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Eine soziale Politik kann es nur mit der LINKEN geben

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man Ihnen hier zuhört, denkt man, Sie leben in einer anderen Welt. Ich als Gewerkschafterin erfahre täglich, dass die Wirklichkeit ganz vieler Menschen völlig anders ist.

Frau Nahles, ich muss Ihnen hier einige andere Zahlen nennen, die Sie immer gerne weglassen, weil sie nicht in Ihr Bild hineinpassen: Jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland arbeitet zu einem Armutslohn. Jeder Sechste über 65 Jahre ist von Armut bedroht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, das sind die richtigen Zahlen! Nicht Ihre, Frau Ministerin!)

Jedes siebte Kind lebt von Hartz IV. In Ostdeutschland ist es sogar jedes fünfte Kind. Mindestens 14,5 Millionen Menschen haben seit Einführung von Hartz IV mindestens einmal diese Leistung bezogen. Viele dieser Menschen können sich ab Mitte des Monats kein warmes Mittagessen mehr leisten. Sie haben Angst, am Ende des Monats die Stromrechnung nicht bezahlen zu können. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt. Sie sind verletzt, meine Damen und Herren. Und Sie? Sie tun überhaupt nichts dagegen!

(Beifall bei der LINKEN – Ewald Schurer [SPD]: Ist doch Unsinn!)

Wenn Sie hier immer so schön davon reden und anpreisen, dass es 43 Millionen Beschäftigungsverhältnisse gibt, kann ich Ihnen nur entgegnen: Erzählen Sie das einmal meinem Kollegen Leiharbeiter in Zwickau – der arbeitet nämlich bei einem Automobilzulieferer, weil wir ein VW-Standort sind –, der drei Jobs hat. Er sagt immer zu mir: Sabine, von den 43 Millionen Jobs gehören mir allein drei. Das finde ich so ungerecht. Und da stellen Sie sich hier hin und sagen, dass Sie es geschafft haben, dass es 43 Millionen Beschäftigungsverhältnisse gibt. Deutschland bedeutet bei uns, dass viele in einem Zweitjob arbeiten müssen.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Jeder?)

Es gibt nämlich in Deutschland 2,6 Millionen Menschen, die noch in einem Zweitjob arbeiten. Das ist ihre Realität! So sieht es nämlich aus.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])

Fest steht: Deutschland ist wie nie zuvor in Arm und Reich gespalten.

Die Tafeln, die Kleiderkammern, die Suppenküchen – Herr Weiß, Sie können ja einmal dort hingehen und sich anschauen, was dort für ein Andrang herrscht –, die haben Hochkonjunktur und haben sogar Probleme, den Bedarf zu decken. Das ist die Realität!

Es ärgert mich hier an dieser Stelle, dass Sie die Armut nicht sehen wollen. Sie können da nicht weggucken. Sie können sich da auch nicht verstecken. Die Armut ist da in Deutschland! Sie aber sehen zu, wie die Rentnerinnen und Rentner mit 500 Euro nach Hause gehen und damit ihren Lebensabend bestreiten müssen,

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie sind die schlechteste Anwältin dafür!)

wenn Kinder kein Geld haben, um am Klassenausflug teilzunehmen, weil die Eltern das eben nicht finanzieren können, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Vollzeitjob am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Und Sie? Sie sehen da einfach zu. Sie sehen zu, wie 1 Million Langzeitarbeitslose schon seit vier Jahren oder länger in der Erwerbslosigkeit gefangen sind.

Denken Sie allen Ernstes, dass das Einzelfälle sind? Ich sage Ihnen, Sie irren sich ganz gewaltig. Das sind keine Einzelfälle, es handelt sich hier um Millionen von Menschen, die keine Perspektive mehr haben.

(Zurufe von der SPD)

Sie lassen diese Menschen einfach in der Statistik verschwinden. Das ist das Resultat Ihrer Politik in den letzten Jahren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass sich diese Bundesregierung beharrlich weigert, etwas gegen diesen Missstand zu tun, finde ich unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der linke Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Professor Dr. Christoph Butterwegge, sagte,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das wäre jetzt nicht notwendig!)

dass die Bundesregierung Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung betreibt; recht hat er. Er hat auch recht, wenn er sagt:

"Seit der „Agenda 2010“ und den sog. Hartz-Gesetzen herrscht soziale Eiseskälte in Deutschland."

(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Sozialhilfeempfänger sind wieder in der Vermittlung! Das ist das Gute daran!)

Frau Ministerin Nahles, Sie sind mit dem Versprechen angetreten, deutlich mehr für langzeiterwerbslose Menschen zu tun und sie eher und schneller in Arbeit zu bringen. Was haben Sie erreicht? Nichts haben Sie erreicht.

(Dr. Carola Reimann [SPD]: Oh doch!)

Die Langzeiterwerbslosigkeit stagniert auf einem hohen Niveau; es sind immer noch knapp 1 Million Menschen.

Wir brauchen endlich deutlich mehr Mittel für Unterstützungsleistungen. Wir brauchen eine Vermittlung auf Augenhöhe, sodass die Erwerbslosen eben nicht als Bittsteller in die Jobcenter kommen,

(Beifall bei der LINKEN)

und wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Zudem fordern wir immer noch die Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors; andere sagen „sozialer Arbeitsmarkt“ dazu.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das entwürdigende Hartz-IV-System muss abgeschafft werden. Wir brauchen eine sanktionsfreie Mindestsicherung. All das fordert die Linke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik muss den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen. Warum haben die Rechtspopulisten solchen Zulauf? Die Motive, rechtspopulistisch zu wählen – ob nun in Deutschland, in anderen EU-Ländern oder in den USA –, sind soziale Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und Abstiegsängste. Diese Bundesregierung hat nicht verstanden, was die meisten Menschen in Deutschland bewegt. Sie haben wertvolle Zeit verschenkt. Kein zentrales Problem haben Sie gelöst. Die Spaltung zwischen Arm und Reich wird immer größer.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Das Gegenteil ist schon bewiesen!)

Auch der Mindestlohn kam zu spät und ist viel zu niedrig. 12 Euro ohne Ausnahmen: Das wäre hier der richtige Schritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Und: Schaffen Sie die Leiharbeit ab! Gute Arbeit, unbefristete Beschäftigung und Löhne, von denen man leben und seine Familie ernähren kann: Das fordert die Linke. Nur so würde es gehen.

Stärken Sie die gesetzliche Rente! Sie muss armutsfest sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Rentenniveau muss wieder angehoben werden. Raus mit den Kürzungsfaktoren! Weg mit der Rente ab 67!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen eine solidarische Mindestrente von 1 050 Euro;

(Beifall bei der LINKEN)

denn ich finde, unsere Rentnerinnen und Rentner haben es verdient, nach einem harten Arbeitsleben keine Zeitungen austragen oder in Müllcontainern wühlen zu müssen, um die Flaschen dort einzusammeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Riesenschande ist die zunehmende Kinderarmut. Aber auch hier tun Sie nichts. Lediglich eine Kindergelderhöhung um 2 Euro pro Monat waren Ihnen die Kinder wert.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist lächerlich wenig!)

Die Linke fordert Sofortmaßnahmen, um diesen unwürdigen Zustand zu beenden.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: 2 000 Euro?)

Ja, all das kostet Geld, aber dieses Geld ist im System. Es muss nur ordentlich verteilt werden. Sie verteilen es falsch. Wir brauchen unbedingt eine Vermögensteuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Nachdem die Kanzlerin nun gesagt hat: „Ich mache weiter“, wissen wir, dass alles so bleibt, wie es ist. Dazu sagen wir: Nein! Sozial geht anders. Was wir brauchen, ist ein Politikwechsel, und der geht nur mit der Linken.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Langweilig, langweilig!)