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Es bleibt viel zu tun in Sachen Gleichstellung - nicht nur in der Bundeswehr

Rede von Harald Koch,

Rede zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatinnen- und Soldatengleich-stellungsgesetzes, Drucksache 17/12957 sowie zu den diesbezüglichen Entschließungsanträgen von Grünen und SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

um es hervorzuheben: DIE LINKE setzt sich generell für eine Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Gebieten und natürlich auch für Gleichstellungsbeauftragte in allen Institutionen ein!

Zu oft sind Frauen historisch schon diskriminiert oder aus wichtigen Positionen herausgehalten worden. Trotz verfassungsrechtlich normiertem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grund-gesetzes sind Frauen mit nur circa einem Prozent in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen vertreten und bilden mit 65 Prozent die größte Gruppe im Niedriglohnsektor. Im Berufs- und Familienleben werden Frauen immer noch mit herkömmlichen Geschlechterrollen konfrontiert und diskriminiert. Geht der Blick nach Europa, gehört Deutschland zu den Schlusslichtern in Sachen Gleichstellung der Geschlechter. Die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ist daher eines der zentralen Ziele meiner Fraktion.

Mit vorliegendem Gesetzentwurf soll mehr Geschlechtergerechtigkeit auch in der Bundeswehr hergestellt werden – und zwar durch eine Änderung des Soldatinnen- und Soldaten-gleichstellungsgesetz. Neben wenigen guten Ansätzen bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung aber insgesamt enttäuschend, weshalb wir ihn in der Summe ablehnen werden.

Die guten Ansätze liegen zum Beispiel darin, Entlastungsstrukturen für Gleichstellungs-beauftragte, also Stellvertretungs- und Kompensationsregelungen einzurichten. In Einzelfällen können der Stellvertreterin dauerhaft eigene Aufgaben bei gleichzeitiger Entlastung von ihren üblichen dienstlichen Tätigkeiten übertragen werden.

Enttäuschend ist der Gesetzentwurf, weil die Streitkräfte von wirklicher Gleichstellung noch weit entfernt sind:

Soldatinnen und Soldaten werden in Gleichstellungsfragen schlechter gestellt als beispielsweise Beamtinnen und Beamten. Letztere werden nämlich nach dem Bundesgleichstellungsgesetz behandelt. Auch werden Soldatinnen ohne triftigen Grund – wie „Beeinträchtigung der militärischen Funktionsfähigkeit“ – gegenüber weiblichen Zivilbeschäftigten benachteiligt. Dieses Gefälle des Schutzniveaus ist aus unserer Sicht nicht haltbar!

Auch beim Versetzungs- und Kommandierungsschutz ist einiges im Argen. Die militärischen Gleichstellungsbeauftragten sind bezüglich des Versetzungsschutzes gegenüber den zivilen Gleichstellungsbeauftragten gleich zu stellen. Dies leistet der Gesetzentwurf nicht, worauf der Entschließungsantrag der Grünen zurecht hinweist.

Aus dem SPD-Entschließungsantrag unterstützen wir insbesondere die Forderung, militärischen Gleichstellungsbeauftragten dieselben Unterrichtungspflichten, Akteneinsicht und Vortragsrechte einzuräumen, die den nach dem Bundesgleichstellungsgesetz gewählten Gleichstellungsbeauftragten zustehen. 

Gleichstellungsbeauftragte werden nach dem Bundesgleichstellungsgesetz in Dienststellen ab 100 Beschäftigten gewählt. Militärische Gleichstellungsbeauftragte sind hingegen für bis zu 18000 Soldatinnen und Soldaten zuständig. Eine effektive Ausübung des Amtes ist wegen der hohen Fallzahl kaum mehr möglich. DIE LINKE ist der Meinung, die Rolle der Gleichstellungsbeauftragen und deren Stellvertreterinnen zu stärken und ihre Zahl in den Streitkräften gemäß der Größe der Zuständigkeitsbereiche deutlich zu erhöhen.

Im Gesetzentwurf werden zudem die Vorschriften zur Wahl einer Gleichstellungsbeauftragten angepasst. Somit wird die Möglichkeit geschaffen, dass eine militärische Gleich-stellungsbeauftragte auch in zivilen Dienststellen gewählt wird, anstatt die Stelle wegfallen zu lassen. Mehr Gleichstellungsbeauftragte zu haben, ist gut. Unabhängig von der Gleichstellungsfrage lehnen wir aber die weitere Durchziehung ziviler Bereiche mit militärischen Stellen und Rängen ab – dies gilt für Frauen und für Männer.

Aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist vor allem fragwürdig, warum im Gesetzentwurf besonders auf Vertretungs- und Entlastungsstrukturen für Gleichstellungsbeauftragte rekurriert wird, nicht aber der Ausbau der eigentlichen, inhaltlichen Arbeit in Angriff genommen wird. Sprich: Betriebsvereinbarungen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, gegen Diskriminierung von Frauen bei Lohn- und Rangverhandlungen, gegen Sexismus allgemein in der Bundeswehr. Diese Lücken müssen dringend geschlossen werden!

Ein weiteres Ziel des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz ist es, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst zu schaffen. Hier liefert die Bundesregierung gar nichts.
Daher ist es gut, dass die Entschließungsanträge von den Grünen und der SPD zum Beispiel Fragen der Teilzeitbeschäftigung von Soldatinnen und Soldaten, der Möglichkeiten zur Telearbeit und anderen flexiblen, familienfreundlichen Arbeitsmodellen oder auch Freistellungen aus familiären Gründen aufgreifen.  

Doch eines sollte sich jede und jeder vor Augen führen: Die Bundeswehr ist gerade kein Arbeitsplatz wie jeder andere. So wünschenswert auch dort eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst für die Einzelne und den Einzelnen ist, führen und dienen letztlich solche Maßnahmen gleichfalls dazu, den Dienst an der Waffe attraktiver zu gestalten und Nachwuchs zu aktivieren und zu rekrutieren.

Durch Gleichstellungsbeauftragte wird das Klima in der Bundeswehr gewiss etwas verbessert, dennoch ist mehr als offensichtlich, dass die Bundeswehr in Zeiten ihrer Neuausrichtung auf eine „Armee im Einsatz“ sowie in Zeiten des Nachwuchsmangels gerade für Frauen attraktiver gemacht werden soll.

Dies führen Grüne und SPD auch unverblümt aus – weswegen wir uns zu beiden Anträgen nur enthalten können. So schreiben beispielsweise die Grünen, dass sich die Bundeswehr  „verstärkt dem Wettbewerb um qualifiziertes Personal stellen“ muss; „die Streitkräfte können sich nicht mehr darauf ausruhen, dass ihnen automatisch junge Männer zum Dienst zugeführt werden“. Die ehemalige Friedenspartei will die „Streitkräfte als Arbeitgeber attraktiver machen“. Genau das möchte die Bundesregierung auch.

DIE LINKE lehnt jedoch eine Aktivierungs- und Rekrutierungspolitik unter dem Deckmantel einer besseren Gleichstellungspolitik in den Streitkräften ab!
Dazu muss mit der durch die Neuausrichtung der Bundeswehr einhergehende Fixierung auf militärische Interventionen und Auslandseinsätze gebrochen werden. Die Bundeswehr muss wieder auf ihren grundgesetzlichen Auftrag der Landesverteidigung zurückgeführt und verkleinert werden.

Schließlich sollte sich die Bundesregierung ernsthaft auch um die inhaltliche, nicht nur strukturelle Gleichstellungsarbeit kümmern. Denn es ist auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun – nicht nur in der Bundeswehr!  

Danke schön!