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Einführung der "Europa AG" zur Erhöhung der Steuereinnahmen nutzen!

Rede von Axel Troost,

(Rede im Plenum des Deutschen Bundestages am 28.09.2006 zur Ersten Beratung des "Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften" - BT-Drs. 16/2710 - TOP 23)

Seit 1959, also seit mehr als 40 Jahren, wird auf Ebene der Europäischen Union über die Einführung einer internationalisierten Rechtsform für Unternehmen diskutiert. Ergebnis dieses langen Diskussionsprozesses ist unter anderem die Schaffung der Europäischen Aktiengesellschaft als einheitliche Rechtsform und entsprechend das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), das seit 2001 als Rahmen existiert.

Ziel war und ist es, Unternehmen, die über die Grenzen hinaus agieren, dieses zu erleichtern und einheitliche Rechtsnormen, zum Beispiel bei der Mitbestimmung und den Gremien, zu setzen.

Auch wenn aktuell noch äußerst wenig Unternehmen den Weg der Europäischen Aktiengesellschaft gehen wollen - in der Bundesrepublik beabsichtigen dies ganze vier Unternehmen -, sind einheitliche Vorschriften grundsätzlich zu begrüßen. Begrüßenswert ist aus unserer Sicht auch, dass die Verordnung über das Statut der Aktiengesellschaft den geringsten gemeinsamen Nenner darstellt und es den Mitgliedstaaten der EU in vielen Bereichen überlassen bleibt, in welcher Form sie diese Rechtsform in ihren Ländern umsetzen wollen. Damit erhält die SE keinen Sonderstatus neben den anderen Unternehmensformen. Sie lädt Unternehmen damit, beispielsweise im steuerlichen Bereich, auch nicht zu Gestaltungen ein, um die Steuerlast weiter zu optimieren.

Entsprechend liegt dem Bundestag der Gesetzentwurf über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft - SEStEG - vor. Dieser soll die steuerlichen Vorschriften in der Bundesrepublik an betroffene Umstrukturierungen zur Gründung von europäischen Aktiengesellschaften anpassen.

Dieser Gesetzentwurf hat bereits im Vorfeld sowohl die Wirtschaft als auch das politische Umfeld gespalten: So monieren zum Beispiel Ländervertreter im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung an verschiedenen Stellen „zu weit“ und über die EU-Fusionsrichtlinie hinausgeht. Umgekehrt fordert der Finanzausschuss des Bundesrates Regelungen, die das vorliegende Gesetz noch verschärfen. Dies verdeutlicht einmal mehr die aus unserer Sicht gegenläufigen Interessen von Teilen der Wirtschaft auf der einen und der öffentlichen Hand auf der anderen Seite. Denn Dreh- und Angelpunkt des Gesetzentwurfes ist, unter welchen steuerlichen Bedingungen Unternehmen fusionieren, Holdinggesellschaften und Töchter gründen und - nicht zuletzt - ihren Geschäftssitz bzw. ihre Vermögenswerte ins Ausland verlegen und - bei letzterem - dem Fiskus als Steuerzahler verloren gehen.

Gerade für die Fälle der im Steuerdeutsch bezeichneten Entstrickung - der Verlagerung von Vermögenswerten der Unternehmen ins Ausland - sieht die Bundesregierung durch die vorliegenden Änderungen im Einkommen-, Körperschaft- und Außensteuerrecht Verschärfungen vor: So sollen in den Fällen, in denen zum Beispiel Vermögen das Unternehmen verlässt, Wirtschaftsgüter dem Zugriff des Fiskus entzogen werden oder die Steuerpflicht im Inland endet, stille Reserven aufgedeckt und hier sofort besteuert werden. Diese Regelung begrüßen wir. Nicht zuletzt der Europäische Gerichtshof selbst hat der Bundesrepublik das Recht zugestanden, die Wertzuwächse seiner Steuerpflichtigen zu besteuern.

Die sofortige Versteuerung der stillen Reserven in den Fällen, in denen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik eingeschränkt wird oder gänzlich wegfällt, wird allerdings als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bewertet. Auch wenn wir diese Bewertung kritisch sehen, muss dies im Gesetzgebungsverfahren geprüft, gegebenenfalls europarechtskonform gestaltet oder aber eine Regelung für alle Unternehmen eingeführt werden.

So gäbe es für die Bundesregierung zum Beispiel die Möglichkeit, bisher unversteuerte Wertzuwächse der Unternehmen, die stillen Reserven, grundsätzlich zu besteuern. Damit würde die Steuerlast nicht erst im Moment des Wegzuges des Unternehmens anfallen, europäisches Recht bliebe gewahrt. Gleichzeitig könnte der Fiskus durch die schrittweise Einführung der Besteuerung stiller Reserven Milliardensummen an Steuermehreinnahmen erzielen. So würden allein bei den Immobilien der Unternehmen durch die Anpassung der Buch- an die Verkehrswerte und entsprechende Versteuerung mittelfristig rund 10 Milliarden Euro jährlich mehr in die öffentlichen Haushalte fließen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dies im Rahmen der Unternehmensteuerreform umzusetzen.

Darüber hinaus unterstützen wir die Bundesregierung ebenfalls darin, dass sie bei Fusionen von Unternehmen zukünftig verbieten will, dass ein Unternehmen die Verlustvorträge des anderen Unternehmens übernehmen kann. Gerade die Regelungen für Verlustvorträge sind in der Bundesrepublik großzügiger als in den Mehrzahl der anderen europäischen Staaten. Sie mindern die Steuerlast von Unternehmen in erheblichem Umfang. Deshalb sind sie bei Fusionen von Unternehmen äußerst willkommen, nicht selten sind sie sogar ein Grund für Fusionen. Am Ende des Jahres 2001 verblieben allein den Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik Verluste in Höhe von fast 400 Milliarden Euro, die sie in die nächsten Jahre mitnehmen und entsprechend ihre Steuerzahlung schmälern konnten. Dies verdeutlicht die erhebliche Dimension dieser Großzügigkeit für die öffentliche Hand. Umgekehrt birgt eine grundsätzliche Beschränkung der Regelungen des Verlustausgleichs auch für inländische Unternehmen ein erhebliches Einnahmepotenzial. Auch hier fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen der Unternehmensteuerreform die Verlustverrechnungsregelungen für Unternehmen auf den europäischen Durchschnitt zu kürzen. So könnten Verlustrückträge grundsätzlich abgeschafft und -vorträge auf fünf bis sechs Jahre begrenzt werden. Dies würde die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte erheblich verbessern.

Grundsätzlich positiv bewerten wir auch die Vorschriften zur so genannten Verstrickung zur Einführung von Vermögenswerten oder Wirtschaftsgütern in die Bundesrepublik. Hier sorgen Sie dafür, dass Unternehmen nur wenn die stillen Reserven in Bezug auf das betreffende Wirtschaftsgut zuvor aufgedeckt und versteuert wurden, neue Abschreibungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen können und weniger Steuern bezahlen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die Probleme, die seitens verschiedener Experten bezüglich der Europarechts- und Verfassungskonformität aufgelistet werden, müssen im kommenden Gesetzgebungsverfahren geprüft werden. Konsens für die Begleitung der SE durch steuerliche Maßnamen muss aber sein, dass die Gründung einer SE nicht mit massiven steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und damit Entlastungen für Unternehmen einhergeht. Dieser Ansatz ist bisher durch den Gesetzentwurf im Wesentlichen gewahrt. Die Bundesregierung lässt - zumindest bei einem großen Teil der Regelungen - sogar eine erstaunenswerte Konsequenz erkennen.

Nun sind Sie aufgefordert, diese Konsequenz auch im Rahmen der kommenden Unternehmensteuerreform zu beweisen, wenn es darum geht, die steuerliche Bemessungsgrundlage für Unternehmen zu verbreitern.