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Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Rede von Jens Petermann,

Erklärung des Abgeordneten Jens Petermann (DIE LINKE) nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministers der Finanzen (Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik) - Drs. 17/8730, 17/8731 am 27.02.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich stimme gemeinsam mit meiner Fraktion gegen den Antrag des Bundesministers für Finanzen, weil er mit den unsozialsten Lohn-, Renten- und Gehaltskürzungen in der Geschichte Griechenlands verbunden ist.
Ich bedaure es, dass CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD mit den für die Bewilligung der „Hilfen“ verbundenen Auflagen Griechenland und dessen Bevölkerung noch weiter in die Krise stürzen werden. Mit dem ersten Rettungspaket im Mai 2010 waren Kürzungen in Höhe von 35 Milliarden Euro verbunden. Dies umfasst 15 % der gesamten Wirtschaftsleistung. Auf Grund dessen sackte die Wirtschaft seither jährlich um weitere 10 % ab. Die griechischen Kolleginnen und Kollegen, die heute auf einen Mindestlohn von 4,38 Euro angewiesen sind, müssen in Zukunft mit einem Euro weniger auskommen. Es ist ein Skandal, wenn das Bundesministerium für Finanzen dies auf Nachfrage für angemessen erachtet. Nach dortiger Ansicht (und der der gesamten Koalition) sind die Mindestlöhne in Griechenland zu hoch, ebenso wie der Anteil des Staates an der Wirtschaftsleistung Griechenlands. Deshalb sei auch die Entlassung von 150.000 Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst notwendig. Privatisierung gilt als Allheilmittel. Die Entlassenen sollen sich in der privaten Wirtschaft engagieren und für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Die Wirtschaft aber wird durch die Sanktionen des Stabilitätsmechanismus ebenso in die Knie gezwungen wie der gesamte Staat. Die Entlassenen haben keine Möglichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden. Vielmehr sind sie auf das um 30 % herunter gekürzte Arbeitslosengeld in Höhe von 322 Euro im Monat angewiesen. Nach einem Jahr Arbeitslosengeld fallen sie dann durch das soziale Netz und sind der Obdachlosigkeit preisgegeben, wenn sie nicht bei Familienmitgliedern aufgenommen werden können. Hier wird sehenden Auges eine soziale Katastrophe herbeigeführt.
Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbundenen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich einhergehen, während der riesige Militäretat des griechischen Staates lediglich um 300 Millionen Euro gekürzt werden soll. Begründet wird das damit, dass sich die Bundesregierung in diesem Bereich nicht gegenüber der griechischen Regierung durchsetzen konnte. Ein vorgeschobenes Argument! Vielmehr verdienen deutsche Unternehmen durch Rüstungsexporte nach Griechenland Milliarden.
Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbundenen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich einhergehen, während in Griechenland ein gerechtes Steuersystem fehlt. Die Reichen zahlen nahezu keine Steuern, während den Armen und mittlerweile auch schon den ehemaligen Normalverdienern die finanzielle Grundlage für ein würdiges Leben genommen wird. Auch hier ist es der Bundesregierung angeblich nicht gelungen, vom griechischen Staat ein gerechtes Steuersystem inklusive Vermögenssteuer und Beitreibungskonzept zu fordern. Entlassungen und Sozialkürzungen sind da wesentlich einfacher durchzusetzen und werden als normal angesehen.
Ich stimme gegen den Antrag, weil die Eurokrise nur durch Schließung des Spekulationscasinos gelöst werden kann. Laut Aussage der Regierung wurde der größte Teil der bisher bewilligten Hilfen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern verwendet. Wo der restliche Teil geblieben ist, bleibt unklar. Diese Gläubiger sind Großbanken, Kreditausfallversicherungen und Spekulanten. Das führt dazu, dass die die Griechenland über Jahrzehnte gemolken haben, immer noch weiter melken können, das bei einem Minimum an Kapitaleinsatz. Durch Zins und Zinseszins hat Griechenland seine Kredite schon mehr als einmal zurückgezahlt. Doch den armen Großbanken und Kreditausfallversicherungen droht nach Ansicht der Koalition die sichere Insolvenz, wenn sie nun auf ihre weiteren Forderungen verzichten müssten. Und solche Insolvenzen würden die Wirtschaft ganz Europas mit in den Abgrund reißen. Diesem unseriösen Gebaren muss der Boden entzogen werden. Die Staaten müssen sich unabhängig von den Kapitalmärkten finanzieren können, über eine Bank für öffentliche Anleihen. Die Finanzmärkte müssen endlich streng reguliert werden, die Verursacher und Profiteure der Krise müssen zur Kasse gebeten werden: Dies kann man durch eine EU-weite Vermögensabgabe für Superreiche, durch eine Finanztransaktionssteuer und durch eine Beteiligung großer privater Gläubiger realisieren.
Mein „Nein“ zum Antrag des Bundesministers für Finanzen, ist ein „Nein“ zu einer antisozialen Politik, die dem griechischen Staat aufoktroyiert werden soll und ein „Ja“ für die griechische Bevölkerung.

Jens Petermann