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Eine Vermögensteuer ist verfassungsrechtlich möglich, auch ohne das die Wirtschaft einbricht

Rede von Barbara Höll,

Rede von Dr. Barbara Höll in der aktuellen Stunde am Mittwoch den 28.11.12 zu den Vermögensteuerplänen von SPD und GRÜNEN.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, wer sich im Rahmen der Haushaltsberatungen einfach mal so bei der KfW und den Sozialkassen bedient, der sollte hier lieber schweigen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Diskussion zu Vermögensteuer und Vermögensabgabe wirft verschiedene Fragen auf. Erstens: Entsprechen sie dem Grundgesetz? Das müssen wir uns als Gesetzgeber immer fragen. Die klare Antwort lautet: Ja. Das brachte Professor Böckenförde bereits 1995 in seinem Minderheitenvotum zum Ausdruck. Inzwischen gibt es viele entsprechende Gutachten.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Eure 5 Prozent sollen verfassungsgemäß sein?)

Das ist geklärt: Sowohl eine Vermögensbesteuerung als auch eine Vermögensabgabe sind verfassungskonform. Nebenbei gesagt: Wir haben bereits 1999 und 2001, damals als PDS, Anträge auf Wiedererhebung der Vermögensteuer gestellt. Damals haben dies alle abgelehnt. Ich bin froh, dass inzwischen drei Fraktionen die Position vertreten, dass wir das machen können und müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens: Ist es berechtigt? Ja. Die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen hat seit 2000 massiv zugenommen. Es gibt dafür zwei Hauptgründe. Der eine Grund ist die Steuergesetzgebung, für die Rot-Grün verantwortlich war: Der Spitzensteuersatz wurde gesenkt, der Körperschaftsteuersatz wurde gesenkt, die Steuerfreiheit bei Veräußerungsgewinnen wurde eingeführt. Wenn man all das zusammenrechnet, sprich: wenn wir heute die Steuergesetzgebung von 1999 hätten, dann hätten wir insgesamt mindestens 490 Milliarden Euro mehr eingenommen. Der zweite Grund ist die Niedriglohnpolitik, die seit Rot-Grün massiv vorangetrieben wird; Sie haben sie fortgeführt. Wir haben Reallohnverluste von 4 Prozent. Man muss sagen: Gerade die Menschen, die schon im Niedriglohnsektor tätig sind, haben noch viel höhere Reallohnverluste zu verzeichnen, nämlich bis zu 19 Prozent. Das Ergebnis dessen: eine wachsende Armut und eine schrumpfende Mittelschicht.

Wenn Sie sich hier so gerieren, sollte Ihnen vor allem Folgendes zu denken geben: 1998 zählten noch gut 64 Prozent der Bevölkerung zur Mittelschicht; dieser Anteil ist innerhalb von 10 Jahren um knapp 6 Prozentpunkte geschrumpft. Diejenigen, die sich jetzt noch zur Mittelschicht zählen, wissen, dass sie kaum noch eine Chance haben, nach oben zu kommen; es gibt eine massiv verbreitete Angst, abzurutschen. Das ist garantiert nicht motivationsfördernd, und dafür sind Sie mit Ihrer Politik verantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die öffentliche Hand ist so verschuldet, dass ein regelrechter Investitionsstau entstanden ist, insbesondere auf Kosten der Kinder und Jugendlichen. Schauen Sie doch einmal, wie es in den Kommunen aussieht: Sporthallen fallen zusammen,

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Im Osten, wo die Linke regiert, aber nicht in Bayern zum Beispiel!)

Schulen fehlen, Kitas werden nicht geschaffen.

Eine Steuer, auch eine Vermögensteuer, kann die primäre Ungleichverteilung in der Bundesrepublik sicher nicht beseitigen. Wir brauchen Mindestlöhne und Reallohnanwüchse; das ist völlig unbestritten. Aber Steuerpolitik kann ihrem Namen gerecht werden und tatsächlich steuern. Dazu ist die Vermögensteuer da. In besonderen Fällen kann man auch eine Abgabe erheben, in diesem Falle eine Vermögensabgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens: Spricht nun etwas dagegen?

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ja, alles!)

Wir haben gestern eine Diskussion mit der Industrie geführt. Da wurde gesagt: Es gibt keine Datenbasis; das alles ist unseriös. Das finde ich nun wirklich extrem dreist. Die Datenbasis fehlt seit der Aussetzung der Erhebung der Vermögensteuer im Jahr 1997. Sie haben sich in keiner Weise bemüht, irgendwie an entsprechende Daten heranzukommen,

(Joachim Poß (SPD): Ganz im Gegenteil! Die haben die Datenbasis beseitigt!)

aber werfen denjenigen, die Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen anführen, vor, das sei unseriös. Das ist eine Frechheit ohnegleichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt jedoch einen Vergleich mit anderen Staaten in Europa. Der Anteil der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern, also aus Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer und Vermögensteuer, am Bruttoinlandsprodukt beträgt in Deutschland 0,9 Prozent. Im OECD-Durchschnitt sind es 1,8 Prozent, also doppelt so viel.

(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Deswegen stehen wir wirtschaftlich so gut da!)

In den EU-27-Staaten beträgt der Anteil 2,6 Prozent. In unserer Staatskasse wäre viel mehr Geld, wenn wir wenigstens den Durchschnitt der OECD-Staaten erreichen würden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen, eine Vermögensteuer bedrohe die Wirtschaft. Mir ist nicht bekannt, dass die Wirtschaft vor 1997 völlig am Boden lag, weil es eine Vermögensteuer gab. Ich weiß deshalb nicht, warum das jetzt der Fall sein sollte, wenn wir sie wieder erheben.

Sie sprechen von Erhebungskosten, Herr Wissing. Das ist doch Quatsch. Natürlich sagt die Steuer-Gewerkschaft: Wenn wir eine weitere Steuer erheben sollen, dann brauchen wir mehr Steuerbeamte das ist doch auch logisch. Das ist keine Warnung; das ist eine berechtigte Forderung. Die Erhebungskosten sind trotzdem nicht so hoch, weil wir durch die Neuregelung der Erbschaftsteuer bereits eine Grundlage dafür haben, wie Grund und Boden verkehrsnah bewertet werden können.

Sie sagen immer, die Reichen seien schon so belastet. Da blutet mir immer das Herz. Ein Drittel der Menschen, die abhängig beschäftigt sind, zahlen gar keine Steuern, weil sie zu wenig verdienen. Die Höhe des Anteils, welchen eine bestimmte Gruppe leistet, sagt doch nichts über ihre Belastung aus. Das ist doch, als vergleiche man Birnen mit Äpfeln. Das hat doch keinen Aussagewert. Nehmen wir einmal an, ein einziger Mensch würde das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik verdienen und alle anderen bekämen Hartz IV,

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Das volkswirtschaftliche Modell der Linken kommt jetzt!)

nur dieser eine würde also Steuern zahlen. Er hätte dann eine Belastung von 100 Prozent. Ob derjenige aber 1 Million oder 1 Milliarde Steuern zahlen müsste, ist etwas völlig anderes. Lassen Sie dieses Argument deshalb also beiseite.

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Der eine wäre aber dann woandershin, das sage ich Ihnen! Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Wenn der jetzt noch ins Ausland abwandert, dann ist es zappenduster in Deutschland!)

Es gibt zwei Aufgaben, die wir erledigen müssen ich möchte sie kurz nennen: Wir brauchen Infrastruktur, und wir brauchen eine Vorsorge für die Risiken, die mit der Euro-Krise verbunden sind. Deshalb: Ja zur Vermögensteuer und Ja zur Vermögensabgabe.

Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)