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Flächenverbrauch wirkungsvoll verringern - Natur erhalten

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede von Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN „"Flächenverbrauch wirkungsvoll reduzieren" (Drucksache 17/6502) am 20. Oktober 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages.

Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland immer noch erschreckend hoch. Das Ziel einer Reduzierung des Flächenverbrauchs auf 30 ha pro Tag liegt in weiter Ferne, ist jedoch im Hinblick auf die ökologischen Konsequenzen in naher Zukunft nach unserer Meinung unbedingt umzusetzen. Gerade deswegen ist dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rundherum zuzustimmen, wenn auch einige Ansatzpunkte noch weiter ausgebaut und weitere Planungs- und Steuerungsinstrument hinzugefügt werden müssen.

Voraussetzung für eine strategische Planung ist eine einheitliche Normierung der Terminologie. Denn was ist eigentlich gemeint mit Flächenverbrauch? Sprechen wir von einer Umnutzung natürlicher Flächen und dem Neubau von Siedlungen und Infrastruktur? Flächenverbrauch meint hier Flächenversiegelung, agrarwirtschaftlich genutzte Flächen gelten dem Antrag der Grünen zufolge nicht als Verbrauchsflächen. Im Bezug auf großflächige Monokulturen stellt sich allerdings die Frage nach der Gültigkeit dieser Definition.

Auch objektive Maßstäbe hinsichtlich der Kategorisierung von Flächen fehlen zu weil, sind allerdings als einheitliche Planungs- und Bewertungsgrundlage zwingend notwendig. Derzeit obliegt die Flächenbewertung den jeweiligen Kommunen. So gilt der ehemalige Truppenübungsplatz in Kommune A als Brachfläche, während Kommune B denselben aufgrund seines natürlichen Erscheinungsbildes und fehlender Altlasten als Naturfläche klassifiziert. Dadurch entsteht Kommune A ein deutlich größerer Bestand an potenziellen Renaturierungsflächen bei gleicher Ausganslage. Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer einheitlichen Terminologie und damit verbundenen gemeinsamen Bewertungsmaßstäben.

Die aktuelle Gesetzeslage sieht die Schaffung von Ausgleichflächen im Gegenzug zum Flächenverbrauch vor. Doch nur die Schaffung von Ausgleichsflächen ist hierbei nicht genug. Im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE wird gefordert, dass alle nicht privilegierten Vorhaben im Außenbereich nur zulässig sein sollen, wenn an einer anderen Stelle der Gemeinde Flächen entsiegelt und renaturiert werden. Das befürwortet DIE LINKE. Die Renaturierung und Entsiegelung ist ein wesentlich besseres Planungs- und Steuerungsinstrument unserer Meinung nach, als die bloße Schaffung von Ausgleichsflächen und muss aufgrund dessen viel stärker in den Fokus kommunaler Planung gerückt werden. Für jedes Bauvorhaben, jeden Flächenverbrauch sollten im Gegenzug wenn vorhanden andere Flächen entsiegelt und renaturiert werden.
Auch die öffentliche Förderung muss sich viel stärker auf Brachflächen fokussieren bevor neue Flächen versiegelt werden. Trotz einer stagnierenden Bevölkerungszahl nimmt das Siedlungswachstum weiterhin zu. Damit nimmt die Flächenversiegelung zu. Die Nutzung bereits versiegelter und brachliegender Flächen, sprich, eine effiziente Flächennutzungspolitik und Konversion von Flächen muss somit viel mehr in den Vordergrund gestellt werden als neuen Flächenverbrauch zuzulassen.

So kann auch dem Deutschen Bauernverband (DBV) seine Sorgen um den Schutz und Erhalt landwirtschaftlicher Böden genommen werden. Denn die Art und Weise der Reduzierung des Flächenverbrauches ist dabei ausschlaggebend. Der Ausgleich von Flächen darf nicht zu Kosten der Landwirtschaft gehen. Bei Schaffung von Ausgleichsflächen nach Ausweisung eines Gewerbegebietes verliert die Landwirtschaft nicht nur Produktionsfläche, sondern soll gleichzeitig auch noch Fläche für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Verfügung stellen. Ein Beispiel: Um die neuen Reihenhäuser wird eine artenreiche Hecke gepflanzt und weil dies aber noch nicht ausreicht um den Eingriff angemessen auszugleichen, wird in der Nähe noch ein Ackerrandstreifen angelegt. Auf allen drei Flächen kann der Bauer nicht mehr ackern. Der Grundsatz muss also gelten, wie auch vom DBV gefordert, dass bei Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen durch Siedelung und Verkehr an anderer Stelle eine gleichgroße Fläche entsiegelt und zur Verfügung gestellt werden muss. Bodenschutzgebiete mit einer hohen Bodenqualität müssen ausgewiesen und unter besonderen Schutz gestellt werden. Gleichzeitig sollte durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht auch noch auf die Agrarfläche zugegriffen, sondern möglichst gebündelt im Rahmen kommunaler Ökokonten Entsiegelungen und Dekontamination vorgenommen werden, z.B. auch innerhalb eines Stadtgebietes als „grüne Lunge“.

Um solche Ziele zu schaffen, müssen neben gesetzlichen Regelungen auch Anreize da sein; Anreize den Flächenverbrauch oder vielmehr die Flächenversiegelung zu reduzieren und schon versiegelte Flächen besser zu nutzen.
Ein mögliches Instrument zur Beeinflussung der Nachfrage ist zum Beispiel die Anpassung der Grunderwerbssteuer, so dass der Erwerb von Brachflächen finanziell lohnender ist, als der Erwerb zuvor ungenutzter Flächen. Tatsächlich ist sogar der Wegfall der Grunderwerbssteuer für Brachflächen, insbesondere Flächen in Nähe des Siedlungskerns, vorstellbar. Für bereits versiegelte Flächen wird damit ein viel höherer Kaufanreiz gesetzt als für Naturflächen im Außenbereich.

Dagegen gilt die Anpassung der Grundsteuer, wie im Antrag von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN gefordert, unter Experten als ungeeignetes räumliches Steuerungsinstrument. Die Grünen fordern eine Reform der Grundsteuer, die mehr Steuergerechtigkeit schafft und Fehlanreize zum Flächenverbrauch vermeidet. Da die Grundsteuer als Vermögenssteuer jedoch auf potenzielle Mieter umgelegt werden kann, beeinflusst sie dadurch nicht die Ausweisung neuer Siedlungsgebiete, sondern vielmehr die Miete in den bereits besiedelten Gebieten. Als Anreiz-Instrument für einen geringeren Flächenverbrauch ist damit die Grunderwerbssteuer zu reformieren.

Eine weitere Anreizmöglichkeit ist die Belohnung von Gemeinden über den kommunalen Finanzausgleich für eine niedrige Neuversiegelunsquote. Grundlage dafür ist wie schon vorher erläutert, eine einheitliche Klassifizierung und Terminologie über auszuweisende Flächen.

Es geht hier nicht darum, Wirtschaftswachstum und Entwicklung einzugrenzen oder zu stoppen. Aber der Flächenverbrauch innerhalb Deutschlands ist immer noch zu hoch um ökologisch hinnehmbar zu sein. Gerade dem Trend, eine reichliche Verfügbarkeit preisgünstiger Flächen in wirtschaftlich schwachen Gebieten zu suggerieren muss entgegengewirkt werden. Bereits im Jahre 2009 hat die Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt einen umfangreichen Bericht mit Empfehlungen zur konsequenten Flächenverbrauch-Reduzierung herausgebracht. Bis jetzt ist die Bundesregierung darauf aber nicht eingegangen, geschweige denn hat sie entsprechende Maßnahmen eingeleitet.