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Es geht um eine grundlegende Veränderung des bisherigen Denkens

Rede von Sabine Leidig,

 

Zwei Kurzinterventionen zur Rede von Dr. Matthias Heider, (CDU/CSU) in der Debatte zum Enquete-Bericht Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität

 

1. Intervention

Kollege Heider, Sie malen utopische Experimente wie ein Schreckgespenst an die Wand. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Aspekte hinweisen.

Erstens. An der Baustelle des neuen Ministeriums für Bildung und Forschung ist ein Zitat Einsteins angebracht, das sinngemäß lautet: Die Menschheit muss ihr Denken grundlegend verändern, wenn sie überleben will. ‑ Es geht also um grundlegende Veränderungen.

Zweitens. Der Bericht der Projektgruppe 5 enthält in Kapitel 4 einen, wie ich finde, ausgesprochen bemerkenswerten Abschnitt mit der Überschrift „Suffizienz - weder Mangel noch Übermaß“. Dort wird ausgeführt: … der kulturelle Wandel hin zu mehr Mäßigung und zu einer gerechten Verteilung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gerechte und friedliche Welt und für die Steigerung der Lebensqualität.

Auch hier geht es um eine grundlegende Veränderung des bisherigen Denkens.

Ich finde, es ist notwendig, dass Sie sich mit den gesellschaftlichen Debatten auseinandersetzen, bei denen es um grundlegende Veränderungen geht. Wir haben diese Debatten nicht nur mit den verschiedenen NGOs und gesellschaftlichen Gruppen geführt, sie finden auch auf der Straße statt, zum Beispiel in Frankfurt im Zuge der Blockupy-Proteste.

(Judith Skudelny (FDP): Fragen!)

Ich möchte von Ihnen wissen, warum Sie die Notwendigkeit zu grundlegenden Veränderungen so abwehren, wo man doch weiß, dass sie notwendig sind, um der Menschheit wirklich eine Perspektive zu geben.

(Beifall bei der LINKEN)

2. Intervention

Da der Kollege Heider nicht noch einmal eine Frage von mir beantworten wollte, nutze ich jetzt die Möglichkeit einer Kurzintervention. Ich möchte auf diesen merkwürdigen Vorwurf eingehen, dass gesellschaftliche Veränderung antidemokratisch sein müsse. Das Gegenteil ist der Fall.

(Judith Skudelny (FDP): Nicht bei einer Transformation!)

Wenn Sie sich erstens anschauen, was wir geschrieben haben, und zweitens sehen, was in den gesellschaftlichen Debatten passiert, wissen Sie, dass das Gegenteil der Fall ist.

Ich war jetzt beispielsweise in einer Reihe von Krankenhäusern, um über das Thema Pflegenotstand und das Problem der systematischen Überlastung von Pflegekräften zu diskutieren. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sagen unisono: Wir wissen sehr gut, wie Pflege organisiert werden muss, mit wie viel Personal und mit welchen Zeitbudgets das geschehen muss, um gut für die Patientinnen und Patienten arbeiten und für mehr Lebensqualität wirken zu können.

Das Problem ist nur: Sie werden überhaupt nicht gefragt.

(Michael Kauch (FDP): Von Ihnen auch nicht!)

In den Krankenhäusern werden Gutachter und Managementkonzepte eingesetzt, die von oben kommen. Sie werden nach betriebswirtschaftlichen Maßzahlen diktiert. Das, was Sie da organisieren, ist antidemokratisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Demokratisch wäre, die Beschäftigten bzw. die Bürgerinnen und Bürger in den Wandel einzubeziehen und sie zu fragen, was man denn verändern müsste, damit das Erforderliche Realität wird. Sie sagen ‑ das fordern übrigens gerade junge Leute ‑: Wir wollen nicht immer mehr haben wollen müssen. ‑ Ich finde, das ist eine spannende Herausforderung. Wie bekommt man es hin, dass die Menschen nicht immer mehr haben wollen müssen, ohne dass Arbeitsplätze zuhauf verloren gehen? Das ist doch eine zutiefst demokratische Frage. Es reicht nicht, auf internationaler Ebene Verhandlungen zu führen, sondern wir brauchen Auseinandersetzungen in der Zivilgesellschaft, die auch auf dieses Parlament Einfluss haben müssen.

(Beifall bei der LINKEN)