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Entgeltgleichheit erfordert das Handeln des Gesetzgebers, Selbstverpflichtungen reichen nicht

Rede von Barbara Höll,

Rede von Dr. Barbara Höll zum Thema "Entgeltgleichheit" am 1.März 2013.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bracht-Bendt, die Außenwahrnehmung Ihrer FDP-Fraktion, was die Gleichstellung der Geschlechter angeht, ist wirklich eine andere. Mir ist das so noch nicht aufgefallen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der 8. März ist der Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frauen und den Weltfrieden. Der 8. März gilt also nicht nur den Rechten der Frauen, sondern auch dem Weltfrieden. Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen für die Gleichstellung und das Wahlrecht, das es in Deutschland seit dem Jahr 1918, seit der Weimarer Verfassung, gibt. Wenn man einmal in die Rechtsgeschichte schaut, dann stellt man fest, dass Frauen erst seit 1977 das Recht haben, selbst und unabhängig von ihrem Ehemann zu entscheiden, ihre Existenz durch ihrer eigenen Hände Arbeit zu sichern. Das ist wirklich noch nicht so lange her.

Andererseits ist das viel zu lange her, als dass wir immer noch weiter warten können mit Selbstverpflichtungen, netten Appellen an die Wirtschaft, an die Politik, an Vereine und an wen auch immer, doch bitte einmal die Frauen zu fördern. Ich finde, es ist notwendig, dass wir jetzt endlich gesetzgeberisch aktiv werden. Wir Frauen haben lange genug gewartet.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So wie wir heute diskutieren, ist das schon symptomatisch. Es liegen zwei Anträge vor, mit denen versucht wird, das Problem der Gleichstellung umfassend anzugehen. Die Frau Ministerin beschränkt sich jedoch ganz bescheiden auf die Entgeltgleichheit. Frau hätte nun erwarten können, dass in einem Antrag mit solch einer Selbstbeschränkung ganz konkrete Maßnahmen aufgelistet sind, die die Koalition befürwortet. Die Ministerin hatte die Möglichkeit, hier zu sagen: Sie haben recht. Ich mache jetzt ganz konkrete Dinge.

Unter den Forderungen finden wir wirklich nur: machen Sie doch da eine Evaluierung!

(Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Alles heiße Luft!)

Schauen Sie, ob das geklappt hat! Sie appellieren an die Unternehmen, doch ein bisschen familienfreundlicher zu werden. In Ihrem Forderungskatalog ist aber keine einzige konkrete Maßnahme enthalten. Die Ministerin hat hier wieder keinen, aber auch gar keinen konkreten Vorschlag dazu gebracht, was sie tatsächlich machen will. Frau Ministerin, man hat den Eindruck, für Sie ist Gender-Mainstreaming ein Fremdwort, und Sie stehen in einem Wettbewerb mit Herrn Rösler, wer der unverbindlichste Minister oder die unverbindlichste Ministerin dieser Bundesregierung ist. Das ist einfach schrecklich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen: Gleichstellungspolitik bedeutet für uns als Linke die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen und an allen gesellschaftlichen Ressourcen. Der Schutz der Frauen vor Diskriminierung und Gewalt sowie ein Leben für alle Menschen frei von einschränkenden Geschlechterrollen, das ist unsere Zielstellung.

Es gibt zwei Grundvoraussetzungen, nämlich zum einen die Selbstbestimmung über den Körper, die eine Frau braucht. Hierzu haben wir eine Regelung, mit der das relativ gut sichergestellt wird. Die zweite Grundvoraussetzung ist eine eigenständige Existenzsicherung, sodass eine Frau nicht durch den Ehemann oder durch den Staat alimentiert wird. Das heißt also, Erwerbstätigkeit für Frauen zu ermöglichen.

Wie sieht aber die Realität aus? Leider sind mit der Agenda 2010 durch Rot-Grün für Minijobs, Midijobs und den Niedriglohnsektor Tür und Tor geöffnet worden.

(Elke Ferner (SPD): Minijobs gab es schon vorher!)

Das hätten wir schon längst beseitigen können. 70 Prozent der in diesen Bereichen tätigen Menschen sind Frauen. Sie sind berufstätig. Sie können aber nicht von ihrer Hände Arbeit leben. Es reicht nicht, daran ein bisschen herumzudoktern oder zu reformieren. Diese Jobs gehören gestrichen und abgeschafft. Es muss einfach Standard sein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb brauchen wir natürlich auch den Mindestlohn für alle in der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden hoffentlich gemeinsam erst einmal den Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro beschließen. Ich sage aber ganz klar: 8,50 Euro sind zu wenig. Dies haben wir Ihnen in der vorangegangenen Debatte vorgerechnet. Wir brauchen einen Mindestlohn von 10 Euro, um dann auch Renten zu haben, die die Beibehaltung des Lebensstandards im Alter einigermaßen ermöglichen; es geht darum, dass sie wenigstens armutsfest sind. Das ist die Zielstellung. Dem müssen Sie sich stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir über die Entgeltungleichheit sprechen, dann gibt es einen logischen Fehler, der weit verbreitet ist. Als allgemeiner Standard wird das Einkommen der Männer genommen. Das sind 100 Prozent. Dann wird ausgerechnet, wie viel die Frauen weniger verdienen. Frauen werden so gering bezahlt, dass sie bei einem durchschnittlichen Verdienst, 35 Berufsjahren und gleicher Berufstätigkeit einen Einkommensverlust gegenüber ihren männlichen Kollegen von etwa 100 000 Euro haben. Also, die Entgeltungleichheit ist nicht gering. Sagt man aber, dass das Einkommen der Frauen 100 Prozent beträgt, dann ist, in Prozenten ausgedrückt, der Einkommensvorsprung der Männer viel größer. Denken wir einmal von den Frauen her! Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Warum ist der Maßstab das Einkommen der Männer? Nein, die Frauen müssen der Maßstab sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen endlich ein Herangehen an die ungleiche Bezahlung der angeblich frauentypischen Berufe gegenüber den angeblich männertypischen Berufen. Das fordern wir auch für die Emanzipation der Männer. Das ist ein dringendes Problem. Wir reden nicht einfach egoistisch für Frauen, sondern für alle. Schauen wir uns das einmal an! Nehmen wir ein junges Paar: Der Papa ist Grundschullehrer, die Mama ist Gymnasiallehrerin. Sie bekommen ein Baby. Frau Schröder, was denken Sie? Wahrscheinlich bleibt der Papa zu Hause, weil sein Einkommensverlust in der Elternzeit niedriger ist als der Einkommensverlust, wenn die Mama als Gymnasiallehrerin zu Hause bleibt. Nun ist es so, dass die Grundschullehrer prinzipiell niedriger bezahlt werden als die Gymnasiallehrer, dass es mehr Grundschullehrerinnen, ganz wenige Grundschullehrer und dafür wesentlich mehr Gymnasiallehrer als Gymnasiallehrerinnen gibt. Ich sage Ihnen: Wir müssen ganz viel tun, damit sich in dieser Gesellschaft, in unserem Staat Etliches ändert. Dazu brauchen wir aber eine grundlegende Verbesserung und nicht einfach eine Angleichung an schlechte Verhältnisse, die wir haben. Wir brauchen eine Verbesserung der Verhältnisse für alle.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stefan Schwartze (SPD))