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Fluglärmgesetz verschafft Anwohnern keine wirksame Entlastung

Rede von Lutz Heilmann,

Anlässlich der ersten Beratung eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen (Drs. 16/508) kritisierte Lutz Heilmann dieses Gesetz als unzureichend. Einerseits führe dieses Gesetz nicht zu weniger Fluglärm, da es ein reines „Schallschutzfenster-Fördergesetz“ sei. Zum anderen seien auch die Grenzwerte nicht ausreichend, um einen echten Lärmschutz der Anwohner durchzusetzen. Die Kosten dafür seien aber vergleichsweise gering, so dass durchaus deutlich nachgebessert werden könne.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird leider nicht immer gut. Seit Jahrzehnten wird über die Novellierung des Fluglärmgesetzes gesprochen. Rot-Grün hat sieben Jahre lang angekündigt, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Jetzt dürfen wir im Bundestag über diesen Gesetzentwurf debattieren. Eine lange Lagerung führt zwar meist zu einem guten Wein, nicht aber zu einem guten Gesetzentwurf. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein reiner „Schallschutzfenster-Fördergesetzentwurf“. Kein einziger Flughafen wird dadurch leiser und kein Anwohner wird wirklich vom Fluglärm entlastet. Dieser Gesetzentwurf ist ein reiner Erstattungsgesetzentwurf, in dem die Zahlungen der Flughäfen an die Anwohner geregelt werden. (Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen fordern Sie ja auch einen Flughafen in Neuhardenberg! Sagen Sie dazu auch mal etwas! Der dortige Bürgermeister von den Linken ist da ja ganz vorne mit dabei!) Wenn wir über Fluglärm reden, dürfen wir aber nicht nur über Schallschutzfenster oder technischen Fortschritt sprechen. In der Tat würde zwar das einzelne Flugzeug wenn auch zu langsam, so aber doch kontinuierlich leiser. Gleichzeitig würde sich jedoch die Anzahl der Flüge verdoppeln, in Deutschland in etwa alle 20 Jahre. Die Folge wäre, dass der Fluglärm insgesamt deutlich zunehmen würde. Noch dramatischer sind die Klimafolgen des Flugverkehrs: Er ist auf dem besten Weg, zum Klimakiller Nummer eins zu werden. So überstiegen die Klimafolgen des Luftverkehrs bereits im Jahre 2000 die der weltweiten PKW-Flotte. Der Anteil des Flugverkehrs am globalen Treibhauseffekt beträgt bereits 9 Prozent; die Tendenz ist steigend. Aufgrund massiver Subventionen sind im Luftverkehr sehr hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Gleichzeitig allerdings schädigt er die Umwelt am meisten. Daher fordern wir den Abbau aller Subventionen für den Flugverkehr. (Beifall bei der LINKEN) Denn der Abbau der Subventionen würde selbst nach der niedrigsten Berechnung jedes Jahr mehr Geld einbringen als das Fluglärmgesetz in den nächsten zehn Jahren an Kosten verursacht. Noch immer gibt es keine Kerosinsteuer, noch immer zahlt der internationale Luftverkehr keine Mehrwertsteuer und noch immer werden die Billigflieger von Flughäfen massiv subventioniert. All dies ist nicht länger hinnehmbar. Denn im Gegensatz dazu sind in den Ticketpreisen der wesentlich umweltfreundlicheren Bahn Mineralölsteuer-, Stromsteuer- und Mehrwertsteuerzahlungen enthalten. (Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Richtig! Das ist der entscheidende Punkt!) Allein diese Bestandteile kosten die Kunden oft mehr als ein Flugticket. Wir hoffen, dass die EU ihre Planungen hinsichtlich der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel nun umsetzt und dass die Bundesregierung dieses Vorhaben aktiv unterstützt. Werte Kolleginnen und Kollegen, das Fluglärmgesetz bringt einige Verbesserungen für die betroffenen Menschen. Es ist aber bei weitem nicht ausreichend. Für wirklichen Lärmschutz müssten echte Grenzwerte eingeführt werden, die nicht überschritten werden dürften. (Beifall bei der LINKEN) Diese würden die Flughafenbetreiber zwingen, aktive Maßnahmen zur Senkung des Fluglärms durchzuführen, zum Beispiel Beschränkungen für laute Flugzeuge und Nachtflugverbote. Leider schafft der vorliegende Gesetzentwurf keine rechtliche Grundlage für Nachtflugverbote. Die gewählten Grenzwerte für die Tagschutzzonen sind nicht ausreichend. Ein wirksamer Gesundheitsschutz der Anwohner ist somit nicht gewährleistet. An einigen Flughäfen der Minister sprach es an wurden in letzter Zeit Grenzwerte für den Schallschutz festgelegt, die strenger sind als die, die im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf enthalten sind. In der Praxis sind niedrigere Grenzwerte also machbar. Die vorgesehenen Grenzwerte führen, wie der Minister richtig sagte, zu Mehrkosten von umgerechnet maximal 1 Euro. Ich bin mir sicher, unsere und auch Ihre Wähler zahlen gerne auch 2 Euro pro Flugticket mehr. Ja, mehr kostet ein anspruchsvoller Gesundheitsschutz im Flugbereich nicht. (Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)) Die vorgesehene Einführung einer Nachtschutzzone sehe ich zwar als eine deutliche Verbesserung an, die hierfür vorgeschlagenen Grenzwerte sind aber noch zu hoch. Statt des Wertes von 50 dB (A), der überdies erst ab 2011 gelten soll, muss schnellstmöglich ein Grenzwert von 45 dB (A) angesetzt werden. Nur so kann garantiert werden, dass Anwohnern Schlafstörungen erspart bleiben. Eine Übergangsregelung bis 2011 widerspricht doch dem gesunden Menschenverstand. Übergangsfristen von bis zu 13 Jahren für den Anspruch auf Schallschutz verhöhnen die Betroffenen, die teilweise seit Jahrzehnten auf eine Minderung der Lärmbelästigung warten. Ich empfehle allen Schöpfern dieser Regelung, in die Nähe eines Flughafens zu ziehen. (Beifall bei der LINKEN) Dort können Sie einen Praxistest durchführen; ich wünsche Ihnen ein gutes Durchhaltevermögen. Die Festsetzung der Tagschutzzone 2 hat fast keine rechtlichen Konsequenzen. Wir fordern deswegen, dass wie in der Tagschutzzone 1 Erstattungssysteme eingeführt werden. Die Bauverbote in Schutzzonen werden durch viele Ausnahmeregelungen ausgehebelt. Statt die Bebauung einzuschränken, werden die Baumöglichkeiten mit diesem Gesetz sogar ausgeweitet. Damit entfällt ein wesentlicher Vorteil des Fluglärmgesetzes für die Flughafenbetreiber, die zu Recht darauf hinweisen, dass viele der heute von Lärm Betroffenen in die Nähe eines bestehenden Flughafens gezogen sind. Die so genannte 100/100-Regelung zur Messung des Fluglärms ist im Gegensatz zum Referentenentwurf des BMU von 2004 entfallen. Die stattdessen vorgeschlagene Sigma-Regelung wird bei der Lärmmessung zu bis zu 4 dB (A) niedrigeren Nominalwerten führen. Die Folge ist, dass die Schutzzonen um bis zu 30 Prozent kleiner ausfallen. Da sich die FDP-Fraktion in ihrem Antrag explizit gegen die Anwendung der 100/100-Regelung ausspricht, können wir diesem nicht zustimmen. Zum Antrag der Grünen. Auf Dauer werden Sie Ihren Spagat zwischen Regierung und Opposition nicht durchhalten. Die niedrigeren Lärmgrenzwerte für Militärflughäfen sind sachlich nicht zu begründen. Die Differenz von 3 dB (A) hört sich zwar wenig an, entspricht aber einer Verdoppelung des Verkehrs. Anwohner von Militärflughäfen haben außerdem nur einen Anspruch auf Schallschutzfenster, Anwohner von Zivilflughäfen hingegen haben zusätzlich einen Anspruch auf Belüftungsanlagen. Herr Minister, da Sie auf die Kommunalpolitiker hinweisen, würde ich gern erwähnen, dass viele Kommunen vom Tourismus leben, auch in meiner Gegend, um Lübeck, wo regelmäßig Tiefflüge auf der Tagesordnung stehen. Ich bitte, in der Debatte über das Gesetz darauf noch einmal zu sprechen zu kommen. Die Bevorzugung von Militärflughäfen soll einzig den Bundeskriegsminister (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) wohl gesonnen stimmen, dem der Schutz der heimischen Bevölkerung anscheinend wenig am Herzen liegt und der das Geld eher für kriegerische Einsätze der Bundeswehr benötigt. Werte Kolleginnen und Kollegen, über diese und andere Regelungen des Gesetzentwurfs werden wir im Ausschuss sicher ausführlich beraten. Ich verspreche Ihnen, dass wir uns dabei massiv für den Schutz der Lärmbetroffenen einsetzen werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.