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Entschädigungslose Enteignung von Garagenbesitzern

Rede von Jörn Wunderlich,

Entschädigungslose Enteignung von Garagenbesitzern in Ostdeutschland

Per Schuldrechtsanpassungsgesetz sollen eine halbe Million Garagenbesitzer entschädigungslos enteignet werden. Dieser Umgang mit Garageneigentümern im Osten der Republik dürfte zu einem prägenden Erlebnis werden. Die Geringschätzung ihres Eigentums in einem Rechtsstaat, der ausdrücklich den Schutz des Eigentums auf seine Fahnen geschrieben hat, wird bei vielen Garageneigentümern zur Geringschätzung des Rechtsstaates führen.

- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Ich will nicht bei der SED-Diktatur anfangen;

(Zuruf von der CDU/CSU: Das glaube ich!)

ich will auch nicht mit dem Jahr 1949 beginnen. Ich fange mit dem Punkt an, der rechtlich relevant ist: der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik 1990.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Den haben wir gewollt!)

Dieser bescherte den Bürgern der DDR nämlich einen eklatanten Umbruch in ihren gewohnten Eigentumsverhältnissen, und zwar fast immer zu ihrem Nachteil. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“, wodurch zehntausende ostdeutsche Familien im Kampf von Haus und Hof vertrieben wurden. Diesen Kampf haben viele verloren.

(Beifall bei der LINKEN - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Also wirklich! - Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist eine Wahrheit, was Sie erzählen!)

Ich begrüße es, dass jetzt jemand aus den ostdeutschen Ländern zu dieser Thematik spricht.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Liegt Gladbeck jetzt auch schon im Osten?)

Die Berichterstatter im Ausschuss sind nämlich Westdeutsche, die sich in diese Problematik möglicherweise nicht hineindenken können.

(Unruhe)

Ende dieses Jahres droht es jedenfalls auch den Garagenbesitzern an den Kragen zu gehen. Davon sind etwa eine halbe Million Menschen betroffen.

Angesichts dieser Tatsache finde ich die Lautstärke in diesem Hause verwunderlich. Das Thema scheint nicht viele zu interessieren.

Nach den Regelungen des Einigungsvertrags bestanden jedenfalls die Rechtsverhältnisse der Nutzer und Grundstückseigentümer, auf deren Grundstücken Gebäude errichtet waren, nach den Vorschriften des ZGB der DDR fort.

(Zuruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])

- Werfen Sie einen Blick auf die Landkarte! Ich setze mich hier nur mit den Problemen auseinander, was Sie offensichtlich nicht tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Recht wurde aber schon bald aufgeweicht. Im Schuldrechtsanpassungsgesetz wurde formuliert, dass mit der Beendigung der Vertragsverhältnisse das nach dem Recht der DDR begründete und fortgeltende Eigentum an Baulichkeiten an die Grundstückseigentümer übergeht.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Er kommt aus Gladbeck! Ein Ossi aus Gladbeck!)

Immerhin sah das Gesetz einen Kündigungsschutz vor, der durch die besagte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei Garagen verkürzt wurde. Die so genannte Investitionsschutzfrist galt noch sieben Jahre nach Ende der Kündigungsschutzfrist und endet am 31. Dezember dieses Jahres. Die Kündigungsbeschränkungen, die in der auslaufenden Frist noch galten, fallen zum 1. Januar weg. Aber es kommt noch dicker: Ab 1. Januar gibt es eine Entschädigung bei Beendigung der Vertragsverhältnisse nur noch in Höhe der festgestellten Verkehrswerterhöhung, aber auch nur dann, wenn die Verkehrswerterhöhung auf die Baulichkeit, also auf die Garagen, zurückzuführen ist. Inzwischen liegen sie aber zum Teil in attraktiven Gewerbelagen. Wenn ein Investor dort ein Bürogebäude errichtet, um statt der 40 Euro Jahresmiete für die Garagen 40 Euro pro Quadratmeter im Monat für Büroraum zu erzielen, dann ist es zwar verständlich, dass er mit seinen Investitionen den Gewinn verzigfachen will, aber weil die Verkehrswerterhöhung nicht auf die Garagen zurückzuführen ist, haben die Nutzer in diesem Fall keinen Anspruch auf Entschädigung und werden eventuell noch an den Abrisskosten beteiligt.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Lesen Sie doch einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)

- Hören Sie doch einmal zu, Mensch! Beschäftigen Sie sich doch einmal mit den Problemen vor Ort!

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie werden doch in der Lage sein, das zu erklären!)

In Frankfurt/Oder sollen die Garagennutzer nach Vorgabe der Stadt schon jetzt im Hinblick auf mögliche Abrisskosten Kautionen zahlen. Es ist doch klar, dass das zu Unsicherheit führt. Dass es aber auch Gemeinden gibt - zum Beispiel Bernau -, in denen zugesichert wird, dass die Verträge weiterlaufen, ist ebenfalls bekannt. Was aber sagt die kommunale Aufsichtsbehörde dazu? Sie wird sicherlich einschreiten.

(Lachen bei der SPD)

Die sächsische Staatsregierung sieht ihrerseits keine Veranlassung, auf die Kommunalaufsicht einzuwirken. Die wirtschaftliche Nutzung steht dabei im Vordergrund. Diese Schieflage soll mit dem Gesetzentwurf beseitigt werden.

Mehr verlangt dieser Entwurf nicht.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: So interpretiert ein deutscher Richter ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts! Nicht zu glauben!)

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie haben das Bundesverfassungsgericht falsch zitiert. Tatsächlich bezeichnet das Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung nach dem Zeitwert als sachgerecht und eine Entschädigung nach dem Verkehrswert als angemessen. Was hindert uns denn daran, eine sachgerechte Entschädigung in allen Fällen vorzunehmen?
Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass Gesetze, die verfassungskonform sind, nicht geändert werden dürfen, dann muss ich mich fragen: Was macht denn die große Koalition ständig?

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns ist das Gesetz eine Geste des gerechten Ausgleichs - dazu bedarf es nur des politischen Willens -, damit nicht wieder Tausende Menschen im Osten Deutschlands auf der Strecke bleiben.
Ich danke für Ihre „tolle“ Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Uwe Küster [SPD]: Das war ein wunderlicher Beitrag und ist jetzt beendet!)