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Endlagersuchgesetz - Begrenztes Lernen aus der Vergangenheit

Rede von Dorothée Menzner,

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Nach 35 Jahren fehlgeleiteter Endlagersuche ist es durchaus löblich, nun zu versuchen, mit einem vergleichenden Verfahren einen gesellschaftlichen Konsens zu finden. Es verdient Anerkennung, dass die Berichterstatterinnen mit ihrer Initiative dieses Thema einer parlamentarischen Beratung zugeführt haben. Ab diesem Zeitpunkt war auch die Linke mit einbezogen, und das Thema Endlagerung wurde aus den Hinterzimmern und männlichen Kungelrunden zurück ins Parlament geholt. Es ist kein Thema für Küchentische.

An dieser Stelle möchte ich Frau Flachsbarth und auch Frau Heinen-Esser für ihr Engagement sehr danken. Es verdient Anerkennung; denn sie taten das, obwohl großen Teilen der Koalition bis heute die Einsicht fehlt, dass in der Vergangenheit einiges grundlegend falsch gelaufen ist,

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ute Vogt (SPD))

wie wir zum Beispiel im Untersuchungsausschuss Gorleben immer wieder erlebt haben. Von daher meinen Dank an die Berichterstatterinnen sowie an die Staatssekretärin für die streitbare, oft auch kontroverse, aber immer faire Zusammenarbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch, die Linke sagt Nein zu diesem Endlagersuchgesetz. Ich möchte das mit fünf Punkten kurz begründen   es gäbe mehr Punkte, aber dafür fehlt leider die Zeit:

Erstens. Leider kein gesellschaftlicher Konsens ist, was hier heute verabschiedet wird. Wir haben hier heute maximal einen Konsens von vier Fraktionen. Aber wesentliche Teile der Antiatombewegung tragen ihn nicht mit. Herr Altmaier, „ausgestrahlt“ stand heute durchaus vor dem Reichstag und hat demonstriert.

Eine wirkliche Meinungsbildung, eine wirklich breite gesellschaftliche Debatte, ein Abwägen von Alternativen und die Bestimmung von Verfahrensschritten sind nicht erfolgt und konnten bei einem solchen Hauruckverfahren auch gar nicht erfolgen. Große Konfliktfelder, wie etwa die Frage „Wohin mit den 26 Castoren?“, wurden ausgeklammert, genauso wie die Zwischenlagerfrage. Ausgeklammert wurde auch die Frage „Wohin mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll?“. Zum Beispiel ist das Endlager in meinem Wahlkreis, Schacht Konrad, in die Überlegungen überhaupt nicht mit einbezogen worden. Das ist ein großes Manko.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf wie tönernen Füßen die Zwischenlagerfrage steht, wissen wir spätestens seit letzter Woche, seit dem Brunsbüttel-Urteil. Von daher wird sich dieser Konsens an seiner Haltbarkeit messen lassen müssen.

Zweitens. Es erfolgt nur ein begrenztes Lernen aus der Vergangenheit. Eine bindende breite Beteiligung der Bürger findet nicht statt. Die parlamentarische Aufarbeitung etwa der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses Gorleben wurde nicht abgewartet und mit einbezogen. Auch ein wissenschaftliches Aufarbeiten der Fehler in Bezug auf Gorleben und Asse   ich erinnere an das, was da in den letzten Jahren offenbar wurde   findet kaum statt. Nein, vielmehr werden in Teilen heute wieder die gleichen Wissenschaftler und Sachverständigen bemüht, die uns das Desaster in der Asse und auch in Gorleben eingebrockt haben.

Drittens: die Kommission. Wir Linke begrüßen ausdrücklich die Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Lösung der Endlagerfrage. Allerdings wäre eine solche Kommission im Vorfeld einer Gesetzesverabschiedung notwendig gewesen und nicht, um ein Gesetz zu evaluieren. Wissenschaftlicher Sachverstand, auch aus dem gesellschaftswissenschaftlichen und philosophischen Bereich, um Empfehlungen auszuarbeiten, ist zwar dringend notwendig, aber nicht erst, wenn es um die Evaluierung eines bereits sehr detaillierten Gesetzes geht. An dieser Stelle sind wir sehr skeptisch, ob die Kommission das unter diesen Voraussetzungen in zwei Jahren leisten kann oder ob sich die Befürchtungen bewahrheiten, die da lauten: Diese Kommission ist nur eine Alibiveranstaltung.

(Beifall bei der LINKEN)

Viertens: Bundesamt für kerntechnische Entsorgung. Dieses Amt birgt aus unserer Sicht mehrere Gefahren:

Erstens: Wie in der Vergangenheit bestimmen die Interessen von Politik das Handeln, und somit hat nicht höchstmögliche Sicherheit die durchgängig oberste Priorität.

Zweitens. Wir haben gelernt, dass solche Behörden gerade auch mittels Personalentscheidungen fragwürdige Wege einschlagen können. Ich erinnere nur an das Bundesamt für Strahlenforschung und seine Positionierung in den Jahren 1997/98 in der Gorleben-Frage.

Drittens. Es wird sich zeigen müssen, ob alle Bundesländer den Konsens auch noch mittragen, wenn sie feststellen, dass sie als akut Betroffene an dieses Bundesamt Länderkompetenzen abgetreten haben.

Als letzten Kritikpunkt möchte ich Gorleben anführen. Die schwarze und die gelbe Fraktion haben jahrzehntelang gesagt, eine alternative Standortsuche sei nicht machbar, weil kein Standort mit Gorleben mithalten könne; denn dort gebe es einen uneinholbaren Wissensvorsprung. Noch vor einem Dreivierteljahr hat die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, im Gorleben-Untersuchungsausschuss ausgeführt - ich zitiere  :

"Also, ich sage noch mal: Dass die" - gemeint sind Gorleben und andere mögliche Standorte - "nicht vergleichbar sind, bezieht sich auf die Tiefe der Erkundung und die Tiefe der Kenntnis."

Nun sagen Sie, die Erkundungsergebnisse von Gorleben sollen bei der Standortauswahl genutzt werden, aber keinesfalls präjudizierend wirken. Ich frage Sie: Wie soll das gehen? Sie haben uns doch immer erzählt, das gehe nicht. Was hat Ihren Meinungswandel bewirkt? Oder ist das vielleicht doch nur vorgeschoben?

Die Linke sagt: Gorleben muss heraus aus dem Verfahren. Ein juristisches Gutachten im Auftrag von Greenpeace, das uns allen vorliegt, sagt auch, wie das juristisch sicher ginge. Gorleben ist geologisch ungeeignet. Das wissen wir seit rund 20 Jahren. Der Wissensvorsprung zu Gorleben und die Fülle der Erkundungsdaten sind so groß, dass die Gefahr einer Vorfestlegung einfach riesig ist. Es besteht die Gefahr, alleine aus Kostengründen weiter auf diesem Standort zu beharren.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Menzner, ich weiß, es gibt noch viel zu sagen. Versuchen Sie bitte trotzdem, es auf den Punkt zu bringen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE):

Ein letzter Satz noch. Ich sage Ihnen: Ohne dass Gorleben aus dem Verfahren genommen wird, werden wir nicht das Vertrauen in großen Teilen der Bevölkerung schaffen, das wir brauchen, um dieses Problem einer Lösung zuzuführen. Ein Zweites: Solange wir weiter Müll produzieren und nicht wissen, wo wir ihn lagern sollen, werden wir das Problem nicht dauerhaft lösen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)