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Eine Reform des Petitionsrechts ist dringend nötig!

Rede von Ina Latendorf,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Petitionsausschusses ist legislaturübergreifend. Er umfasst also auch nur zu einem kleinen Teil meine eigene Tätigkeit im Petitionsausschuss. Dieser Ausschuss ist besonders, zum einen durch seinen Verfassungsrang, zum anderen, weil er der Ausschuss ist, der im parlamentarischen Geschäft die größte Nähe zu den Bürgern zulässt. Wir erfahren durch die Petitionen ungefiltert und direkt die Auswirkungen unseres gesetzgeberischen Handelns. Dies gelingt nur gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes.

(Beifall bei der LINKEN)

Bis zum Oktober letzten Jahres war ich selbst Referentin beim Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ich weiß, dass die Bearbeitung von Bürgeranliegen kein Dienst nach Vorschrift ist. Es muss viel nachgehakt und erklärt werden. Die Arbeit erfordert viel Hingabe, Geduld und Ausdauer. Auch dafür im Namen meiner Fraktion vielen Dank an den Ausschussdienst!

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])

Nun zum Bericht für das Jahr 2021: Die Zahl der Petitionen ist um circa 3 000 auf nunmehr 11 600 deutlich zurückgegangen. Es gibt also weniger Menschen, die sich mit einer Petition an den Bundestag wenden. Wenn sich Bürger von der Politik abwenden, ist das ein Alarmsignal. Denn ich glaube nicht, dass alle zufrieden sind und es keine Probleme in Deutschland gibt. Liegt der Rückgang an der rückläufigen Erwartungshaltung an die Politik oder an der Hürde des Zugangs? Oder haben die Bürger im Wahljahr vielleicht auch andere Möglichkeiten genutzt, um ihre Abgeordneten zu erreichen?

Im Gegensatz zu dieser Entwicklung gibt es ein ungebrochenes Interesse an privaten Plattformen; wir haben es gehört. Und wir müssen uns fragen: Hat eine Petition an den Deutschen Bundestag für Bürger einen Mehrwert gegenüber privaten Plattformen? Im vergangenen Jahr hat der Ausschuss inklusive der Überhänge aus dem Vorjahr 12 600 Petitionen beraten und in diesen Verfahren Entscheidungen getroffen. In jedem dritten Fall wurde das Anliegen zurückgewiesen. Die Hälfte der Anliegen wurde nicht parlamentarisch beraten, und nur in circa 4 Prozent der Verfahren gab es dann ein wirklich unterstützendes Votum vom Ausschuss. Aber selbst das heißt nicht, dass diese 4 Prozent der unterstützten Anliegen tatsächlich umgesetzt werden. Die Voten des Ausschusses lösten dann eine Rückantwort des zuständigen Ministeriums aus, und oft hieß es dann: Wir sehen keinen Handlungsbedarf.

Das bedeutet, wenn sich jemand mit einer Petition an den Bundestag wendet, bekommt er Post aus Berlin; immerhin, das ist sicher. Nutzt man eine private Plattform, erhält man vielleicht etwa 200 000 Mitzeichner, dann hat man mediale Wirkung. Und spätestens dann, wenn die Unterschriften öffentlich übergeben werden und der jeweilige Minister zum Gespräch vorbeikommt, erreicht man etwas. Das sollte uns nachdenklich machen für unsere Arbeit.

In vielen Fällen ist es in unserem Ausschuss tatsächlich schwer bis unmöglich, Petenten zu helfen, weil alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten – Verwaltungs- und Gerichtsverfahren – ausgeschöpft wurden. Auch 2021 gab es viele solcher Petitionen. Betroffene wenden sich an uns Abgeordnete oft verzweifelt mit letzter Hoffnung, und wir haben faktisch oder praktisch keine Möglichkeit, zu helfen. Für solche Fälle hat meine Fraktion schon mehrfach, auch in den jüngsten Haushaltsberatungen, die Einrichtung eines Härtefallfonds gefordert, den der Petitionsausschuss nutzen kann, wenn wir unbillige Härten feststellen. Das wurde hier abgelehnt. Denken Sie bitte noch einmal darüber nach! Wir werden in dieser Forderung nicht nachlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Reformbedarf besteht aus meiner Sicht auch darüber hinaus. Unsere wichtigsten Forderungen sind – um nur einiges zu nennen –:

Erstens. Die Dauer der Verfahren sind zu verkürzen.

Zweitens. Der Onlinezugang muss verbessert werden. Daran wird gearbeitet, aber es muss schneller gehen.

Drittens. Die Sitzungen des Petitionsausschusses sollten grundsätzlich öffentlich sein.

Viertens. Die Petitionen mit besonders hoher Mitzeichnerzahl sollten im Plenum angemessen beraten werden.

Im Koalitionsvertrag findet sich das Bekenntnis zur Reform der Petitionsarbeit. Meine Fraktion Die Linke wird Ihre Einladung gerne annehmen und Sie daran erinnern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)