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Es ist unser Credo, internationale Konflikte nicht durch Militär zu lösen

Rede von Norman Paech,

Dr. Norman Paech (DIE LINKE) in der Vereinbarten Debatte des Bundestages zur Operation ALTHEA

"Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wenigen Wochen, die wir uns jetzt im neuen Bundestag mit der Außenpolitik beschäftigt haben, sind ganz vom Militär und vom Geheimdienst bestimmt worden. Sie kennen ja nun allmählich unsere Allergie gegen diese Themen,

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Allergien helfen Histaminmittel!)

sodass es Sie nicht überrascht haben wird, dass wir auch den Abzug der deutschen Truppen aus Bosnien und Herzegowina fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir halten Militärmissionen zur Befriedung und zum Aufbau eines Staates trotz dessen, was Herr Erler und Herr Stinner hier an Erfolgen der bisherigen Missionen genannt haben, für überhaupt nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der LINKEN)

Als vor zwölf Monaten die SFOR-Mission durch die Operation Althea abgelöst wurde, hat man nicht etwa ein neues Kapitel aufgeschlagen, sondern man vertraute bei der Stabilisierung eines Staates immer noch auf den militärischen Weg. Damals hat die Bundesregierung Althea als sozusagen erste Militärmission der EU gefeiert. Schon damals konnten wir nicht mitfeiern. Denn Bundesregierung und Bundestag haben eines überhaupt nicht berücksichtigt.

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Herr Paech, vielleicht geht es nicht um Sie, sondern um die Menschen dort! - Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

- Ja, genau darum geht es; darauf werde ich eingehen. - Die wirtschaftliche und soziale Situation der Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor äußerst miserabel. Bosnien-Herzegowina ist immer noch, trotz aller Erfolge, weit von dem entfernt, was wir ein friedliches und demokratisches Land nennen können. Doch in einer Hinsicht hat sich die Lage in Bosnien-Herzegowina seit dem Daytoner Friedensabkommen von 1995 in der Tat entscheidend verändert: Gefahr für den Friedensprozess geht heute nicht mehr von militärischen Konfrontationen und bewaffneten Strukturen aus. Im Rahmen des Althea-Mandats wurde die Bundeswehr aber noch damit beauftragt - ich zitiere -,

die ehemaligen Kriegsgegner und andere bewaffnete Gruppen von der Aufnahme erneuter Feindseligkeiten und Gewalttaten abzuschrecken. Es geht aber nicht mehr um die Trennung solcher bewaffneter Kriegsparteien. Das Althea-Mandat hat nichts mehr mit dem zu tun, was das Land braucht.

Die Sicherheit der Menschen dort ist zuallererst durch das gefährdet, was wir als mafiöse Strukturen und organisiertes Verbrechen bezeichnen: Zwangsprostitution, Menschen-, Drogen- und Waffenhandel. Das sind die realen Gefahren, die die Menschenrechte und die demokratische Entwicklung in diesem Land heute bedrohen. Diese Probleme lassen sich aber nicht durch Militärpräsenz lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben während der Feiern zum 10. Jahrestag das durch die Straßen Sarajewos flanierende Militär gesehen. Das hat nichts mehr damit zu tun, dieses Land zu stabilisieren. Das Militär gerät höchstens selber in die Gefahr, in diesem mafiösen Sumpf mit zu versinken. Man braucht andere Waffen als Panzer.

Das organisierte Verbrechen ist immer so stark, wie die zivile Gesellschaft schwach und die wirtschaftliche Lage katastrophal ist; denn dann sind auch die staatlichen Institutionen schwach. Das ist das Problem Bosnien-Herzegowinas. Die katastrophale wirtschaftliche und soziale Situation in diesem Land schürt Konflikte, die dann immer wieder ausbrechen. Diese werden - das sei nur nebenbei bemerkt - nicht durch die liberalen Konzepte von Deregulierung, Privatisierung und Entstaatlichung behoben, wie sie die EU aktuell vorschlägt.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Einschätzung der Situation entspricht übrigens den Analysen renommierter internationaler Organisationen wie auch der Lageeinschätzung des Bundesverteidigungsministeriums. Das Internationale Institut für Strategische Studien in London hat Bosnien bereits aus seiner Armed Conflict Database herausgenommen.

Was die Situation in Bosnien-Herzegowina wirklich so instabil macht, ist die Tatsache, dass die staatlichen Institutionen weitgehend zerstört oder geschwächt sind. Deshalb ist es notwendig - darauf haben Sie sehr richtig hingewiesen, Herr Stinner -, dass die staatlichen Institutionen für eine absehbare Übergangszeit von außen gestützt und ergänzt werden.

(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ja und wie?)

Dafür ist das Militär vollkommen ungeeignet. Wir schlagen deshalb vor, mit dem eingesparten Geld eine internationale Polizeimission aufzubauen, eine Mission mit weit gehenden kriminalpolizeilichen Befugnissen, die - das steht im Gegensatz zu den unlängst geäußerten Überlegungen des damaligen Verteidigungsministers Struck - außerhalb militärischer Strukturen organisiert ist. Es ist doch vollkommen absurd: Wir senden ein paar Polizisten nach Bosnien, die nicht einmal Dienstpistolen tragen dürfen und nicht in die korrupten Strukturen der bosnischen Polizei eingreifen dürfen. Gleichzeitig fordert uns die Bundesregierung auf, der Stationierung einer völlig überrüsteten militärischen Truppe zuzustimmen.

Vizepräsident Wolfgang Thierse: Kollege Paech, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Ich komme zum Ende. Bosnien-Herzegowina ist nicht mehr irgendein Hort des Terrors. Dort ist nicht mehr das Heim von Bin Laden und al-Qaida. Herr Minister Jung, Sie haben am 27. November im "Deutschlandfunk" gefordert, dass die Bundeswehr nicht für Maßnahmen eingesetzt wird, für die sie gerade nicht ausgebildet ist.

Im Fall Bosnien-Herzegowinas sollten Sie Ihre Überlegungen wahr machen. Gestatten Sie mir -

Vizepräsident Wolfgang Thierse: Nein, ich gestatte es nicht. Kommen Sie bitte sofort zum Ende. Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Dann sage ich nur noch: Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. Es ist unser Credo und wird es immer sein, internationale Konflikte nicht durch Militär zu lösen. Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)"