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Exzellenzinitiative - die richtige Therapie?

Rede von Petra Sitte,

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

man möchte meinen, im Lande sei eine neue Therapieform entwickelt worden - die Exzellenztherapie oder auch Exzellenzinitiative. Mit deren Hilfe sollen langfristig Universitäten, Fachhochschulen, vielleicht bald auch Kunsthochschulen oder auch einzelne Leistungen der Einrichtungen wie Forschung, Lehre, Weiterbildung, Lehramtsausbildung und anderes mehr von ihren Schwächen befreit werden.

Bevor man so etwas befürwortet, sollte man erst einmal einen genauen Blick auf die Wirkungsweise, die Risiken und Nebenwirkungen der bereits laufenden Exzellenzinitiative für die Universitäten werfen: Mit der aktuell laufenden ersten Runde der Exzellenzinitiative können Universitäten dieses Landes auf einen zusätzlichen Schub durch erhebliche Fördermittel aus dem Bundeshaushalt und den Länderhaushalten rechnen. Einrichtungen, die mit ihrem „Zukunftskonzept“, „Exzellenzcluster“ und/ oder ihrer „Graduiertenschulen“ den Exzellenzkriterien entsprechen konnten, sind nunmehr in die so genannte Bundesliga der Spitzenuniversitäten aufgestiegen. Harvard, Stanford, die ETH Zürich und andere Eliteuniversitäten sollen das große Vorbild sein. Gemessen an den zu erlangenden Mitteln in der deutschen Bundesliga, spielen die erwähnten Eliteuniversitäten mit ihren Etats auf intergalaktischen Ligen.

Erheblich sind die Fördergelder also ausschließlich nach bundesdeutschen Maßstäben. Und da liegt bereits das Problem. Bevor man - wie B’90/Grüne und FDP - meint, die Exzellenzinitiative nun als durchgängiges Prinzip - also sowohl für die Lehre als auch für die Fachhochschulen - einführen zu müssen, sollte der Rahmen innerhalb dessen das Prinzip verortet wird, eingeblendet werden: Diese Exzellenzinitiative wird innerhalb eines Hochschulsystems aufgelegt, welches in Gänze hoffnungslos unterfinanziert ist. Insofern erhalten auch die glücklichen Sieger nur eine solche Finanzspritze, mit denen sie ihre Hochschulhaushalte auf „Normal“ fahren könnten. Dafür aber sind die Mittel eben nicht einsetzbar! Sie beziehen sich auf konkret in Anträgen konzipierte Projekte und sind daher auch ausschließlich für diese zu verwenden. Dass das für eine Universität eine ganz wertvolle Bereicherung ist, soll überhaupt nicht bestritten werden. Sie geben der Entwicklung ganz sicher neue Impulse. Allerdings werden andere Bereiche der Hochschulen an ihrer Situation nicht wirklich etwas ändern können. Sie kränkeln weiter vor sich hin. Gleiches gilt erst recht für rund 100 andere Universitäten, die überhaupt keinen Erfolg mit ihren Bewerbungen hatten.

Zeitgleich zu dieser Exzellenzinitiative, die also vergleichsweise nur wenigen Hochschulen und nur wenig ausgewählten Projekten zu Gute kommt, wird zwischen Bund und Ländern der Hochschulpakt 2020 verhandelt. Dieser soll nach der Föderalismusreform seinerseits Mittel in einer Höhe in das Hochschulsystem einspeisen, die abermals deutlich unter den Berechnungen von Wissenschaftsorganisationen, wie der Hochschulrektorenkonferenz oder dem Wissenschaftsrat, bleibt. Es wird sich demzufolge in absehbarer Zeit nichts an der Unterfinanzierung ändern. In diesem Kontext stellt sich zwangsläufig die Frage, was bringt dann die Exzellenzinitiative dem Gesamtsystem? Wem ist innerhalb dieses Systems wirklich geholfen? Die Studierendenvertretungen haben die Exzellenzinitiative abgelehnt, weil sie - zu Recht wie wir finden - einen verstärkten Ausdifferenzierungsprozess der Hochschulen befürchten. Bereits jetzt besteht ein Nord-Süd-Gefälle.

Die ostdeutschen Hochschulen haben innerhalb der Exzellenzinitiative eine völlig marginale Rolle gespielt. Hochschulen dieser Länder werden infolge der demografischen Entwicklung erheblich unter Rechtfertigungsdruck geraten, wenn sie sich einer Absenkung von Studienkapazitäten und Mitteln widersetzen. Die besonders unterfinanzierten Geistes- und Sozialwissenschaften, die Lehramtsausbildung und Weiterbildung haben kaum Berücksichtigung gefunden. Stattdessen werden Natur- und Ingenieurwissenschaften überproportional gefördert.

Länder, deren Hochschulen deutlich über den eigenen Bedarf ausbilden, müssen Mittel für Studium und Lehre einsetzen, die andere Länder mittels restriktiver Schulpolitik und konsequenter Begrenzung von Aufnahmekapazitäten ihrer Hochschulen für Forschung einsetzen können. Fazit: Wer hat, dem wird gegeben. Und wer zu wenig hat, der wird auch noch bestraft. Deshalb ist es so wichtig, dass die Exzellenzinitiative nicht vom Hochschulpakt und seinen Folgen abgekoppelt wird. Der Hochschulpakt muss eine Lösung für die ostdeutschen Länder und für Länder, die über eigenen Bedarf ausbilden, beinhalten. Wenn das nicht gelingt, wird ein weiteres Auseinanderdriften der Hochschulen nicht zu verhindern sein.

Es ist nicht hinnehmbar, dass man bald in völliger Normalität von reichen und armen Hochschulen, von erstklassigen Forschungs- und zweitklassigen Lehruniversitäten spricht! Notwendig ist eine transparente und öffentliche Debatte zu Voraussetzungen, die langfristig allen Hochschulen eine Chance gibt, sich in Studium, Lehre und Forschung zu profilieren. Die Exzellenzinitiative hätte es in dieser Form nicht geben müssen, wenn es eine verlässliche, ausreichende Finanzierung gegeben hätte. Dabei wären Kriterien, wie sie der FDP-Antrag in Beziehung auf die Fachhochschulen benennt, ein Anfang, um Mittel ganz gezielt zu vergeben. Diese Kriterien müssten ergänzt werden.

Es gehören Möglichkeiten des Wechsels von Fachhochschulen zu Universitäten, die Durchlässigkeit zwischen Bachelor- und Masterausbildung, Nachwuchsförderung, geschlechterspezifische Förderangebote u.a.m. dazu. Sockelfinanzierung und leistungsbezogene Komponenten böten Förderung in der Breite ohne Gleichmacherei und ohne so genannte Gieskanne. Wenn wir den Ansatz Exzellenzinitiative jetzt auf Fachhochschulen übertragen, dann bleibt außer Acht, dass es in einigen Ländern gerade Fachhochschulen waren, die in den vergangenen Jahren die Rolle der „Sparschweine“ vieler Finanzminister übernehmen mussten.

Aber auch die Einführung einer Exzellenzinitiative für die Lehre nach Vorstellung von B’90/Grüne wäre nur ein Herumdoktern, das aber die Löcher in der Breite nicht zu schließen vernag. Nötig ist eine Debatte über gerechtere Voraussetzungen, gesetzliche Rahmen, finanzielle Bedingungen, personelle Ausstattungen, Beschäftigungschancen des wissenschaftlichen Nachwuchses und anderer Beschäftigter im wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Bereich von Hochschulen.

Die Stärke des deutschen Hochschulsystems - das heißt die Einheit von Forschung und Lehre - droht verloren zu gehen. Wollte man dem Kassenpatienten aus dieser Situation jeweils mit Exzellenzinitiativen heraushelfen, man käme zwangsläufig an den Punkt, dass es nicht selektive oder punktuelle Initiativen sind, die nachhaltig wirken. Nötig ist eine Hochschul- und Wissenschaftspolitik, die sich aus Länderegoismen durch einen tragfähigen Gesamtansatz befreit.