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Finanzkrise muss Anlass zum Umsteuern sein

Rede von Roland Claus,

Rede von Haushaltsausschussmitglied Roland Claus in der Debatte zum Haushalts 2009 des Bundesministeriums für Wirtschaft am 19. September 2008

Roland Claus (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es ist hochinteressant, Sie hier über die Zustände an den internationalen Finanzmärkten urteilen zu hören. Begriffe wie „Gier“, „diese Typen“ und „Wildwestmentalität“ hören wir schon mit Interesse. Ich will Sie nur daran erinnern, mit welchen Zwischenrufen Sie solche Kritiken, wenn sie denn aus unserer Fraktion kamen, bislang belegt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Stiegler hat heute eine Haltet-den-Dieb-Rede gehalten!)

Ich glaube, die größte Fehleinschätzung, Herr Bundesminister Glos, haben Sie mit den Worten getroffen: Es war eine Krise. - Ich muss Sie daran erinnern, Herr Bundesminister Glos: Sie sind der Chef des Verwaltungsrates der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau.

(Beifall bei der LINKEN)

Die halbe Bundesregierung sitzt darin: Herr Steinbrück, Herr Tiefensee, Herr Steinmeier.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Herr Lafontaine! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oskar!)

- Bei dem Namen Lafontaine geht Ihnen offenbar jedes Urteilsvermögen ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Erstens können Sie nicht einem Mitglied von 34 die Verantwortung zuweisen.

(Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)

Zweitens hat gerade Herr Lafontaine Ihnen hier oft genug bewiesen, dass er völlig andere Schlussfolgerungen aus der Situation gezogen hat als Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das hier ist natürlich ein maßgebliches Syndrom.

(Ulrike Flach (FDP): Er ist noch nicht einmal anwesend! Wo ist er denn?)

Deshalb hätten wir erwartet, Herr Bundesminister, dass Sie über „diese Typen“ bei den Bankern nicht nur sinnieren, sondern dass Sie über Ihre Verantwortung als aufsichtführendes Gremium sprechen. Dazu sagten Sie aber kein Wort. Das werden wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau gebraucht. Es gibt eine ganze Reihe von Mittelstandsprogrammen, über die hier bereits geredet wurde; ein Beispiel ist das Gebäudesanierungsprogramm. Die Verluste der KfW schmälern das Fördervolumen. Da können Sie doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen!

Sie meinen wohl, dieses Problem mit einer pauschalen Kapitalismuskritik, mit einer Kritik der Finanzmärkte übergehen zu können. Ich muss Ihnen sagen: So werden Sie dieses Problem nicht lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

So kann Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht weitergehen.

Wenn Sie in dieser Woche wirklich nicht aus dem Bundestag herausgekommen sein und nicht wahrgenommen haben sollten, welch tiefe Enttäuschung und welche Empörung über diese Zustände in der Bevölkerung herrschen, dann verwechseln Sie den Bundestag mit dem wirklichen Leben.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese tiefe Enttäuschung treffen Sie natürlich auch in Bayern an. Natürlich können Sie vor der bayerischen Landtagswahl in der nächsten Woche Ihre Sprüche machen. Aber ich frage Sie: Wo fing das Elend der aktuellen Finanzsituation denn an? Haben Sie etwa schon vergessen, was bei der Bayerischen Landesbank geschehen ist? Ich sage Ihnen: Die Bayerinnen und Bayern haben das nicht vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bundesminister Glos, eine radikale Kursänderung wäre notwendig. Ihr Etat ist aber ein Etat des schlichten „Weiter so“. Wir können Sie nur auffordern, wirkliche Veränderungen herbeizuführen und nicht nur die Aufsicht ein bisschen zu verbessern.

Vielleicht können Sie dabei auch aus den Erfahrungen in den Regionen lernen. In meinem Wahlkreis hat die Linke einen Antrag gestellt, in dem es heißt, Körperschaften des öffentlichen Rechts, zum Beispiel Abwasser- und Abfallzweckverbände, sollten nicht spekulieren; diesen Antrag haben CDU und Linke im Kreistag beschlossen. Ich sage Ihnen: Das ist ein öffentliches Signal, von dem die Bundesregierung jede Menge lernen kann.

(Beifall bei der LINKEN - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha! Interessant! CDU und Linke! - Dr. Rainer Wend (SPD): CDU und Linke gemeinsam? Na, so etwas! Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Sie beschwören in Ihren Reden gerne die Förderung des Mittelstands, wir auch. Dafür haben Sie ein neues Zauberwort erfunden: Zentrales Mittelstandsprogramm, ZIM. Darüber haben wir schon in den Haushaltsberatungen im vorigen Jahr geredet. Sie haben gesagt, Sie wollen alles neu ordnen und eine Förderung aus einer Hand betreiben. Das hört sich super an. Ich habe dann die schlichte Frage gestellt, welche Telefonnummer diese Einrichtung hat. Nach einem halben Jahr habe ich darauf eine Antwort bekommen.

Als ich Ihre Verlautbarungen zu Ihrem Einzelplan gelesen habe, dachte ich, ich könne meinen Augen nicht trauen. Darin heißt es, das am 1. Juli 2008 gestartete Programm würde viele Segnungen mit sich bringen. Von diesem Programm haben Sie schon in den letzten Haushaltsberatungen geredet. Sie haben es bis zum Sommer dieses Jahres aber nicht geschafft, es auf den Weg zu bringen. Das ist Augenwischerei. Das ist keine Förderung des Mittelstands.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss muss ich Ihnen sagen: Auch hinsichtlich der Förderung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern ist Ihr Etat eine Fehlanzeige. Die CDU meint in ihrem Grundsatzpapier, das Wesen der Ostförderung erkannt zu haben. Sie schreiben, dass die Lohnstückkosten ein Standortvorteil sind. Damit meinen sie niedrige Lohnstückkosten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Einer Politik, die meint, dem Osten mit Niedriglöhnen zu helfen, geben die jungen Leute eine Antwort: Abwanderung. Dort, wo es im Osten aufwärts geht, haben wir auch vernünftige Löhne. Ziehen Sie daraus endlich den richtigen Schluss, und beenden Sie Ihre unselige Politik!

(Beifall bei der LINKEN)