Zum Hauptinhalt springen

Endlich gute Prävention, Krankenhäuser und unabhängige Forschung finanzieren

Rede von Martina Bunge,

Rede zur Haushaltsdebatte zum Einzelplan 15 Gesundheit am 22 November 2011

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Für Otto und Marie werden mit diesem Haushalt die Chancen nicht besser, gleichberechtigt, gesund und munter am Leben teilzuhaben. Sie werden fragen: Wer sind Marie und Otto? Es sind Kinder von Eltern, die mit mehreren Jobs zusehen müssen, dass sie überhaupt über die Runden kommen. Nun kommt hinzu, dass in Maries Kindergarten das Projekt „Gesund durch den Tag“ eingestellt wird, weil die Finanzierung des Modells nur drei Jahre läuft,

(Jens Spahn (CDU/CSU): Es ist ja ein Modell! Das sagt schon der Name! Modelle laufen befristet!)

dass der Papa die nach langem Zögern beantragte, vom Arzt dringend empfohlene Reha nicht genehmigt bekommt und die Mutter-Kind-Kur für Mama mit Marie und Otto abgelehnt wird. So sehen plastisch die Ergebnisse Ihrer Politik aus, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mein Gott! Immer dieses kommunistische Geschwätz!)

So geht es weiter. Im Einzelplan 15 des Bundeshaushalts wurde der Mittelansatz für Prävention gekürzt, auch für Projekte, die sich bewährt haben.
In der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es für Reha-Maßnahmen einen Deckel, obwohl solche Maßnahmen angesichts hoher Arbeitsbelastungen und von Ihnen verordneter längerer Lebensarbeitszeit dringend zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gebraucht werden. Bei den Krankenkassen wird auf „Teufel komm raus“ gespart, und das geht zulasten der Leistungen, die genehmigt werden müssen. Die Sorgen mit den Mutter-Kind-Kuren kennen wir ja alle hier im Raum.
Die Krankenkassen sparen, um keine Zusatzbeiträge erheben zu müssen. Sie wissen nämlich, dass dann die Riesengefahr besteht, dass junge, gesunde Versicherte, die guten Risiken, die Kasse verlassen und die Situation noch schlechter wird bis hin zur drohenden Insolvenz. Das ist inzwischen nicht nur eine Befürchtung der Linken, sondern bittere Realität. Das beweist aber auch, dass Wettbewerb zwischen den Krankenkassen nicht zu einer besseren Versorgung führt, sondern der Gesunderhaltung der Bevölkerung schadet.

(Beifall bei der LINKEN)

Maßnahmen, mit denen die Gesundheit gefördert werden könnte, werden einfach vorenthalten. Der Markt richtet es hier halt nicht.
Gesundheit ist keine Ware!

(Beifall bei der LINKEN)

Nach der Kritik der Opposition in den Haushaltsberatungen haben Sie den Mittelansatz für Prävention wieder um 1,5 Millionen Euro erhöht vor allem für Aufklärungsmaßnahmen. Wir legen Ihnen heute zum wiederholten Male den Antrag vor, für Gesundheitsförderung und Prävention mit jährlich 1 Milliarde Euro einen Fonds zu gründen, mit dem endlich ein Paradigmenwechsel in der Gesundheits- und Pflegepolitik eingeleitet werden könnte.
Es geht nicht, das gesundheitsbewusste Verhalten nur etwas zu befördern und ansonsten zu beklagen, dass das Ausmaß an medizinischen und an Pflegeleistungen durch den demografischen Wandel und die Alterung der Bevölkerung ins Unermessliche steigen wird. Das ist kein Automatismus. Wenn die Verhältnisse im Arbeits- und Lebensumfeld eine Stärkung der Ressourcen zulassen, dann ist längeres Leben bei guter Gesundheit möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Anstatt nach einer ausgewogenen Finanzierung für die Zukunft zu suchen, bürden Sie die finanziellen Belastungen allein den Versicherten auf. Zur Kopfpauschale bei der gesetzlichen Krankenversicherung soll nun die Pflege einen Kapitalstock durch die Versicherten erhalten. Ihr Mini-Bahr, Herr Minister, ist bei der sich zuspitzenden Finanzmarktkrise aberwitzig. Das muss hier ganz deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Ausschuss für Gesundheit haben Sie sich darüber echauffiert, dass wir für unsere Anträge 1 Milliarde Euro für Gesundheitsförderung und Prävention, 2,5 Milliarden Euro für den Abbau des Investitionsstaus in den Krankenhäusern und eine halbe Milliarde Euro für unabhängige Gesundheitsforschung keine Gegenfinanzierung hätten. Meine Damen und Herren der Koalition, Sie können versichert sein, dass meine Fraktion ein Gesamtkonzept dafür hat, wie sie diese inhaltlichen Forderungen auch finanziell
untersetzen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen die seit Jahren praktizierte Umverteilung von unten nach oben umkehren. Es muss Schluss sein mit den permanenten Kürzungen von Sozialleistungen und dem Leerfegen von öffentlichen Kassen, vor allem in den Kommunen. Um nur ein paar Stichworte zu sagen: Dazu brauchen wir eine Millionärsteuer,

(Gisela Piltz (FDP): Aber die geben doch ihre Kollegen in den Ländern schon aus!)

eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine Sonderabgabe auf Boni in der Finanzmarktbranche. Das ist unseres Erachtens überfällig.

(Beifall bei der LINKEN Gisela Piltz (FDP): So viele Millionäre, wie Sie glauben, gibt es in Deutschland gar nicht, Frau Kollegin!)

Das bringt die Finanzen, die für eine gerechte Politik gebraucht werden.
Sie werfen uns hinsichtlich unseres Antrags zur Beteiligung des Bundes am Abbau des Staus bei den Krankenhausinvestitionen vor, das sei ordnungspolitisch nicht möglich. Die Länder dürften nicht aus der Pflicht entlassen werden. Ich kann hier nur fragen: Funktioniert Ihr Gedächtnis nicht mehr? Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde durch das GSG, das Gesundheitsstrukturgesetz, das Artikel-14-Programm zum Abbau des Nachholbedarfs an Krankenhausinvestitionen in den neuen Bundesländern aufgelegt. Durch die bereitgestellten Bundesmittel wurde die Landeskofinanzierung „gezogen“. Da wurde keine Mark und kein Euro verschenkt.
Durch ein neues Programm des Bundes würde garantiert, dass die Länder hier stimuliert würden, tätig zu werden. Es soll ja keine Dauerlösung sein, aber wir haben eine besondere Situation. Jetzt haben wir in den alten Bundesländern baulichen Nachholbedarf, vor allem bei den kommunalen Krankenhäusern. In den neuen Bundesländern haben wir einen riesigen Erneuerungsbedarf bei den Gerätschaften. Schließlich wurde in den 90er-Jahren alles komplett ausgetauscht. Hier besteht Handlungsgefahr.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Ja, Handlungsgefahr!)

- Handlungsbedarf, Entschuldigung. Die Notwendigkeit einer guten Versorgung der Bevölkerung im Krankenhaus verbietet es, in dieser Situation einfach nur mit dem Finger auf die Länder zu zeigen. Das löst die Probleme nicht. Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Ansonsten können wir dem Einzelplan 15 nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann (FDP): Das ist aber eine Drohung!)