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Extraprofite von AKWs und Kohlemeilern besteuern!

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Rede der Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter, Fraktion DIE LINKE zur Plenarsitzung am 11. November 2010 - Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Sabine Stüber, Ralph Lenkert, Barbara Höll und der Fraktion DIE LINKE - Extraprofite von Atom- und Kohlekraftwerksbetreibern abschöpfen - BT-Drs. 17/3673

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

letzte Woche ging durch die Presse, dass RWE noch in diesem Jahr die Hälfte der 193 Brennelemente des Atomkraftwerks Biblis B austauschen will. Es ist leicht durchschaubar, worum es dabei geht: Der Konzern will schlicht die Brennelementesteuer umgehen, die zum 1. Januar 2011 in Kraft tritt. Denn sie gilt nur für solche Brennelemente, die neu eingewechselt werden. Es liegt förmlich auf der Hand, dass RWE nun frühzeitig neue Stäbe einsetzen will, um die Steuer zu umschiffen. RWE spart dadurch 280 Millionen Euro. Kein Wunder dass andere Atomkonzerne nun ähnliches vor haben.

Würde die Besteuerung der AKWs nach dem Konzept unseres Antrags durchgeführt, wären solche Schlupflöcher geschlossen. Allerdings wollen Union und FDP sie wohl gar nicht schließen. Schließlich war die Bundesregierung frühzeitig über das Vorhaben von RWE informiert - zwei Wochen, bevor das Kernbrennstoffsteuergesetz hier im Haus durchgepeitscht wurde. Zudem hätte Schwarz-Gelb eine Bremse gegen Vorzieheffekte einbauen können, wie bei der neuen Flugticketsteuer geschehen. Diese wird nämlich rückwirkend zum 1. September eingeführt, dem Tag des Kabinettsbeschlusses. So soll vermieden werden, dass sich Reisende noch schnell mit steuerfreien Flügen fürs nächste Jahr eindecken.

Ohnehin ist die von der Regierung vorgesehene Abschöpfung von Sondergewinnen aus der Laufzeitverlängerung ein Witz. Nach Berechnungen des Öko-Instituts kassieren die Atomkonzerne zusätzlich zwischen 58 Mrd. Euro und 94 Mrd. Euro. Hinzu kommen Finanzerträge aus den Rückstellungen für den Rückbau und die Entsorgung der Atomkraftwerke bzw. der abgebrannten Brennelemente in Höhe von zirka 20 Mrd. Euro. Nach den Plänen der Bundesregierung soll nur weniger als die davon Hälfte abgeschöpft werden, vieleicht auch nur ein Drittel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, sie haben mit der Laufzeitverlängerung nicht nur gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung agiert und eine Energiepolitik ins gestern eingeleitet. Sie schustern den Atomkonzerne dabei auch noch Dutzende Milliarden zu. Somit stärken sie auch über die Steuerpolitik die Marktmacht der „Großen Vier“ und behindern so eine zukunftsfähige Energieversorgung!

Die so genannten „windfall profits“, um die es hier geht, gibt es nicht erst seit der Laufzeitverlängerung. Sie sind ein grundsätzliches Problem, auch für fossile Kraftwerke. Und zwar seit der Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems im Januar 2005. Seit dem preisen die Stromversorger die Marktpreise der CO2-Emissionsberechtigungen als Opportunitätskosten in die Strompreise ein. Dies tun sie unbeschadet der Tatsache, dass 91 Prozent der Zertifikate an die Kraftwerksbetreiber kostenlos zugeteilt wurden.

Auf diese Weise erzielen die Energieversorger jährliche Sondergewinne in Milliardenhöhe, welche die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Stromrechnung bezahlen. Darauf hat die LINKE seinerzeit als erste Partei aufmerksam gemacht. Seit dem haben wir immer wieder Änderungen angemahnt, etwa eine windfall-profit-tax. Passiert ist aber nichts. Selbst den anderen Oppositionsparteien war dies lange Zeit egal, aus welchen Gründen auch immer.

Verschärft wird das Problem dadurch, dass am durch die Zertifikatskosten erhöhten Strompreis nicht nur Betreiber von Kohle- oder Gaskraftwerken verdienen. Gleichfalls profitieren davon Betreiber von Atomkraftwerken, obwohl ihre Anlagen überhaupt nicht emissionshandelspflichtig sind. Schließlich setzten die laufenden Kosten jenes Kraftwerks den Handelspreis für alle Börsengeschäfte am Elektrizitätsmarkt, welches als letztes noch benötigt wird, um die aktuelle Stromnachfrage zu bedienen. Dieses Kraftwerk ist in der Regel ein Steinkohle- oder Gaskraftwerk; beide preisen den jeweils aktuellen CO2-Handelspreis in ihr Angebot ein. So steigen auch bei Atomkraftwerken durch den nunmehr höheren Strompreis die Einnahmen.

Aus den genannten Gründen wollen wir mit unsrem Antrag all jene windfall profits vollständig kassieren, die aufgrund der Preiseffekte des Emissionshandels anfallen. Egal ob nun bei Kohlekraftwerken oder Atommeilern.

Gleichzeitig will ich klarstellen, dass die LINKE für die Atomkraft den unverzüglichen Ausstieg fordert. Wir wollen uns also nicht mit den Verhältnissen anfreunden, etwa weil dann noch irgendwelche Steuern flössen. In unserem Antrag geht es vielmehr unabhängig von der Laufzeitverlängerung darum, Extraprofite der Energieerzeuger zu kassieren, die diese leistungs- und risikolos einstreichen. Und dies wollen wir mit drei Sondersteuern erreichen: zwei für Betreiber von Atomkraftwerken und eine für Betreiber emissionshandelspflichtiger Anlagen der fossilen Stromwirtschaft.

Die erste Atomsteuer dient direkt zur Abschöpfung der windfall profits. Sie soll 2 Cent je kWh Atomstrom für das Jahr 2011 betragen. In den Folgejahren soll sie an die Preisentwicklung für Emissionsberechtigungen angepasst werden. Denn zwischen den Handelspreisen der Zertifikate und der Höhe der Extraprofite besteht ein enger Zusammenhang.

Zusätzlich wollen wir bei jedem Atomkraftwerk jährlich eine Steuer von 100.000 Euro pro Megawatt Nettokapazität erheben. Damit sollen sich die AKW-Betreiber an den volkswirtschaftlichen Kosten beteiligen, welche die Atomkraft der Gesellschaft aufbürdet.

Für Betreiber von emissionshandelspflichtigen fossil befeuerten Kraftwerken sehen wir im Jahr 2012 ebenfalls eine Steuer zur Abschöpfung der windfall profits vor. Und war für jedes zugeteiltes Zertifikat in Höhe des durchschnittlichen Zertifikatspreis des Vorjahres. Ab 2013 erübrigt sich dann das Problem für die fossilen Kraftwerke, denn ab diesem Zeitpunkt werden die CO2-Zertifikate laut EU-Recht versteigert, und nicht mehr verschenkt.

Für die kostenlose Vergabe hatte sich Deutschland in der EU seinerzeit ganz besonders stark gemacht, sowohl unter Rot-Grün, als auch unter der großen Koalition. Insofern ist die LINKE tatsächlich die einzige Partei, die sich konsequent gegen den Missbrauch dieses Klimaschutzinstrumentes gewendet hat. Ich lade sie darum alle dazu ein, nunmehr wenigstens etwas gegen die Auswüchse in Form der Extraprofite zu unternehmen: Stimmen sie einfach unserem Antrag zu.

Herzlichen Dank.