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Es ist Zeit für eine ganz neue Kulturpolitik der Bundesregierung

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Kultur ist eine unverzichtbare Investition. Diesen Satz hören wir immer wieder. Wir hören ihn natürlich immer wieder sehr gerne an dieser Stelle.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): So ist es! Weil er richtig ist!)

Der Kulturetat ist nicht gekürzt worden. Es wäre aber auch noch schöner, wenn ausgerechnet an der Kultur gespart würde, wo wir doch den ganzen Tag

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Es war so ein schöner Tag!)

von Ihrer Seite gehört haben, dass es Deutschland so gut geht: Deutschland das Vorbildland, Deutschland die Vorzeigegesellschaft.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Nicht wie in Frankreich!)

Das Beispiel Frankreich, verehrter Herr Kollege und verehrter Herr Staatsminister, halte ich für äußerst unfair. Es ist ein Bumerang, der auf Sie zurückgeht. Der sozialistische Präsident muss jetzt in der Nachfolge einer bürgerlichen Regierung, die falsch gewirtschaftet hat, sparen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Er spart auch an der Kultur.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist ein Bumerang, der auf Sie zurückgeht. Das werden Sie eines Tages noch sehen.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Es ist ein Bumerang, was die Linken tun! So gehen die Linken mit der Kultur um!)

Ganz bewusst stellen wir heute, in der Zeit der Schuldenberge und in dieser besonderen Situation, die Frage nach dem Stellenwert der Kultur. Was soll denn in genau diesen Zeiten unser Fundament sein, uns Rückhalt geben, eine Anleitung zum Weitermachen sein, wenn nicht die Kultur? Wenn ich mir allerdings die Kulturpolitik des Bundes von 2009 an in Ihren Großprojekten anschaue, dann frage ich mich, ob die Kultur gefördert und geschützt wird, die diesen existenziellen Anforderungen gerecht wird: die Festspiele in Bayreuth,

(Christoph Poland (CDU/CSU): Wunderbar!)

die ruinöse Schlossbaustelle, das goldene Freiheits- und Einheitsdenkmal,

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Sehr gut!)

der neueste Millionenunsinn auf der Museumsinsel - der Kollege Ehrmann hat das ausführlich beschrieben

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Wer ist da gegen den Fortschritt?)

und die unsägliche Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. All das sind übrigens Projekte, die durch Privatinteressen ausgelöst wurden

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Angeregt wurden!)

und nach deren Nutzen für die Allgemeinheit zu fragen ist.

Fangen wir mit Bayreuth an. Dem florierenden Familienkulturunternehmen, das Abgaben an die Künstlersozialkasse und an die Sozialversicherungen nicht geleistet hat und dem Parlament keinerlei Einsicht in seine Bücher erlaubt, zahlen wir pro Jahr 2,3 Millionen Euro.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Für die Kunst, nicht für die Familie!)

Vor Jahren begann der Bund diese Förderung, um Wagner für alle zu ermöglichen. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Solange sich das Unternehmen jeder parlamentarischen Kontrolle entzieht, sollten die öffentlichen Gelder gestoppt werden. Das ist unsere Forderung!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Der Bundesrechnungshof hat sich darum gekümmert!)

Machen wir mit dem sogenannten Schloss weiter. Vor Jahren ist eine Privatinitiative aufgetaucht, die sich verpflichtet hat: Wir bringen Ihnen 80 Millionen Euro an Spenden ein, wenn Sie eine schöne Staatskulisse mitten ins Herz von Berlin bauen.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ja, sie sind doch dabei!)

Von den 80 Millionen Euro ist bis heute kaum etwas zu sehen. Der Palast der Republik wurde abgerissen, 25 Millionen Euro wurden bereits verbaut, die Zahlung weiterer 100 Millionen Euro steht bevor, und noch immer weiß niemand genau, was in dem Ding präsentiert werden soll. Computeraufnahmen von der Kantine im Keller sind jetzt allerdings im Umlauf, und 1 Million Euro zahlen wir jährlich extra für ein Labor, das neuartige Ausstellungsideen entwickeln soll. Das Ergebnis ist bisher unbekannt.

Kommen wir zum neuesten Coup: Das Sammlerehepaar Pietzsch bietet Berlin seine Bilder als Schenkung an,

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Beispielgebend! Das ist einmalig in dieser Form!)

und schon haben wir in diesem Jahr 10 Millionen Euro, um in eine gewaltige Um- und Neubauorgie auf der Museumsinsel einzusteigen. Die Alten Meister werden erst einmal weg- und die moderne Kunst wird hingehängt, und es gibt einen zusätzlichen Neubau.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Mut zu Neuem!)

Schließlich komme ich zu der vom Bund der Vertriebenen und seiner Präsidentin durchgesetzten Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“,

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Das Parlament wollte die Stiftung auch!)

die für die Planung einer Ausstellung nunmehr im dritten Jahr 2,5 Millionen Euro bekommt, eine Stiftung, in der nach wie vor nur Wissenschaftler aus Polen und Ungarn vertreten sind, aber weder Wissenschaftler aus Tschechien noch aus der Slowakei noch aus dem übrigen Osteuropa, eine Stiftung, in deren Gremien nach wie vor weder der Zentralrat der Juden noch Roma und Sinti vertreten sind, obwohl die deutschen Juden ja wohl die ersten deutschen Vertriebenen waren und die deutschen Roma und Sinti die nächsten.

Sind das Kulturinvestitionen, die wir in dieser Zeit brauchen?

(Christoph Poland (CDU/CSU): Unbedingt!)

Immer wieder habe ich an dieser Stelle den Vorschlag gemacht, kulturelle Bildung und kulturelle Infrastruktur machtvoll zu fördern.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Das passiert doch auch!)

Wir müssen antizyklisch vorgehen: mehr Zuwendung für Kultur in Zeiten von Einsparungen und nicht weniger.
Die SPD hat in ihrem Kreativpakt jetzt einen sehr charmanten Vorschlag gemacht. Zehn Städte und Regionen sollen je 10 Millionen Euro erhalten analog zum Hauptstadtkulturfonds. 100 Millionen Euro mehr für die Kultur: Das wäre ein richtiger, mutiger Schritt.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Die Länder sind gut beraten, da mitzumachen!)

Eine neue Kulturpolitik muss betrieben werden, vielleicht sogar ausgehend von den Ideen der Opposition.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))