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Erleichterungen für Kleinst-GmbHs bringen der Wirtschaft nicht viel

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

heute beraten wir über Erleichterungen für ganz kleine Kapitalgesellschaften, also solche, die höchstens 700.000 Euro (Netto-)Umsatz erwirtschaften, maximal 350.000 Euro Bilanzsumme aufweisen oder 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchschnittlich beschäftigt haben – zwei der drei Kriterien dürfen nicht überschritten sein. Davon werden fast ausschließlich GmbHs Gebrauch machen können, kaum AGs.

Die Bundesregierung führt damit den mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) eingeschlagenen Weg fort und räumt kleinen Unternehmen weitere Erleichterungen bei ihrer Rechnungslegung ein. Doch soll das, was mit dem BilMoG begonnen wurde, wirklich weitergeführt werden?

Die Bundesregierung gibt sich wirtschaftsfreundlich: Die Kleinstkapitalgesellschaften, wie sie genannt werden, sollen bei der Aufstellung und Veröffentlichung ihres Jahresabschlusses von Kosten entlastet werden. Sie können zukünftig vereinfachte Bilanzen sowie kürzere Gewinn- und Verlustrechnungen erstellen und brauchen keinen Anhang anzufertigen.

Als ich den Gesetzentwurf vorliegen hatte, war meine erste Frage: Brauchen wir dieses Gesetz? Die zu Grunde liegende Richtlinie der EU verlangt nicht zwingend die Umsetzung in deutsches Recht.

Die Bundesregierung spricht von Kostenersparnissen und Bürokratieabbau. Das klingt für die Öffentlichkeit immer gut. Wer wollte schon dagegen sein?

Für den Wirtschaftspraktiker sieht das Bild jedoch ganz anders aus. Er weiß, dass die Kreditinstitute Unterlagen für ihre Kreditentscheidungen benötigen, ich erinnere hier an § 18 KWG. Er weiß, dass das Finanzamt neben den Steuererklärungen eine Steuerbilanz sehen will und die Taxonomie der e-Bilanz gut gefüllt sein soll. In beiden Fällen liefert der HGB-Jahresabschluss die Grundlagen. Somit sind die vorgesehenen Erleichterungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses vernachlässigbar, wenn man etwas weiter denkt.

Blieben also lediglich potentielle Einsparungen bei den Kosten für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Doch diese sind für kleine Unternehmen schon heute gering.

Aus der Sicht der Wirtschaft werden sich die Erleichterungen für die Kleinstkapitalgesellschaften also in einer sehr überschaubaren Größenordnung bewegen. Solange die Finanzverwaltung die Vereinfachungen und Verkürzungen nicht akzeptiert, wird es keine nennenswerten Entlastungen für die Kleinstkapitalgesellschaften geben. Und das kann die Finanzverwaltung wegen der e-Bilanz nicht machen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie abschließend noch an das Ziel erinnern, das mit der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses verbunden ist, nämlich dass der Kaufmann sich einen Überblick über seinen Betrieb machen soll. Ich zitiere § 242 HGB:
1. Absatz: „Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluß eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluß aufzustellen."
2. Absatz: „Er hat für den Schluß eines jeden Geschäftsjahrs eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen."
Diese Vorschriften wurden eingeführt, weil sich früher viele Kaufleute keine Übersicht über ihre Geschäfte verschafften und dadurch in Insolvenz gerieten. Doch das was früher galt, gilt auch heute. Auch der Kleinstunternehmer braucht einen Überblick über seine Geschäfte, sein Vermögen und vor allem seinen Erfolg, also eine Antwort auf die Frage: Lohnt sich seine unternehmerische Tätigkeit für ihn?

DIE LINKE. ist für die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen und für Bürokratieabbau, doch sie sieht auch, dass die kleinen Unternehmen geschützt werden müssen. Manchmal auch vor sich selbst, wie wir bei dem Ansturm zahlreicher Kleinunternehmer auf die britische Rechtsform Limited gesehen hatten, die viele wegen leichter Gründung, keinem Mindestkapital und beschränkter Haftung wählten, ohne zu erkennen, welche Folgepflichten mit dieser Rechtsform verbunden waren. Da sind viele bitter aufgewacht.

Vielen Dank.