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Eine gerechtere Steuerpolitik ist nötig und auch möglich!

Rede von Barbara Höll,

Dr. Barbara Höll stellt das neue Steuerkonzept der Fraktion DIE LINKE (Antrag 17/2944) vor.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir haben gezeigt, was in uns steckt“, gab Frau Merkel in ihrer Haushaltsrede freimütig zu. Ja, und das steckt in ihrer Politik: das sinnlose Auftürmen neuer Schulden, sinnlose Ausgaben für Kriegseinsätze und Waffen, massive Kürzungen im Sozialbereich. Die Begründung ist die alte Leier: Wir könnten nur ausgeben, was wir erwirtschaften, und wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt.

Hier stellt sich die Frage, wer über seine Verhältnisse gelebt hat. Die Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen vielleicht, die Alleinerziehenden oder die Menschen, die trotz Arbeit ihre miesen Löhne aufstocken müssen? Die Linke sagt: Sie verhöhnen all diese Menschen. Dabei machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wahrheit ist, dass Sie in den nächsten Jahren weiterhin massiv Schulden anhäufen werden; insgesamt sind 218 Milliarden Euro geplant. All dies wollen Sie uns nun als alternativlose Politik verkaufen, gar als „Zukunftspaket“. Pardon, das klingt doch wie Hohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben gezeigt, was in Ihnen steckt. Wir zeigen Ihnen mit unserem Antrag, was in linker Politik steckt: eine wirkliche Alternative zu Ihrer Politik. Es gibt Alternativen; aber nur, wenn man die alles entscheidende Frage stellt: Wie verteilt man gerecht, was erwirtschaftet wird?

(Beifall bei der LINKEN)

Statt immer wieder bei den Menschen zu kürzen, die sowieso wenig haben, brauchen wir endlich ein politisches und wirtschaftliches Umdenken. Es kann doch nicht sein, dass auf der einen Seite die Vermögen einiger weniger immer weiter in die Höhe schießen und auf der anderen Seite die Zahl der armen Familien und Kinder zunimmt. Die Vermögen in Deutschland wachsen nämlich schneller als die Schulden; dies halte ich für sehr interessant. Der Schuldenzuwachs pro Jahr beträgt derzeit etwa 70 Milliarden Euro, der Vermögenszuwachs pro Jahr rund 220 Milliarden Euro. Das zeigt doch wohl eindeutig, dass eine Umverteilung von oben nach unten erfolgen muss und dass die Aussage „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“ reiner Unfug ist.

Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie dem Sachverständigen Professor Bofinger! Deutschland, so sagte er, habe gesamtwirtschaftlich unter seinen Verhältnissen gelebt. Er plädiert für durchschnittlich 3 Prozent Lohnzuwachs; die Löhne müssten wieder gemäß dem Produktivitätsfortschritt und der Teuerungsrate angepasst werden. Na bitte!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber da, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, hören Sie weg ebenso wie bei den Hinweisen der EU-Kommission. Sie sollten aber hinhören, wenn Christine Lagarde und Dominique Strauss-Kahn deutlich auf die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa hinweisen, denn die deutsche Exportstrategie, getragen durch Lohndumpingpolitik und Steuersenkung, hat eine große Mitschuld daran. Ich frage Sie von der Koalition: Wo leben Sie eigentlich? Wie kann man in dieser Situation noch sagen, wie Frau Merkel, Deutschland werde seine Stärken nicht aufgeben? Durch die Lohndumpingpolitik, die Sie mit zu verantworten haben, werden die Menschen, die den Reichtum dieser Gesellschaft erarbeiten, von diesem immer weiter abgekoppelt. Ein flächendeckender Mindestlohn muss her und das schnell!

(Beifall bei der LINKEN)

Während die Reallöhne zwischen 2000 und 2008 in vielen EU-Staaten zum Teil stark stiegen, gingen sie in Deutschland sogar um 0,8 Prozent zurück. Das belegt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Die Linke sagt: Das ist ein Skandal.

Durch die Politik der Steuersenkung für Reiche und Unternehmen werden diese sogar doppelt bevorzugt. Kapital wird bevorzugt, unter anderem das ist allgemein bekannt durch die Abgeltungsteuer. Sie geben den Reichen und nehmen den Menschen, die Sie ohnehin schon immer abzocken.

Sie wissen genau, dass zwischen den Vermögen Welten liegen. So besaß laut einer DIW-Studie aus dem Jahr 2007 jeder Deutsche ein individuelles Geld- und Sachvermögen von rund 88.000 Euro, mit Pensions- und Rentenanwartschaften rund 150.000 Euro. Gehen Sie einmal auf die Straße und fragen Sie zum Beispiel die Leute bei mir in Leipzig, ob sie sich da wiederfinden! Fragen Sie die Verkäuferin, den Fernfahrer, Handwerker aus kleinen und mittelständischen Betrieben, Rentnerinnen und Rentner!

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Die gehen Ihnen nicht auf den Leim!)

Viele von ihnen, genau 27 Prozent, verfügen über gar kein individuelles Geld- und Sachvermögen. Sie sind zudem oftmals noch verschuldet. Viele Menschen müssen beim Amt aufstocken trotz Vollzeitarbeit. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn das reichste Zehntel der Bevölkerung über ein Netto-Geld- und Sachvermögen von mindestens 222.000 Euro verfügt. Es ist nicht so, dass wir ihnen das nicht gönnen,

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Nein! Dr. Daniel Volk (FDP): Das klingt aber ein bisschen so!)

aber wir sind strikt der Ansicht, dass allen Menschen hierzulande ein Leben in Würde, mit Chancen für die Zukunft ihrer Kinder zusteht.

(Zuruf von der FDP: Wie in der DDR!)

Noch eines. Frau Merkel ist zwar nicht da, aber ich sage es trotzdem. Ein Fakt, der Frau Merkel als aus dem Osten stammende Frau doch wirklich die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste, ist: Die Vermögensunterschiede zwischen Ost und West sind im Jahr 20 der deutschen Einheit immer noch wie Tag und Nacht.

(Dr. Frank Steffel (CDU/CSU): Das ist doch Ergebnis Ihrer Vorgängerpartei!)

Während das Nettovermögen von 2002 bis 2007 in Westdeutschland um rund 11 Prozent stieg, sank es in Ostdeutschland um knapp 10 Prozent.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie vorgearbeitet, Frau Höll!)

Da ist Ihre Forderung an die Menschen, privat für das Alter vorzusorgen, doch glatter Unfug. Wovon sollen die Menschen denn das bezahlen, frage ich Sie? Sollen sie das von den Niedriglöhnen bezahlen, die Sie politisch zulassen?

Offensichtlich fragen sich immer mehr Menschen: Was macht die Regierung da oben? Hat sie überhaupt noch eine Ahnung von unserem Leben? Was machen die da in Stuttgart, wo gegen den Willen vieler Bürgerinnen und Bürger sinnlos Milliarden verbuddelt werden?

(Lachen bei der FDP)

Wieso stimmen Sie zu, wenn die Atomlobby sich Sondergewinne in Milliardenhöhe organisiert? Frau Merkel, liebe Koalition, hier wieder die Frage: Haben Sie einmal die Hartz-IV-Empfängerin gefragt, wie sie bei der 5-Euro-Erhöhung Geburtstagsgeschenke für ihre Kinder kaufen kann, wie sie sich mit dieser minimalen Erhöhung einrichten soll, wie sie da mit ihrer Menschenwürde „zurechtkommen“ soll?

Zum Glück ändern sich die Zeiten. Ich sage Ihnen: Wir brauchen endlich eine sozial gerechte und ökonomisch wie ökologisch sinnvolle Politik. Genau das will auch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Ihrer Steuersenkungsideologie, die Sie, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, seit den 90er Jahren immer wieder vor sich her chauffieren, haben Sie zu verantworten, dass wir in den letzten zwölf Jahren Steuermindereinnahmen in Höhe von etwa 335 Milliarden Euro hatten. Das ist ein Skandal. Wenn Sie endlich einmal vom hohen Ross der Arroganz Ihrer Macht absteigen und zuhören würden, was die Menschen in unserem Lande denken, hätten wir vielleicht alle wieder die Chance, dass eine vorwärtsweisende Politik betrieben wird.

Wir brauchen vernünftigerweise erstens eine Vermögensteuer. Auf Basis unseres Vorschlags einer Vermögensteuer, nämlich 5 Prozent auf das Nettovermögen abzüglich eines Freibetrages von 1 Million Euro ich wiederhole: 1 Million Euro , könnten bis zu 80 Milliarden Euro eingenommen werden,

(Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie doch selber nicht!)

80 Milliarden Euro, die die Bundesländer dringend für öffentliche Investitionen brauchen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Dann fangt mal in Berlin damit an! Ihr regiert doch in Berlin!)

Wissen Sie eigentlich, wie viele Vermögensmillionäre es im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik gab? Nach einem Report von Merrill Lynch waren es 861.000, fast 50.000 mehr als noch vor zwei Jahren. So sehen die Zahlen aus. Ich finde, auch die Vermögensmillionäre müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen zweitens eine Reform der Erbschaftsteuer. Bei der Reform vor zwei Jahren haben Sie bewusst darauf verzichtet, mehr Geld einzunehmen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Auch die Erbschaftsteuer ist eine Ländersteuer! In Berlin kann man damit anfangen!)

Selbst wenn man diese Reform so durchführte, dass Oma ihr klein Häuschen geschützt bleibt und kein Unternehmen im Erbfall pleitegeht, könnten trotzdem 6 Milliarden Euro eingenommen werden. Der entsprechende Vorschlag liegt auf dem Tisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Damen und liebe Herren der FDP, wir könnten tatsächlich die Bezieherinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen steuerrechtlich entlasten, nämlich drittens durch eine Reform der Einkommensteuer. Nach unserem Vorschlag würden im Vergleich zum Tarif 2010 alle Menschen mit einem zu versteuernden Einkommen bis zu 70.245 Euro pro Jahr entlastet werden; alle Menschen, deren zu versteuerndes Einkommen darüber liegt, würden belastet werden. Das ist ganz einfach durch eine Neugestaltung des Tarifs zu erreichen. Wir schlagen Ihnen vor, ausgehend von einem Eingangssteuersatz von 14 Prozent und einem Grundfreibetrag von 9.300 Euro eine linear-progressive Gestaltung, hoch geführt bis zu einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent, vorzunehmen und durch diese Korrektur die Einkommensteuer gerecht auszugestalten.

(Beifall bei der LINKEN)

In aller Deutlichkeit: Durch die Umsetzung unserer Vorschläge im Antrag sind ja noch mehr aufgeführt; ich kann sie jetzt nicht alle erläutern würde die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig gestärkt werden, denn dadurch würde die Binnennachfrage angekurbelt und die Kassen der Kommunen wären nicht mehr so klamm. Werfen Sie endlich Ihre absurde Steuersenkungspolitik über Bord. Sie gefährdet den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wohin Gier und Spekulation führen, haben wir in der Finanzkrise gesehen. Ich sage Ihnen: Vermögenskonzentration befördert Spekulation.

Lassen Sie mich persönlich enden: Wenn mich meine siebenjährige Tochter fragt, warum einige Kinder in ihrer Schule arm sind, dann möchte ich ihr eigentlich nicht mehr sagen müssen, dass das noch lange so bleibt. Tun Sie etwas, damit ich das nicht mehr sagen muss! Tun Sie endlich etwas; denn dieses Land gehört allen Menschen, nicht nur den Reichen, den Lobbyisten und den Regierenden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)