierung aus dieser Tatsache zieht, ist fatal. Mit der Betonung des privaten Engagements für die Bildung soll ‑ ich hätte fast gesagt: durch die Hintertür; aber das stimmt nicht, das geschieht ganz offen ‑ eine weitere Privatisierung der Bildungskosten gesellschaftsfähig gemacht werden. Dieses Gesellschaftsfähigmachen heißt: Bildungssparen. Sie liegen sehr falsch, wenn Sie glauben, dass damit für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt würde. Das Bildungssparen, das wurde hier schon gesagt, nutzt vor allem denen, die sparen können. Wie viel Geld jemand auf die Seite legen kann, hat etwas damit zu tun, wie viel er verdient. Wer viel Geld hat, kann viel auf die Seite legen, wer Hartz IV bekommt, nichts.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Kinderhilfswerk stellt in seinem jüngsten Kinderreport fest, dass sich die Zahl der von Armut betroffenen Kinder inzwischen bei 3 Millionen einpendelt. Es sind also nicht 1,7, 1,8 oder 2,5 Millionen, sondern 3 Millionen Betroffene. Denen ist mit Bildungssparen überhaupt nicht geholfen, aber gerade die brauchen Hilfe.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Rechnung ist eine Milchmädchenrechnung. Mit ganzen 12 Milliarden Euro, verteilt auf vier Jahre, wollen Sie die Peinlichkeit des völlig unterfinanzierten Bildungssystems in Deutschland kaschieren. Die Länder bringen längst 50 Prozent aller Ausgaben für Bildung auf. Der Bund hat im Jahr 2005 ‑ aktuellere Zahlen sind im Bildungsbericht leider nicht zu finden ‑ gerade einmal 8,5 Prozent aufgebracht. Auch wenn Sie 3 Milliarden Euro jährlich drauflegen, hat das noch lange nichts mit gesamtstaatlicher Verantwortung zu tun. In Sachsen-Anhalt, dem Land, aus dem ich komme, machen die Ausgaben für Bildung und Forschung zusammen inzwischen 16 Prozent des Gesamtetats aus. Der entsprechende Einzelplan des Bundes liegt bei weniger als 5 Prozent. Frau Schavan, angesichts dessen ist Ihr Verweis auf die Länder gewagt. Sie rufen: „Haltet den Dieb!“ und schauen dabei auf die Länder, obwohl der Bund gefragt ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Föderalismusreform ist ein Flop. Das wissen Sie wahrscheinlich schon längst. Ihr Bildungskonzept schreibt die Entsolidarisierung der Gesellschaft fort, frei nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist auch an jeden gedacht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

So wird es dabei bleiben, dass ein Akademikerkind eine sechsmal höhere Chance hat, das Abitur zu machen, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Selbstzufriedenheit, wie Sie sie hier gerade demonstriert haben, ist da wirklich fehl am Platze.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir werden die Streikenden weiter unterstützen; wir können sie gut verstehen. Wir werden sie darin bestärken, in ihrem Protest nicht nachzulassen, bis Vernunft in die Politik einzieht. Doch ich habe die Befürchtung, dass das noch eine ganze Weile dauern wird.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)