Zum Hauptinhalt springen

Fast 3 Jahre Hartz IV - Lohndrückerei, Arbeiten zum Hungerlohn, Ausgrenzung und Armut

Rede von Elke Reinke,

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!

Seit fast drei Jahren ist das menschenunwürdige Hartz-IV-Gesetz in Kraft und wird an lebenden Personen ausprobiert.
Es wurde von SPD und Grünen euphorisch eingeführt, durch CDU/CSU und SPD massiv verschärft; wenn die FDP könnte, würde sie die Daumenschrauben für die Erwerbslosen noch fester anziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was hat es den Menschen gebracht, dieses tolle Gesetz? Genau das, wovor Linke, Sozialverbände, Gewerkschaften, Erwerbslose und die Montagsdemos Sie eindringlich gewarnt haben:

Lohndrückerei, Arbeit zum Hungerlohn, Ausgrenzung und Armut.

Schon in der vergangenen Sitzungswoche hat es meine Fraktion, DIE LINKE, gewagt, unter anderem wegen der enormen Preissteigerungen wenigstens eine Anhebung der sogenannten Grundsicherung von 347 Euro auf 435 Euro zu fordern.

Fast durchgängig reagierten Sie mit Beleidigungen, mit unerträglicher Überheblichkeit oder Ignoranz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anhebung der Regelsätze fordert nicht nur die Linke. Auch Sozialverbände, Gewerkschaften und soziale Bewegungen verlangen umgehend eine Erhöhung.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst die Grünen als Mitverursacher dieser Verarmungswelle haben wohl begriffen, dass menschenwürdige Existenz viel mehr ist als rein körperliches Überleben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, die Anhebung der Regelsätze kostet Geld, aber das Geld ist sogar da.
Verzichten Sie einfach auf Ihre üppigen Steuergeschenke ab 2008!
Sorgen Sie dafür, dass Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz mit Leben erfüllt wird! Darin heißt es nämlich: "Eigentum verpflichtet“.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben über 2,5 Millionen arme Kinder in Deutschland. Aber Sie tun nichts. Sie sind nicht bereit, die Regelsätze anzuheben, um Armut zu lindern. Ja, Sie wollen einmal prüfen, ob da vielleicht etwas geht, so ab Frühjahr 2008 oder 2009.

Aber die Erhöhung der Diäten von uns Abgeordneten halten Sie in dieser Situation für angemessen. Ohne Bedarfsprüfung haben Sie diese von einer Woche auf die andere durchgedrückt. Mit 350 Euro haben wir ab 2008 circa so viel zusätzlich, wie Sie einer Einpersonenbedarfsgemeinschaft im Monat zum Überleben zugeteilt haben.

Ich finde, das ist unverschämt und an Zynismus nicht zu überbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht mal zu einer Weihnachtspauschale von 40 Euro für Hartz-IV-Betroffene konnten Sie sich durchringen.

(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Sie stellen auch keinen Antrag zum Haushalt dazu!)

Herr Straubinger, Sie erzählten uns in Ihrer Rede am 15. November, dass mit der momentanen Regelsatzhöhe ein menschenwürdiges Leben möglich sei und dass die Koalition die Chancen der Menschen "großartig" verbessert habe.

Wenn es so wäre, wie kommt es dann, dass sich die Zahl der armen Kinder seit Einführung von Hartz IV verdoppelt hat, dass Suppenküchen und Wärmestuben aus den Nähten platzen, dass Tafeln und Kleiderkammern Hochkonjunktur haben und die Wohnungslosigkeit zunimmt?

Und Sie, Herr Haustein, Sie plappern hier wiederholt von Sonderbedarfen wie Kühlschrank oder Waschmaschine, die einfach so auf Antrag verteilt werden. Das ist absoluter Blödsinn!

Seit Hartz IV sind die einmaligen Beihilfen Geschichte. 1,39 Euro pro Monat sieht der Regelsatz für einen Kühlschrank vor. Das heißt, man muss acht Jahre sparen, um sich einen Kühlschrank für 135 Euro leisten zu können. Sie sollten Ihr Supergesetz endlich einmal lesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Empfehlung richte ich auch an einige Angestellte der Bundesagentur für Arbeit.

Es wird immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, unabhängige Sozialberatungsstellen zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Vorschlag: Besuchen Sie statt des x-ten parlamentarischen Abends von Wirtschaftslobbyisten doch einfach einmal Selbsthilfevereine der Erwerbslosen.

Letzte Woche haben mich die Erwerbslosen in Merseburg, Sachsen-Anhalt, gebeten, Sie dazu einzuladen.

Liebe Hartz-IV-Gutfinder im Saal, versuchen Sie, sich das einmal vorzustellen: Ihr Kind hat nach über 100 Versuchen einen Ausbildungsplatz ergattert, und Sie müssen von der Ausbildungsvergütung, die Ihr Kind erhält, mit durchgefüttert werden. - Ich glaube, das übersteigt Ihre Vorstellungskraft.

Viele Betroffene meinen auch, Abgeordnete sollten einmal ein Jahr von Hartz IV leben müssen, um zu begreifen, was es heißt, überflüssig zu sein:

Offenbarungseid, Sanktionen, Existenzangst, Sozialschnüffler in der Wohnung, Verzweiflung, Resignation, traurige Kinderaugen, Armut, Hunger und Krankheit.

(Zuruf von der FDP: Das ist in der DDR gewesen! Genau das!)

Nein, meine Damen und Herren, auch Ihnen wünsche ich ein solches Leben nicht.

Ich fordere Sie auf: Tun Sie endlich etwas! Ihre Politik geht auf Dauer nicht gut. Sie gefährden mehr und mehr den sozialen Frieden im Land.

Dass Sie Ähnliches befürchten, zeigte unter anderem die Reaktion von Frau Connemann auf unseren Antrag, das Recht auf politischen Streik in das Grundgesetz aufzunehmen. Ich zitiere aus der Rede von Frau Connemann:
"Ein Druck - durch wen auch immer - darf nicht auf uns ausgeübt werden."

Wovor fürchten Sie sich? Haben Sie Angst vor dem eigenen Volk?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)